Joel Embiid in der NBA:70 Punkte - aber ist das noch Basketball?

Lesezeit: 2 min

76ers-Profi Joel Embiid (re.) und Victor Wembanyama gehören zu den besten langen Leuten der Basketballliga NBA. Diesmal schenkte Ersterer dem jungen Franzosen 70 Punkte ein. (Foto: Matt Slocum/AP)

Enorme Einzelleistungen, haushohe Ergebnisse: In der NBA ist alles größer, auch die Rekorde. Lange Jungs wie Embiid oder Wembanyama haben das Spiel verändert - doch bei allem Können sollte man nicht vergessen, dass es in der Liga ums Spektakel geht.

Von Jonas Beckenkamp

Jetzt ist schon wieder was passiert in der US-Basketballliga NBA, und natürlich kramen die Statistikfreaks ihre Listen heraus. 70 Punkte in einem Spiel, das schafften insgesamt nur neun Profis, einige ihrer Namen sind auch jenen ein Begriff, die nicht jede Nacht wach bleiben, um den Muskeltypen in Amerika beim Fliegen zuzusehen. Kobe Bryant (81), David Robinson (71) oder der ewige Hundertpunktemann Wilt Chamberlain zählen zu diesem Kreis - und jetzt auch Joel Embiid, 29, Center der Philadelphia 76ers. Seine 70 Zähler gegen die San Antonio Spurs machen ihn zum neuesten Mitglied eines elitären Klubs.

Und hätte Karl-Anthony Towns von den Minnesota Timberwolves am selben Abend gegen die Charlotte Hornets noch etwas genauer gezielt (er kam auf 62 Zähler), stünde auch er nun in dieser Ahnengalerie. Enorme Werte sind das, erzielt von Athleten mit außergewöhnlichem Können, die genau deshalb in der besten Liga der Welt aktiv sind und nicht in Quakenbrück oder Kamerun, dem Herkunftsland des 2,13-Meter-Mannes Embiid. Er gilt nicht umsonst als derzeit bester Basketballer der Welt - erreicht hat er seine Bestmarke übrigens im direkten Duell mit dem vielleicht besten der Zukunft: Victor Wembanyama, 20, dem 2,24-Meter-Naturwunder, das bald die ganze Sportart dominieren dürfte.

SZ PlusStart der NBA-Saison
:Der Basketball-Alien

2,24 Meter Körpergröße, dazu Krakenarme und Hände wie Klodeckel: Victor Wembanyama ist riesig. Und das ist auch der Hype um ihn, ehe er nun in der NBA debütiert. Wird er die Sportart verändern? Oder kann man auch zu groß sein für das Spiel unter den Körben? Eine Vermessung in Grafiken und Geschichten.

Von Jonas Beckenkamp

So erzählen diese verblüffenden Punkteausbeuten zweierlei: Die großen Jungs des Basketballs sind längst keine unbeweglichen Klötze mehr, die unter dem Korb parken und ihre schiere Länge zu Korberfolgen nutzen. Schon zu Zeiten von Dirk Nowitzki (2,13 Meter) vollzog sich ein Umbruch in der Sportart der Riesen, in der längst Geschmeidigkeit, Geschwindigkeit und Ballfertigkeit als entscheidende Fähigkeiten gelten - und nicht mehr reines Gigantentum.

Embiid gegen Wembanyama, dieses Duell spielte sich in einer anderen Flughöhe ab, weiter oben als der Rest. Die großen Jungs der Moderne bewegen sich wie kleine, sie können werfen, dribbeln, tricksen und fintieren, ohne dabei über ihre eigenen Beine zu stolpern. Dem Basketball hat dies völlig neue Spielertypen beschert, Leute wie Nikola Jokic (ebenfalls 2,13 Meter), der wie ein XXL-Spielmacher übers Parkett tänzelt und Zauberpässe aus dem Ärmel schüttelt, für die anderen die Vorstellungskraft fehlt.

Vor den Playoffs ist die Liga oft ein Wettbewerb im Schongang

Gleichzeitig ist bei Bestmarken aus der NBA auch Vorsicht angebracht: Die Liga versteht sich als Unterhaltungsbetrieb, es geht ums größtmögliche Spektakel, das kann jeder bestätigen, der schon einmal in einer der Hallen ein Spiel besucht hat. Zwischen Popcorn-Rieseneimern und Einlagen der Cheerleaderinnen wird dort mitunter auch Sport angeboten, fernab der Playoffs aber allzu oft eine eher träge Variante.

Karl-Anthony Towns (li.) kam gegen Charlotte auf 62 Zähler - auch, weil er zehn Dreier versenkte. (Foto: Brad Rempel/USA TODAY Sports via Reuters Con)

Knochenharte Verteidigung, ausgeklügelte Defensivsysteme oder den allerletzten Einsatz nach drei Auswärtsspielen binnen drei Tagen sucht man in vielen NBA-Partien vergebens. Bei allem Talent ist die Liga mitunter ein Wettbewerb im Schongang.

Man muss es nicht so drastisch ausdrücken, wie der in Deutschland bestens bekannte Trainer Svetislav Pesic, der findet: "Die NBA ist kein Basketball." Doch zur Einordnung aller Rekorde gehört auch die Feststellung, dass ein Ergebnis wie jenes 133:123 von Embiids 76ers gegen die Spurs von Wembanyama nicht nur Ausdruck von Qualität ist. Die Partie, bei der im vergangenen Herbst Deutschland gegen Pesics Serben Weltmeister wurde, endete übrigens 83:77.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusUli Hoeneß im Interview
:"Das ging bumm-bumm-bumm"

Aktuelle Fußball-Weltmeister hat der FC Bayern keine mehr, dafür drei Basketball-Weltmeister: Ehrenpräsident Uli Hoeneß erklärt, was Deutschland von seinen Basketballern lernen kann. Er sagt, woran sich der Fußball ein Beispiel nehmen sollte - und welchen Bundestrainer-Typen er bevorzugt.

Interview von Christof Kneer, Philipp Schneider und Ralf Tögel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: