Allianz Arena:FC Bayern kehrt zurück zur Natur

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400 Rollen, jede 15 Meter lang: Arbeiter verlegen den neuen Rasen in der Arena. (Foto: dpa)

8000 Quadratmeter groß, 400 Tonnen schwer, 38 Millimeter dick: Gegen den 1. FC Köln spielt der FC Bayern auf seinem neuen Rasen - der wieder ganz ohne Kunstfasern auskommt.

Von Benedikt Warmbrunn

Der Kulturbegriff beim FC Bayern wurde in den vergangenen Jahren etwas arg strapaziert, es ging um Laptops und um Lederhosen, es ging ums Mia san Mia und um dessen katalanische Interpretation; irgendwann war der Kulturbegriff so weit gedehnt, dass es auch um das Kontrakulturelle ging. Das war für Pep Guardiola das, was aufeinander traf zwischen diesem bajuwarischen Verein und ihm, dem früheren Trainer.

Drei Jahre lang befruchteten sich die beiden Seiten mit ihren Kulturvorstellungen, gelegentlich verschreckten sie sich auch, dann zog Guardiola im Sommer weiter, zu Manchester City. Doch nach wie vor beschäftigt der Katalane den Verein, auch nach fast drei Monaten unter Carlo Ancelotti.

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An diesem Samstag (15.30 Uhr) zum Beispiel empfängt der FC Bayern den 1. FC Köln, es ist ein Termin, an dem ausnahmsweise deutlich wird, dass Guardiola den Klub nicht in allem nachhaltig beeinflusst hat. Zu sehen sein wird dies an einer 8000 Quadratmeter großen Fläche, knapp 400 Tonnen schwer und 38 Millimeter dick: dem Rasen. Gegen Köln spielt der FC Bayern erstmals nicht mehr auf dem Untergrund, den Guardiola als den perfekten für seine Vorstellungen vom Fußball betrachtet hat.

Am Mittwoch und am Donnerstag rollten die Lkws an und lieferten die jeweils 1,20 mal 15 Meter großen Rasenstücke, anschließend wurden diese sofort verlegt; am Freitag wurden noch die Linien des Spielfeldes gezogen. Wer will, kann nun auch diesen Wechsel kulturell aufladen, denn der Rasen, auf dem der FC Bayern von nun an spielen wird, ist ein Naturrasen. Und kein Hybridrasen, also einer mit zusätzlichen Kunstfasern, wie ihn sich Guardiola gewünscht hatte.

In seiner ersten Saison in München hatte er dreimal bei einem englischen Verein gespielt, anschließend schwärmte er von diesem System. Und weil sie in München damals noch uneingeschränkt von ihrem Trainer und dessen Ideen schwärmten, erfüllten sie ihm gerne den Wunsch; auch wenn dieser pro Platz 750 000 Euro koste, wie Klubboss Karl-Heinz Rummenigge im Herbst 2014 verriet. Bei einem Hybridrasen wird, grob vereinfacht, die Grünfläche durch die Kunstfasern zusätzlich verankert, er hat dann eine stärkere Wurzel, er ist stabiler, und er ist - für einen Passfetischisten wie Guardiola war das der wichtigste Punkt - ebenflächiger.

Der Vorteil: Sind die natürlichen Gräser leicht beschädigt, ist der Platz weiterhin gut bespielbar. Der Nachteil: Sind die natürlichen Gräser stärker beschädigt, versagt das System komplett.

In der ersten Wiesn-Woche, bei den Heimspielen gegen Ingolstadt und Berlin, hatten sich die Spieler über den Zustand des Rasens beschwert, an vielen Stellen war er braun und matschig; Franck Ribéry urteilte: "Ein komischer Platz." Wenig später verkündete der Verein, dass er den Belag wechseln müsse. Der alte Rasen sei von einem Pilz befallen.

Bei Desso Sports System, der dem FC Bayern den Hybridrasen geliefert hatte, sind sie "schon überrascht", dass die Arena nun einen neuen Untergrund hat. Sechsmal pro Spielzeit hätten sie den Hybridrasen kontrolliert, zuletzt zum Ende der vergangenen Saison. Wie sich der Pilz einnisten konnte, ist ihnen rätselhaft. In der Sommerpause wird bei einem Hybridrasen üblicherweise neu gesät, wie gut die Saat wächst, hängt auch von den klimatischen Bedingungen ab, ob es heiß ist oder kalt, ob die Sonne oft scheint, ob es viel regnet. "Auch bei einem Hybridrasen", teilt Desso mit, "kommt irgendwann die Natur ins Spiel."

Den Rasen dann zu retten, ist eine Frage des Könnens und des Wetters der nächsten Tage. Ist er ernsthaft beschädigt, dauert es jedoch lange, um auf ihm wieder ohne Probleme spielen zu können. Dass nun Naturrasen ausgerollt wurde, war also eine Notoperation. "Sobald dieser verlegt ist, kann auf ihm auch wieder gespielt werden", sagt Harald Nonn, der Vorsitzende der Deutschen Rasengesellschaft, eines Vereins, der sich der Förderung von Wissenschaft und Forschung rund ums Thema Rasen widmet.

Ein Naturrasen muss allerdings häufiger ausgetauscht werden, jedes Mal kostet dies einen niedrigen sechsstelligen Betrag.

Zwischen einem Naturrasen und einem Hybridrasen gibt es jedoch noch weitere Unterschiede. "Bei einem Hybridrasen hat der Spieler von der ersten bis zur 90. Minute einen gleichbleibenden Rasen. Er muss also nicht überlegen, ob er den Pass jetzt anders spielen muss, weil vielleicht größere Grasbrocken herumliegen", sagt Klaus-Peter Sauer, der Greenkeeper des VfL Wolfsburg, dessen Rasen 2014 und 2016 als "Pitch of the Year" ausgezeichnet wurde. Bei Desso sagen sie: "Wenn du schnell und technisch anspruchsvoll spielen willst, hilft der Hybridrasen durch seine Ebenflächigkeit." Um bei einem Naturrasen diesen Effekt zu erzielen, müsse dieser deutlich sorgfältiger gepflegt werden.

Guardiola hätte nun wohl von kontrakulturellen Schwierigkeiten gesprochen. Aber ihm kann es ja auch egal sein, in England, dem Land der heiligen Hybridrasen.

© SZ vom 01.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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