Arturo Vidal vor dem Spiel gegen Bayern:Der Ritter der Kokosnuss will Revanche

Lesezeit: 3 min

Liebe für Juventus anstatt für die Bayern: Turins Arturo Vidal. (Foto: dpa)

Arturo Vidal ließ einst einen Wechsel zum FC Bayern platzen, die Münchner stilisierten den Chilenen daraufhin zum charakterlosen Verräter. Noch heute wurmt das den Mittelfeld-Allrounder. Im Champions-League-Viertelfinale könnte er jetzt zeigen, was er bei Juve alles von Großmeister Andrea Pirlo gelernt hat.

Von Birgit Schönau, Rom

Sind die neun Tore gegen Hamburg jetzt ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Im abergläubischen Turin scheiden sich daran die Geister. Sicher, die Bayern könnten sich verausgabt haben, wer am Samstag neun Mal trifft, der tut es am Dienstag bestimmt nicht wieder. Sagt die Statistik. Aber was ist, wenn das nur der Anfang war einer nicht aufzuhaltenden Bayern-Lawine, die bald auch eine Alte Dame unter sich begräbt? Bei Juventus sind sie jedenfalls beeindruckt.

Neun Tore, das bedeutet einerseits Verschwendung. Andererseits aber auch eine Ansage, die Juve mit einem nicht ganz so überzeugenden 2:1 in Mailand gegen Inter kontert. Mit einem souverän, aber nicht überragend gewonnenen Derby d'Italia, das die neun Punkte Vorsprung vor dem Zweiten SSC Neapel sichert, ohne dass Antonio Contes Truppe jetzt Grund zum Übermut hätte. Man hat Inter hinter sich und muss nun irgendwie München überstehen. Was ungleich härter wird, denn so berechenbar wie das leicht eingerostete Inter-Uhrwerk ist der Viertelfinal-Gegner nicht.

Zwei Juve-Spieler sehen dem Auftritt in der Münchner Arena mit besonders gemischten Gefühlen entgegen. Innenverteidiger Andrea Barzagli, 31, kennt die Bayern aus seiner Zeit in Wolfsburg. Mit den Niedersachsen holte Barzagli den Meistertitel 2009, aber erst nach seiner Rückkehr nach Italien zeigt er die ganze Bandbreite seines Könnens.

Am Ostersamstag war Barzagli neben dem Stürmer Fabio Quagliarella Juves bester Mann, ein konditionsstarker Abwehr-Regisseur voller Offensivideen. Wie der Wein aus seiner Heimat Toskana scheint er mit den Jahren immer besser zu werden, weitaus zuverlässiger und kreativer als der rustikale Giorgio Chiellini.

FC Bayern gegen italienische Teams
:Im Bann des Inzaghi

Maradona, Matthäus und ein Bayern-Schreck: Die Aufeinandertreffen des FC Bayern mit italienischen Mannschaften endeten nicht immer glücklich. Anlässlich des Münchner Champions-League-Intermezzos mit Juventus Turin lohnt sich ein Rückblick auf bayerisch-italienische Duelle.

Von Jonas Beckenkamp

Auch Arturo Vidal kennt die Bayern als Bundesliga-Gegner, im Gegensatz zu Barzagli glaubt der Chilene aber, mit ihnen noch persönlich ein Hühnchen rupfen zu müssen. "Dieses Spiel ist für mich eine Gelegenheit zur Revanche", hat Vidal markig bekanntgegeben und sich damit noch ein wenig mehr unter Druck gesetzt: "Ich darf nicht zu motiviert sein, sonst überdrehe ich und schade der Mannschaft."

Pünktlich zum Viertelfinale erging sich die italienische Sportpresse in Transfergerüchten, angeblich sollen neben Real Madrid auch die Bayern an dem 25-Jährigen interessiert sein. Der Spieler zeigte vorsorglich schon mal die kalte Schulter.

Vidal konnte aber nicht verhindern, dass bei dieser Gelegenheit noch mal die alten Geschichten aufgekocht werden, der Wechsel von Bayer Leverkusen nach Turin 2011, obwohl er doch damals schon den Bayern eine Zusage gegeben hatte. Jedenfalls sah man das in München so, wo Uli Hoeneß ihm Wortbruch und mangelndes Rückgrat vorwarf und Karl-Heinz Rummenigge ihm sarkastisch hinterherrief, er habe sich für einen Klub entschieden, der zu ihm passe: "Angesichts der sportlichen Erfolge und juristischen Probleme von Juve in den letzten Jahren ist damit alles gesagt."

Inzwischen hat Juventus weniger Querelen mit der Justiz und dafür schon wieder ein paar Trophäen mehr. Und Rummenigge hat natürlich längst beteuert, das sei alles gar nicht so gemeint gewesen.

Vidal (links) avancierte in Turin zum Zauberlehrling von Großmeister Andrea Pirlo (r.). (Foto: dpa)

"Schweigen wäre Gold gewesen", hatte Juves Generaldirektor Giuseppe Moratta dem Kollegen schon damals ausrichten lassen, dieser Spruch wird sowieso niemals unmodern. Für Turin handelte es sich um eine ganz normale Transfer-Kabbelei. Aber im Spieler Vidal brodelt es noch. Als charakterloser Verräter lässt sich halt niemand so richtig gern bezeichnen, und Vidal legt Wert auf seinen Spitznamen "El Guerrero", Krieger.

Das, obwohl ihn die Gazzetta dello Sport einst fast poetisch so vorstellte: "Arturo Erasmo Vidal Pardo, ein Name wie ein Renaissance-Philosoph." In Italien nennen sie ihn "Re Arturo" nach König Artus, was auch passt, sucht Vidal doch zwischen Mittelfeld und Abwehr nach jenem Heiligen Gral, der der Volkssage nach tatsächlich in Turin versteckt ist - unter der Kirche Gran Madre di Dio am Ufer des Po.

Manchmal wirkt der Chilene dabei allerdings eher wie ein Ritter der Kokosnuss, zu selbstverliebt und tollpatschig, nicht zielstrebig genug. An guten Tagen aber enteilt er sogar seinem Teamgefährten Andrea Pirlo, der sich den jüngeren Vidal im Mittelfeld wie einen Zauberlehrling heranzieht. Von Pirlo lernt Vidal, die Bälle punktgenau zu setzen und zwischendurch auch mal ein kleines Mannschaftsopfer zu bringen.

Allerdings ist er von der Coolness des Italieners noch weit entfernt. Pirlos Bewegungen sind geschmeidig, Vidal ist aufgeregt. Pirlo ist listig, Vidal gewitzt. Der Meister wirkt mit seinem wilden Vollbart noch enigmatischer, der Assistent ist mit seiner Stutzer-Frisur nur einer von vielen Gecken.

Gemeinsam - unterstützt von Barzagli - sind Pirlo und Vidal als Hirn und Motor der Juve durchaus in der Lage, dem Gegner Kopfzerbrechen zu bereiten. Am Samstag, gegen Inter, war aber kein guter Tag für Vidal. Er war fahrig, zerstreut und fand noch nicht einmal ein Osterei, zu schweigen von der Kokosnuss. Das könnte einerseits auf ein kleines Formtief hindeuten. Aber vielleicht war er auch schon ganz woanders: beim Auftritt in München, der für ihn eine Revanche werden soll. Ein Meilenstein auf dem Weg zum Gral.

Statistik zum Durchklicken

© SZ vom 02.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: