Australian Open:Schlummerndes Talent, von Pam Shriver geweckt

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Entschlossener Auftritt: Donna Vekic zeigte der 17 Jahre alten Tschechin Linda Fruhvirtova im Achtelfinale der Australian Open ihre Grenzen auf. (Foto: Jaimi Joy/Reuters)

Donna Vekic wurde früh mit Maria Scharapowa verglichen, doch die Erwartungen konnte sie nie ganz erfüllen. Mit 26 traut sie sich nun einen Grand-Slam-Sieg zu - das hat sie auch einer Zufallsbegegnung mit einer Tennis-Größe zu verdanken.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Das Leben ist manchmal seltsam, das weiß jemand wie Donna Vekic bestens. Zu einer wie ihr sagen sie im Tennis schon mal Veteranin, mit einem Augenzwinkern. Denn sie ist zwar erst 26 Jahre alt, aber sie war 15, als sie erstmals auf der Frauen-Tour aufschlug. Sie hat wahrlich viel erlebt. Sie hat drei Turniere gewonnen, aber wollte auch schon zwei Mal mit dem Tennis aufhören, bekannte sie nun. Sie hat sich endlos den Kopf zerbrochen, ob sie das noch mal schaffe, sich ganz nach oben zu spielen. Und wie sie besser werden könne.

Dann kam der Zufall ums Eck - und sie wurde besser. So gut, dass sie jetzt, an diesem heißen Montagnachmittag, im heruntergekühlten Main Interview Room der Australian Open sitzt und übers ganze Gesicht strahlt. Sie steht zum zweiten Mal in ihrer Karriere im Viertelfinale eines Grand-Slam-Turniers, 2019 hatte sie schon mal ein solches Erfolgserlebnis bei den US Open in New York.

Diesmal aber gibt es einen Unterschied: Vekic glaubt erstmals wirklich, sagte sie, dass sie ein solch bedeutsames Turnier gewinnen könne. Das liege an San Diego - und an Pam Shriver.

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Die ernüchternde Bilanz in Melbourne zeigt: Wenn verlässliche Spitzenkräfte wie Angelique Kerber und Alexander Zverev fehlen oder früh verlieren, wird die Lücke hinter ihnen sichtbar. Talente rauschen nicht im Überfluss heran.

Kommentar von Gerald Kleffmann

Im vergangenen Oktober war Vekic der ehemaligen amerikanischen Spitzenspielerin beim hochklassig besetzten WTA-Turnier in Südkalifornien über den Weg gelaufen. Man verstand sich, Shriver - in den 1980ern die Nummer drei der Welt und mit unglaublichen 21 Doppel-Titeln bei Grand Slams dekoriert - nahm sofort positiven Einfluss auf Vekics Spiel. Aggressiver, mutiger, schnörkelloser agierte die Kroatin, die dann der Reihe nach die Topprofis Maria Sakkari, Karolina Pliskova, Aryna Sabalenka und Danielle Collins besiegte.

Nun, in Melbourne, nachdem sie das riesige tschechische Talent Linda Fruhvirtova, 17, mit 6:2, 1:6, 6:3 bezwungen hatte, erwähnte sie immer wieder die Stadt in Kalifornien. "San Diego war eine wichtige Woche für mich", betonte sie. Dort habe sie auch Shriver direkt gefragt, "ob sie Team DV beitreten will". Nikola Horvat bleibt ja ihr Hauptcoach. Vekic verlor dann zwar gegen die Weltranglisten-Erste Iga Swiatek, doch die starken Auftritte gaben ihr ein neues Selbstvertrauen und dieses wiederum eine neue Perspektive: "Ich sah in der Woche, dass ich es kann. Wenn ich es da schaffe, warum nicht hier?", sagte Vekic. "Und wenn es hier nicht klappt, dann in den nächsten Jahren, das glaube ich wirklich." Es waren bemerkenswerte Sätze. Denn im Grunde hatte man sie schon vor vielen Jahren erwartet - und inzwischen gar nicht mehr damit gerechnet, dass sie mal aus Vekics Munde kommen würden.

Im Viertelfinale gegen Aryna Sabalenka spielt sie nicht nur für sich - "ich versuche Rache zu nehmen für Belinda"

Vekic, die aus einer Sportlerfamilie stammt, wurde aufgrund ihrer Tennisbegabung früh hoch gehandelt. Die kürzlich verstorbene Trainerlegende Nick Bollettieri sah in ihr gar "das größte Versprechen im Frauentennis seit Maria Scharapowa". Mit 16 erreichte sie, als Qualifikantin, das Finale beim WTA-Turnier in Taschkent, schnell stieg sie in die Top 100 auf. In Melbourne bestritt sie 2013 ihre erste Grand-Slam-Veranstaltung, bei den Australian Open ist sie zum elften Mal, "ich treibe mich schon eine Weile herum", sagte sie lächelnd.

5,6 Millionen Dollar Preisgeld, das sie sich erarbeitete, deuten ihre lange Präsenz an, doch so ganz hatte sie trotzdem eines nicht erreicht: einen der großen Titel zu gewinnen. Zum einen fehlte ihr zeitweise, auch aufgrund zahlreicher Verletzungen, der Glaube daran, ein solches Ziel erreichen zu können, Tennis ist diesbezüglich ein gnadenloser Kopfsport. Zum anderen hatte sie aber auch nicht die spielerischen Qualitäten, um regelmäßig weit bei einem Grand Slam vorzustoßen. Umso faszinierender ist ihr Weg jetzt, der davon erzählt, dass es sich immer wieder lohnen kann, selbst nach einigen Jahren, an sich und seiner Herangehensweise zu tüfteln.

Pam Shriver bei einem Turnier 2019. (Foto: Dave Shopland/BPI/Shutterstock/Imago)

Vekic, so erklärte sie das, ließ los vom Tennis, das nicht mehr jene Priorität besitze wie in den vergangenen zehn Jahren. Ihr Ansatz erinnert an die weise Schildkröte Kassiopeia in Michael Endes Roman "Momo", die immer sagt: "Je langsamer, desto schneller." Sie wolle ihr Tennisleben genießen, und als sie etwa am Montag in der Margaret Court Arena auftrat und lautstark von einer Gruppe immer wieder bejubelt wurde, tat sie das. Genau das seien Momente der Freude, "die kannst du nicht schlagen". Shriver saß natürlich auch in ihrer Box, die inzwischen 60-Jährige ist für ihre direkte Art bekannt, aber das findet Vekic gut so. "Am Ende des Tages willst du diese Sachen hören, die dich besser machen", sagte sie, sie könne mit Kritik umgehen. Sie klang gereift und abgeklärt.

Im Viertelfinale trifft die Kroatin Vekic auf die Belarussin Aryna Sabalenka, die der Olympiasiegerin Belinda Bencic beim 7:5, 6:2 mit ihren brachialen Schlägen letztlich wenig Chancen ließ. Die Schweizerin ist Vekics engste Freundin, deshalb verabschiedete sie sich aus dem Raum mit einer deutlichen Ankündigung: "Ich versuche Rache zu nehmen für Belinda." Sie lachte, aber sie meinte das sehr, sehr ernst.

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