Australian Open:Sieger über die Selbstzweifel

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Alexander Zverev brüllt seine Freude über den Sieg in einem schwierigen Match heraus. (Foto: REUTERS)
  • Angelique Kerber und Alexander Zverev, die jüngsten Sorgenfälle im deutschen Tennis, starten mit soliden Siegen in das erste Grand-Slam-Turnier 2020.
  • Der Glaube an die eigenen Stärken scheint bei beiden zurückzukehren.
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Von Barbara Klimke, Melbourne

Nicht durch Ausdauer, nicht durch Taktik werden Tennismatches bei den Australian Open bisweilen entschieden. Sondern manchmal nur durch den Versuch, die eigene Verunsicherung zu überspielen. Angelique Kerber, die verletzt nach Melbourne gereist war, hat in ihrem Eröffnungsspiel gegen die Italienerin Elisabetta Cocciaretto (6:2, 6:2) ein Lehrstück in dieser Teildisziplin gegeben. Und in einer bemerkenswerten Duplizität der Ereignisse bezwang ihr Kollege Alexander Zverev nahezu zeitgleich ebenfalls einen Gegner vor und einen hinter der Netzkante (6:4, 7:6 /4, 6:3), Marco Cecchinato und die eigenen Selbstzweifel.

Nacht lag schon über Melbourne, als Kerber, 32, am Dienstag um 22 Uhr ihren ersten Arbeitstag im Match gegen die 18-jährige Qualifikantin aus Ancona in der Rod-Laver-Arena beginnen konnte. Der Verzug kam ihr nicht unrecht. Je länger sie ihren Oberschenkel schonen könne, desto besser, lautete der Rat ihrer Physiotherapeuten. Die Blessur hatte sie sich in der Vorwoche zugezogen, beim Turnier in Adelaide, das ihr als Vorbereitung für den erste Grand-Slam-Wettkampf des Jahres, die Australian Open, dienen sollte. Doch statt sich in Adelaide in Form zu spielen, lag sie dort mit schmerzverzerrtem Gesicht bäuchlings auf dem Court und ließ die Mediziner kommen. Als sie sich wieder aufrappeln konnte, musste die Generalprobe allerdings doch abgebrochen werden. Das Risiko war einfach zu groß, weiter die Gesundheit zu gefährden. Aber die Zeit bis zu ihrer Premierenvorstellung in Melbourne wurde knapp.

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"Ich wusste nicht, wie ich mich fühlen würde", gab Kerber zu, als sie am Dienstag die erste Härteprobe gegen Cocciaretto, Nummer 175 der Weltrangliste, überstanden hatte. Allein die ersten beiden Spiele dauerten 24 Minuten, bis sie sich einen 2:0-Vorsprung erarbeitet hatte. Der Sieg war schwerer erkämpft, als das Ergebnis vermuten ließ, gab die Titelträgerin von 2016 zu, sie kannte weder die junge Kontrahentin noch die Belastungsfähigkeit der eigenen Beine. Am Ende wusste sie zumindest, dass die Schmerzen sich in Grenzen hielten und die Behandlungen der vergangenen Tage angeschlagen hatten. Letztendlich, sagte sie, gehe sie nun mit einiger Zuversicht in die nächste Runde des Turniers.

Nach Kerbers Plänen soll 2020 mit neuem Team und Trainer die Wende bringen nach der vergangenen Saison, in der sie nicht nur ohne Turniersieg blieb, sondern bei den Grand-Slam-Wettbewerben in Paris sowie in Flushing Meadows schon in der ersten Runde verlor. Tiefpunkt war das Wimbledonturnier, wo sich für die Titelverteidigerin nach der zweiten Runde die schmiedeeisernen Pforten des Nobelklubs vorzeitig hinter ihr schlossen. Sie hat sich danach lange Zeit gelassen, ehe sie in Dieter Kindlmann, der früher unter anderem mit Maria Scharapowa gearbeitet hatte, einen neuen Coach fand, dem sie vertraut. "Er kennt die Tour", sagt sie, Kindlmann ist ein Experte der Frauentennisszene, diese Zusammenarbeit wird nun ersten Belastungsprüfungen unterworfen. Aber das Duo sieht sich auf einem guten Weg.

Kerber hat nun am Donnerstag wie auch die DTB-Kollegen Laura Siegemund und Peter Gojowczyk die Möglichkeit, die dritte Runde zu erreichen. Aber im Grunde muss die hochdekorierte dreimalige Grand-Slam-Siegerin niemandem mehr etwas beweisen, höchstens sich selbst. Das unterscheidet sie von dem zehn Jahre jüngeren Alexander Zverev, dessen erhoffter Katapultstart in eine neue Umlaufbahn ebenfalls Dienstagnacht in Down Under, nur ein paar Meter entfernt, begann. Wie es die Turnierleitung wollte, die für ihr Abendprogramm am Yarra River Tennisprofis mit Meriten oder großen Namen bucht, war auch Zverevs Partie in der benachbarten Margaret-Court-Arena als letztes Auftritt in der "Night Session" angesetzt. Sein Matchball gegen den Italiener Marco Cecchinato, 27, schlug nur eine Minute später als Kerbers auf den Platz.

Die Erleichterung Zverevs über seinen Dreisatzsieg war ebenfalls offensichtlich. Schon deshalb, weil er vor australischem Publikum einiges gutzumachen hatte nach drei blamablen Auftritten zu Beginn des Monats, als er bei dem neu geschaffenen Mannschaftswettbewerb ATP Cup in Brisbane, einem Prestigeprojekt des australischen Verbandes, seinen Ruf als Weltranglisten-Siebter und Coverboy einer neuen, aufregenden Tennisprofigeneration riskierte. Dreimal war der 22 Jahre alte ATP-Weltmeister von 2018 dort angetreten, dreimal hatte er krachend verloren und eine Art Komplettkontrollverlust beklagt: "Ich habe rumgestanden wie jemand, der die Bälle aufsammelt." Von Fernsehexperten wie dem früheren Weltklassespieler Mats Wilander musste er sich vorhalten lassen, dass er mit den Top-Spielern derzeit wegen taktischer Defizite nicht mehr mithalten könne. Er spiele "zu passiv und zu wenig variabel", bei Grand Slams sei das verhängnisvoll.

Als es darauf ankam im Match gegen Cecchinato, Nummer 77 der Welt, einen Spieler, dem Sandplätze mehr als harte, schnelle Böden liegen, eroberte sich Zverev die Kontrolle zurück. In jedem Satz lag er zurück, in jedem holte er in den Rückstand umgehen wieder auf. Der zuletzt alarmierende Aufschlag war stark verbessert, vier Doppelfehler standen acht Asse gegenüber. Den schönsten Punkt zum ersten Satzgewinn sicherte er sich bei einem Netzduell per Volley und Lob.

Als er zum Hallenmikrofon gebeten wurde nach dem erlösenden Auftaktsieg, sicherte Zverev dem Publikum finanzielle Hilfe bei der Behebung der Schäden der Buschbrandkatastrophe zu. 10 000 Australische Dollar will er nach jedem Sieg in Melbourne spenden. Und falls er das Turnier gewinnen werde, soll das gesamte Preisgeld, vier Millionen Dollar, an den Benefizfond gehen. "Wir sind hier als Tennisprofis jedes Jahr einen Monat im Land zu Hause", sagte er. "Und weil wir zu den glücklichen, nicht betroffenen Menschen gehören, dann können etwas zurückgeben." Er verließ die Halle unter Applaus.

© SZ vom 22.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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