In der Karriere berühmter Sportler gibt es viele Momente, in denen es um sportlichen Ruhm geht und manch wenige, in denen sogar noch mehr auf dem Spiel steht. Für Novak Djokovic ist gerade ein solcher Moment. Wie er sich in den kommenden Tagen verhält, wird darüber entscheiden, wie er in die Sporthistorie eingeht. Nur als grandioser Tennisvirtuose, der er unbestritten ist, oder auch als einer, dessen Horizont über die weißen Linien hinausreicht, zwischen denen er seinen Reichtum verdient hat?
Dank einer Ausnahmegenehmigung darf der bekennende Impfskeptiker offenbar ohne den vorgeschriebenen Piks in Melbourne einreisen, wo am 17. Januar die Australian Open beginnen, die Djokovic bereits neunmal gewann und bei denen er seinen 21. Grand-Slam-Titel anstrebt - eine Marke, die ihn zur führenden Figur machen würde in dem Triumvirat, das er mit Rafael Nadal und Roger Federer formt.
Australian Open:Wut und Empörung über Ausnahmeregelung für Djokovic
Der Weltranglistenerste soll ohne die vorgeschriebene Corona-Impfung bei den Australian Open starten - das führt zu harscher Kritik im Gastgeberland und Problemen bei seiner Einreise.
Von den rund 3000 Menschen, die der Profitennis-Tross umfasst, die aus aller Welt für das Turnier anreisen, haben sich 26 um eine derartige Ausnahmegenehmigung bemüht. Einer Handvoll von ihnen wurde sie gewährt. Djokovic ist also kein Einzelfall. Aber weil er ein besonderer Fall ist, erregt er - zu Recht - viel Aufmerksamkeit.
Djokovic kann den ganzen Tennissport nachhaltig beschädigen
Wie ihn das Publikum in Melbourne, wo es besonders lange Lockdowns gab, empfangen wird, ist leicht auszurechnen: Djokovic wird dieses Mal auch gegen Wut und Enttäuschung anspielen und sich immer wieder kritische Fragen gefallen lassen müssen. Seine sportlichen Aussichten muss das gar nicht unbedingt trüben. Es gibt Athleten, die ziehen aus Abneigung tatsächlich Kraft. Das Turnier aber, ja seinen ganzen Sport und damit die Bühne, die auch für die vielen weniger privilegierten Kolleginnen und Kollegen existentiell wichtig ist, kann Djokovic nachhaltig beschädigen, wenn er einfach egoistisch sein Ding durchzieht.
Für den 34 Jahre alten Serben gibt es nur noch einen Weg, echte Größe zu zeigen: Djokovic muss die Welt wissen lassen, warum ihm die Ausnahmegenehmigung zugesprochen wurde. Nur so kann er den Verdacht ausräumen, dass ihm etwas Ungebührendes zugestanden wurde, weil er reich und berühmt ist.
Sportler, die es zu etwas bringen wollen, müssen lernen, zuerst an sich selbst zu denken. Sportler, die für mehr in Erinnerung bleiben wollen, müssen darüber hinauswachsen und in den Momenten, in denen es wirklich zählt, beweisen, dass sie auch mehr im Blick haben. Bisher hat Novak Djokovic das allerdings selten getan.