American Football:Angelangt bei Plan F

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Wechsel zu RTL: Nadine Nurasyid legt eine Coaching-Pause ein. (Foto: Sven Beyrich/Sports Press Photo/Imago)

Football erfährt in Deutschland einen enormen Popularitätsschub, doch den traditionsreichen Munich Cowboys entstehen dadurch fast nur Nachteile. Sie schaffen immerhin den GFL-Verbleib, verlieren aber ihre Trainerin.

Von Christoph Leischwitz

Eine der letzten Amtshandlungen von Trainerin Nadine Nurasyid war eine für sie vergleichbar einfache: Die Mannschaft der Munich Cowboys stand noch auf dem Feld herum, dabei wollte Präsident Werner Maier, schon mit Mikro in der Hand, vor den Zuschauern den Abschied Nurasyids bekanntgeben, der Blumenstrauß wartete neben dem Weitsprung-Sandkasten des Dantestadions. Die Cheftrainerin drehte sich um und brüllte: "Teeeeam", sodass man es wahrscheinlich noch im Olympiapark hören konnte. Das Team kam sofort gerannt, es gab noch einen Dank an die ehrenamtlichen Helfer und an den Co-Trainer Justin Sottilare, der die Cowboys ebenfalls verlassen wird, und dann einen großen Applaus für die 37-Jährige, die sich ihrerseits auch noch beim Publikum bedankte: "Ich weiß, das eine oder andere Spiel war nicht so schön, deswegen vielen Dank für eure Unterstützung."

Es war ein bittersüßer Abschied am Samstagnachmittag, und der Rahmen dazu passend. Als die Cowboys mit Ach und viel Krach 16:13 gegen den Ravensburg Razorbacks gewonnen hatten, konnten sie einerseits den Ligaverbleib feiern. Es war viel auf dem Spiel gestanden: Die Cowboys sind das "Grand old team of the south", eines von sieben Gründungsmitgliedern der German Football League im Jahr 1979, deutscher Meister 1993, mit einer kurzen Unterbrechung in den Nullerjahren stets Erstligist - und mindestens in München immer die Nummer eins.

Immerhin 1700 Zuschauer waren zu dieser entscheidenden Abstiegskampf-Partie gekommen, doch als sie die Spieler feierten, stand auch ein Krankenwagen auf der Tartanbahn, und in ihm lag Abwehrspieler Mohamed Chaar. Zuvor war ihm eine Infusion gelegt worden. Auch am Sonntag wollte niemand sagen, um was für eine Verletzung es sich genau handelte. Die Cowboys hatten also viele Opfer gebracht, um in der ersten Bundesliga bleiben zu können, und dabei auch ein bisschen Glück gehabt: Ravensburg hatte mitten in der Saison seinen Quarterback Alexander Kronberg Bjerre verloren, der im August einfach nicht mehr aus dem Urlaub zurückkehrte, Nachverpflichtungen waren da nicht mehr möglich. Die Offensive der Cowboys kam in dieser lang spannenden Partie genau in den richtigen Momenten ins Rollen. In den Schlussminuten, beim Stand von 13:13, rumpelte sich der Ballträger Shakif Seymour bis tief in die gegnerische Hälfte, Cowboys-Kicker Baris Dasar sorgte dann mit einem souverän verwandelten Field Goal für den Endstand.

"Im Moment fühle ich noch nichts", sagte Nurasyid eine halbe Stunde nach dem Spiel, vermutlich befand sie sich gerade im ruhigen Auge eines Gefühlssturms. Es war eine Saison voller Unwägbarkeiten gewesen, vor allem, weil die Cowboys eine zweistellige Zahl an Spielern an das neue Münchner Team der Munich Ravens in der European League of Football (ELF) verloren hatten. "Dieses Jahr habe ich gelernt, dass ein Plan B nicht annähernd ausreichend ist für die Dinge, die daherkommen. Ich hatte einen Plan B, C, D und E", sagt Nurasyid lachend. Sie sei jetzt gegen Ende "ungefähr bei Plan F" angelangt.

Mit Nurasyids Weggang endet eine Ära bei den Cowboys

F wie Fernsehen, könnte man sagen. Denn mit Beginn der neuen Saison der US-Profiliga NFL am vergangenen Wochenende ist Nurasyid Teil des RTL-Teams, das sich erstmals die Rechte sicherte und den Anspruch hat, American Football in Deutschland endgültig in die Mitte der Gesellschaft zu führen. Zwar hat Nurasyid zusammen mit Frauen-Nationalmannschafts-Quarterback Mona Stevens erst einmal nur eine Rand-Sendung namens NFL Sideline übernommen, aber sie ist ja auch Novizin. Und stellte nach dem Spiel gegen die Razorbacks klar: "Ich bin Coach. Wenn ich Zeit habe, mache ich was anderes." Allerdings brauche sie jetzt einmal eine Coaching-Pause nach dieser anstrengenden Saison.

Mit Nurasyids Weggang endet eine Ära bei den Cowboys. Denn die Sportwissenschaftlerin war in den vergangenen zehn Jahren auch als Spielerin und Co-Trainerin dabei, nach der Pandemie dann als Chefcoach. Es dürfte eine enorme Energieleistung gewesen sein, die Mannschaft nach diesem Aderlass in der ersten Liga zu halten. Die Cowboys müssen sich neu aufstellen, und das in einer Zeit, in der man eher noch mehr Spieler an die ELF verlieren dürfte als jetzt schon. Football erfährt einen enormen Popularitätsschub im Land, doch den 44 Jahre alten Cowboys entstehen dadurch fast nur Nachteile. Mit dem Weggang der Cheftrainerin entsteht jetzt auch noch ein Loch auf der Trainerebene.

Nachdem die Cowboys die Abstiegs-Relegation verhindert hatten, kündigte der Ravensburger Trainer Sascha Brändle an, gar nicht erst zur Relegation antreten zu wollen. Was in einer anderen bayerischen Gemeinde gar nicht wohlwollend aufgenommen wird: Die Kirchdorf Wildcats sind Zweitliga-Meister und hätten wahnsinnig gerne die Relegation gespielt. "Allein mit diesem Einnahmen würden wir die Lizenz für die kommende Saison bezahlen", sagt Wildcats-Vorstand Hans-Peter Klein. Die Ankündigung der Razorbacks halte man für "unsportlich", außerdem strahle dieses Gebaren nicht jene Professionalität aus, die die GFL benötige, um sich gegen die ELF zu behaupten. Die Münchner hingegen werden weiter versuchen, sich so gut es geht als Nummer zwei in der Stadt zu behaupten.

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