Affäre um WM-Vergabe:Neuer Termin mit Beckenbauer

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Trifft sich wieder mit den vom DFB eingesetzten Ermittlern: Franz Beckenbauer (Foto: dpa)
  • Franz Beckenbauer trifft sich zum zweiten Mal mit den vom DFB eingesetzten Ermittlern, um über die WM 2006 zu sprechen.
  • Diesmal geht es um das von ihm unterschriebene Dokument für den umstrittenen Fifa-Funktionär Jack Warner.
  • Ob es danach noch ein Treffen Beckenbauers mit den DFB-Chefs Koch und Rauball geben wird, ist offen.

Von Georg Mascolo und Klaus Ott, München

Er komme "jederzeit kurzfristig nach Frankfurt oder wohin auch immer". Und er werde über die Affäre rund um die Weltmeisterschaft 2006 "nach bestem Wissen und Gewissen Rede und Antwort stehen". Das hat Franz Beckenbauer vor knapp zwei Wochen den beiden kommissarischen Chefs des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) geschrieben, Rainer Koch und Reinhard Rauball. Ein Gespräch der Funktionäre mit Beckenbauer, dem ehemaligen Präsidenten des Organisationskomitees (OK) der WM in Deutschland, kam aber nicht zustande. Stattdessen folgten gegenseitige Vorhaltungen, wer wann wie reagiert oder eben nicht reagiert habe. "Ja, wo samma denn", ärgerte sich Ex-Nationalspieler und Ex-OK-Chef Beckenbauer in einem Interview in der Süddeutschen Zeitung. "Kein Grund zur Aufregung", entgegnete Koch.

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Jetzt sieht es so aus, als werde der Terminstreit schnell vorüber sein. Nach Angaben aus Verbandskreisen wird sich der frühere OK-Chef am Dienstag noch ein zweites Mal von der Anwaltskanzlei Freshfields befragen lassen, die im Auftrag des DFB in der WM-Affäre ermittelt. Dann soll es um den fragwürdigen Vertrag vom 2. Juli 2000 gehen, in dem Beckenbauer dem damaligen Fifa-Funktionär Jack Warner aus der Karibik Ticket-Kontingente für WM-Spiele und Entwicklungshilfe für dessen Verband von Trinidad & Tobago zugesagt hatte.

Vier Tage später bekam Deutschland vom Weltverband Fifa mit 12:11 Stimmen den Zuschlag für die WM 2006: Warner war einer der Wahlmänner gewesen. Bei einer ersten Befragung des früheren OK-Chefs durch Freshfields hatte dieser Vertrag, der vom DFB als möglicher Bestechungsversuch gewertet wird, noch nicht vorgelegen. Jetzt soll Beckenbauer also bei Freshfields erklären, was es mit dem Warner-Vertrag auch auf sich hatte. Einen Korruptionsversuch weist der Ex-OK-Chef weit von sich.

Erst Rede und Antwort bei Freshfields stehen, dann ein Gespräch mit der Verbandsspitze, auf dieser Reihenfolge beharrt der DFB nachdrücklich. Der Termin bei Freshfields ist vereinbart, ob es danach noch ein Treffen Beckenbauers mit Koch und Rauball geben wird, ist offen. Der DFB betrachtet Beckenbauer, der als Spieler und Teamchef Weltmeister wurde, nach wie vor als "Lichtgestalt" und will ihn nicht verstoßen. Ob aber Beckenbauer nach dem Freshfields-Termin noch mit Koch und Rauball reden mag, bleibt abzuwarten.

Der Warner-Vertrag treibt den Verband auch sonst um. Wegen des Schriftstücks aus dem Jahr 2000 trennt sich der DFB jetzt von seinem Vize-Generalsekretär Stefan Hans, einem langjährigen Mitarbeiter, der schon in Beckenbauers WM-OK dabei gewesen war. Hans hatte im Sommer oder Herbst im Auftrag des kürzlich zurückgetretenen DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach im Verbandsarchiv nach Unterlagen über fragwürdige Geschäfte rund um die WM gesucht. Vorausgegangen war ein Hinweis aus der Fifa an Niersbach, dass etwas nicht in Ordnung sein könne. Hans hatte den Warner-Vertrag gefunden, er soll dann aber seine Vorgesetzten nicht rechtzeitig darüber informiert haben.

Nach Angaben aus DFB-Kreisen hat sich das Verbandspräsidium vergangenen Freitag lange mit dem Fall befasst und kam zu der Einschätzung, Hans habe eine schwere Pflichtverletzung begangen. Er werde deshalb gekündigt. Hans hat aber vor knapp zwei Wochen in einem Brief an das Präsidium den Vorwurf, über den von ihm gefundenen Warner-Vertrag nicht informiert zu haben, energisch zurückgewiesen. Er habe Niersbach und Generalsekretär Helmut Sandrock unverzüglich unterrichtet. Hans ist im DFB als gewissenhaft bekannt. Im WM-OK hatte er sich um die Finanzen gekümmert. Einmal hatte er sogar notiert, weil ein Mitarbeiter "Nahrungsmittel für die private Nutzung" entnommen habe, sei eine Rechnung um den betreffenden Betrag gekürzt worden.

Reaktionen auf Beckenbauer-Interview
:"Er war verantwortlich für seine Unterschrift"

Ex-DFB-Präsident Zwanziger kritisiert Franz Beckenbauer nach dessen Interview in der SZ. Die Interimspräsidenten Rauball und Koch verweisen auf Irritationen.

Wären Beckenbauer und andere OK-Verantwortliche so penibel mit dem Geld umgegangen, dann müssten heute weder die Juristen von Freshfields noch Frankfurter Steuerfahnder und Staatsanwälte ermitteln. Das OK hatte nach derzeitigen Erkenntnissen der Fifa-Finanzkommission im Jahr 2002 über den früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus insgeheim zehn Millionen Schweizer Franken zukommen lassen; angeblich als Voraussetzung dafür, dass die Deutschen vom Weltverband 250 Millionen Franken Zuschuss für die WM erhielten. 2005 erhielt Dreyfus inklusive Zinsen 6,7 Millionen Euro über die Fifa zurück; getarnt und falsch verbucht als Zuschuss an den Weltverband für das Kulturprogramm der WM.

Die ganze Heimlichtuerei deutet auf eine schwarze Kasse bei der Fifa hin

Die ganze Heimlichtuerei legt den Verdacht nahe, die zehn Millionen Franken seien in einer schwarzen Fifa-Kasse gelandet, mit der Fifa-Chef Sepp Blatter im Jahr 2002 seine Wiederwahl als Präsident des Weltverbands gesichert haben könnte.

Dieser Vermutung gehen sowohl Freshfields wie auch die Behörden nach. Sie wollen, um den Fall aufzuklären, natürlich wissen, wo die zehn Millionen Franken am Ende gelandet sind; und zu welchem Zweck. Das könnte helfen bei der Beantwortung der Frage, ob der DFB die Rückzahlung der Dreyfus-Millionen via Kultur-Zuschuss an die Fifa als Betriebsausgabe von der Steuer absetzen durfte. Das sei nicht richtig gewesen, glaubt die Staatsanwaltschaft und ermittelt wegen Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall gegen Ex-DFB-Chef Niersbach, dessen Vorgänger Theo Zwanziger und Ex-DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt. Nicht aber gegen Beckenbauer. Der hat nur Ärger mit dem DFB.

© SZ vom 23.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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