9. Spieltag der Bundesliga:Dortmund stößt Bremen von Platz zwei

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Fast eine Halbzeit muss Dortmund mit einem Mann weniger spielen - und gewinnt trotzdem mit 2:0 in Bremen. Der Meister der vergangenen Saison liegt damit nur noch drei Punkte hinter dem FC Bayern. Bremens Trainer Thomas Schaaf ist sauer - auf seine Spieler und den Schiedsrichter.

Sebastian Gierke

Kevin Großkreutz wurde in der vergangenen Saison zum Sinnbild für den Dortmunder Höhenflug - wie kaum einer sonst. Es war ein sagenhafter Aufstieg, vom Fan auf der Südtribüne zum Helden der Meisterelf, der es sogar in die Nationalmannschaft schafft. Mit Haaren, ohne Haare, mit ein wenig Haaren. Immer mit breitem Grinsen, immer locker.

Patrick Owomoyela (zweiter von rechts) jubelt über seinen Treffer zum 2:0 in Bremen. (Foto: dapd)

Kevin Großkreutz war in dieser Saison bislang das Sinnbild für Dortmunder Unsicherheit. Für den Verlust der Leichtigkeit. Plötzlich saß er nur noch auf der Bank. Doch gegen Werder Bremen durfte Großkreutz wieder von Beginn an auf den Platz. Und nach dem 2:0 Auswärtssieg gegen starke Bremer steht fest: Großkreutz ist zurück. Dortmund ist zurück. Bis morgen zumindest stehen sie auf Tabellenplatz zwei, nur drei Punkte hinter dem FC Bayern München. Und das, obwohl die Dortmunder fast eine Halbzeit lang in Unterzahl spielen mussten.

"Das war der süßeste Sieg dieser Saison", erklärte Jürgen Klopp anschließend strahlend. "Wir haben nach der gelb-roten Karte gut verteidigt. Mit Glück und Geschick. Die Bremer haben uns aber auch manchmal den Gefallen getan, ins Abseits zu laufen."

Thomas Schaaf war gerade darüber ziemlich verärgert: "Wir haben in der zweiten Halbzeit viel zu schlecht gespielt. Haben zu lange den Ball gehalten, sind überhaupt nicht in Überzahlsituationen gekommen. Das ist eine große Enttäuschung."

Dabei war es ein Spitzenspiel in Bremen, von Beginn an. Die beiden Mannschaften agierten technisch auf hohem Niveau. Und beide Trainer hatten je eine Überraschung parat. Werders Coach Thomas Schaaf brachte Naldo in der Innenverteidigung. Der Brasilianer hatte seit Mai 2010 aufgrund von Knieproblemen nicht mehr in der Startformation eines Bundesligaspiels gestanden. Jürgen Klopp musste den Ausfall von Rechtsverteidiger Lukas Piszczek kompensieren und schickte dafür Patrick Owomoyela erstmals seit September 2010 von Beginn an auf den Rasen. Die Umstellungen der Trainer wirkten sich, so viel kann man sagen, nicht negativ auf die Defensivleistungen der Mannschaften aus. Denn die Spieler befanden: Die beste Defensive ist sowieso die Offensive.

Vor allem Mario Götze auf Dortmunder Seite zeigte immer wieder seine großartige Technik und Spielübersicht. Der Nationalspieler war in den Katakomben des Stadions von einem kleinen Mädchen mit einem begeisterten Juchzen begrüßt worden, wie ein Popstar. Und so spielte er auch, ein bisschen selbstverliebt, aber immer mit Esprit und Präsenz.

Es war ein Spiel mit wenigen Chancen, nicht spektakulär, aber trotzdem hochklassig. Taktisch diszipliniert und technisch hochwertig agierten die Mannschaften. Kevin Großkreutz tat sich vor allem bei Ersterem hervor. Mit Patrick Owomoyela hinter ihm ließ er auf der rechten Seite Markus Rosenberg und Aaron Hunt kaum Platz für Kombinationen.

Werder Bremen versuchte trotzdem Druck aufzubauen, spielte mutig und offensiv. Bei einem Dortmunder Eckball etwa standen Pizarro, Hunt und Rosenberg an der Mittellinie, nicht am eigenen Strafraum, nein, an der Mittelinie, bereit zum sofortigen Gegenangriff. Das ist man nicht gewöhnt, vor allem nicht, wenn man amtierender Deutscher Meister ist.

Bei den Hanseaten spürte man das gewachsene Selbstvertrauen. Alle Heimspiele hatten sie bisher gewonnen in ihrem umgebauten Stadion, im dem die Fans jetzt vor allem hinter den Toren viel näher dran sind am Spielfeld. Die Stimmung ist besser, es ist lauter. Richtig laut wurde es zum ersten Mal, als Claudio Pizarro in der 29. Minute eine tolle Kombination über Lukas Schmitz und Rosenberg mit einem technisch schwierigen Volleyschuss abschloss, aber den Ball nicht mehr aufs Tor brachte. Pizarro stand in der Startelf, obwohl er erst am Donnerstag wieder in Bremen angekommen war. Die peruanische Nationalmannschaft hatte ihn gebraucht. Werder braucht ihn auch. An neun der insgesamt 16 Bremer Tore in dieser Saison war Pizarro beteiligt.

In Deckung gingen einige Zuschauer so nah hinter dem Tor kurz vor der Halbzeitpause. Der Dortmunder Ivan Perisic hatte einen Ball in ihre Richtung gejagt (42.). Sie konnten aber, sofern sie keine Bremer waren, beruhigt sein. Der Ball verfing sich im Netz, im Tornetz. Perisic hatte seinen Gegenspieler Sokratis Papastathopoulos mit einem Übersteiger überlistet und dann den Ball mit dem linken Fuß zum 1:0 ins kurze Eck gejagt. Fast ansatzlos, irrsinnig schnell abgezogen, als brauchte er für so einen Schuss gar nicht ausholen.

Ausgeholt hat Perisic dann aber kurz nach Wiederanpfiff in der zweiten Hälfte. Mit Anlauf und offener Sohle fuhr Perisic seinem Gegenspieler Papastathopoulos in die Beine. Schon in der ersten Halbzeit hatte er nach einem groben Foul die Gelbe Karte gesehen, jetzt musste Perisic mit Gelb-Rot vom Platz (47.). Trotz schauspielerisch vorzüglicher Leistung - mir tut die Schulter so weh! - zeigte Schiedsrichter Florian Meyer aus Burgdorf kein Mitleid.

Werder Bremen machte anschließend Druck, schnürte Dortmund in der eigenen Hälfte ein. Wie beim Handball spielten sie sich den Ball zu, immer um den Dortmunder Strafraum herum - auf der Suche nach Pizarro. Doch sie fanden ihn nicht. Sie fanden nur die Latte. Ein abgefälschter und deshalb ziemlich unberechenbarer Schuss von Schmitz prallte vom Torrahmen zurück auf das Spielfeld und konnte geklärt werden.

Und plötzlich, so richtig hat keiner verstanden warum, stand es 0:2. Die Dortmunder hatten nach langen Minuten der Abwehrarbeit wieder einmal den Weg nach vorne gefunden, sich einen Eckball erkämpft. Hummels brachte den Ball vors Tor, einmal per Kopf, dann nochmal per Fallrückzieher und da stand der Ex-Bremer Owomoyela, lenkte den Ball ins Netz (72.). Robert Lewandowski allerdings befand sich dabei im passiven Abseits.

"Man stimmt sich vor der Saison mit den Schiedsrichtern ab über bestimmte Szenen. Es ist die große Schwierigkeit, wenn es jede Woche anders bewertet wird", klagte Schaaf über diese Szene. Sogar Klopp stimmte ihm zu: "Das kann man auch wegpfeifen."

Kevin Großkreuz hatte da schon lange zur alten Leichtigkeit zurückgefunden, beim Feiern mit den Fans. Großkreutz ist wieder da. Dortmund ist wieder da. Aufgepasst Bayern.

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