Dritte Liga:Schonfrist bis Ende März

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Ratlose Profis: Alexander Sorge (re.) und seine Mannschaftskollegen des insolventen Drittligisten Türkgücü München wissen nicht, wie es in naher Zukunft weitergeht. Womöglich können sie die Saison nicht zu Ende spielen. (Foto: Maik Hölter/Imago Images/Team 2)

Vorerst ist der Spielbetrieb beim insolventen Drittligisten Türkgücü München gesichert, doch im April könnte bereits Schluss sein, sollte sich nicht noch ein externer Geldgeber finden.

Von Christoph Leischwitz

Es war zuletzt recht ruhig geworden an der Heinrich-Wieland-Straße. Nach der 0:2-Niederlage beim MSV Duisburg am vergangenen Samstag hatte die Mannschaft drei Tage frei bekommen, verständlich, nach zwei englischen Wochen und Tausenden Kilometern im Mannschaftsbus. Am Mittwoch stand dann auf dem Bezirkssportgelände abseits des Trainings aber gleich ein wichtiger Termin an: Der vorläufige Insolvenzverwalter hatte sich angekündigt. Nach SZ-Informationen teilte er der Mannschaft mit, dass der Spielbetrieb bis Ende März gesichert sei. Die Bezahlung der Aktiven hat nach dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens Ende Januar die Bundesagentur für Arbeit übernommen, diese zahlt noch bis Ende März Insolvenzgeld - insofern kam die Nachricht nicht sonderlich überraschend. Zumal der März für den Verein insgesamt ein eher kostengünstiger ist. So steht in diesem Zeitraum nur ein einziges Heimspiel an (am 12. März gegen Tabellenführer Magdeburg). Heimspiele sind aufgrund der Stadionmiete und des geringen Zuschauerinteresses für den Verein nämlich deutlich teurer als Auswärtsreisen.

Es gab darüber hinaus keine guten Nachrichten. Denn dass Türkgücü im April noch Drittliga-Partien spielen kann, wird mit jedem Tag unwahrscheinlicher. So wurde es am Mittwoch auch der Mannschaft mitgeteilt: Wenn sich bis Anfang April nicht noch ein externer Geldgeber meldet, dürfte die Zeit im Profifußball für Türkgücü bis auf Weiteres beendet sein.

Wird Türkgücü rechtzeitig vor dem fünftletzten Spieltag aus der Wertung genommen, würden die Löwen davon profitieren

Das Fan-Interesse an Türkgücü hielt sich in den vergangenen Monaten gelinde gesagt in Grenzen, auch dann, wenn Zuschauer im Olympiastadion zugelassen waren. Als einzige nennenswerte Einnahme sind deshalb nur noch die vom DFB vierteljährlich ausgezahlten TV-Gelder zu erwarten. Dabei stehen für die aktuelle Saison sogar noch zwei Margen von jeweils ungefähr 250 000 Euro an. Eine ist noch im Februar fällig, eine weitere im Mai. Doch selbst, ob diese wirklich auf dem Vereinskonto eingehen, ist noch nicht hundertprozentig sicher. Auf Nachfrage, ob TV-Gelder auch ausgezahlt werden, wenn die Mannschaft vorzeitig aus dem Spielbetrieb genommen wird, erklärt der DFB: "Dieser Fall kam bisher noch nie vor. Diese Szenarien müssten dann geprüft werden."

Für die Konkurrenz bedeutsam ist die Frage, ob Türkgücü am Wochenende des 16. April noch am Spielbetrieb teilnimmt. Denn nach diesem fünftletzten Saisonspieltag kann der Verein nicht mehr aus der Wertung genommen werden. Verabschieden sich die Münchner allerdings davor, werden alle Spiele annulliert, die Tabelle der dritten Liga sähe schlagartig anders aus. Davon würde zum Beispiel 1860 München profitieren, die Löwen haben in zwei Spielen gegen den Lokalrivalen nämlich nur einen Punkt geholt.

Ehemalige Spieler und Mitarbeiter warten immer noch auf ihre vereinbarten Abfindungen

Es ist außerdem gut möglich, dass das eigentliche Insolvenzverfahren bis dahin schon eröffnet ist. Und diesem müssten dann die Gläubiger auch zustimmen. Sehen die Gläubiger allerdings keinen Sinn darin, den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten (sprich: wenn der Verein auf diesem Wege keinen Überschuss erwirtschaftet), dürfte die Zustimmung ohnehin unwahrscheinlich sein. Die Liste der Gläubiger ist wahrscheinlich auch recht lang - und viele davon sind dem Verein nicht gerade wohlgesonnen. Kürzlich berichtete der Kicker, dass der Liga-Konkurrent SV Wehen Wiesbaden die Ablöse für Paterson Chato noch gar nicht komplett erhalten hat, obwohl dieser schon im Sommer nach München wechselte - ein sechsstelliger Betrag stehe noch aus. Der SZ sind zudem mehrere Fälle bekannt, in denen ehemalige Spieler oder ehemalige Mitarbeiter eine vereinbarte Abfindung nicht erhalten haben.

In den vergangenen Wochen haben die Spieler immer wieder Werbung für sich betrieben. Die Mannschaft lebe, es lohne sich, Türkgücü zu retten. Intern scheint die Hoffnung ebenfalls nicht mehr sehr groß zu sein, dass dieser Fall noch eintritt. Und dann wäre es in gewisser Weise auch egal, ob man noch Einspruch gegen den Abzug der elf Punkte einlegt, den der DFB vergangenen Freitag bekanntgab - die Mannschaft würde bei Abbruch des Spielbetriebs ja sowieso am Tabellenende stehen und absteigen. Dem Vernehmen nach hatte Türkgücü am Donnerstagmittag noch keinen Widerspruch eingelegt, dabei läuft die Frist am Freitagnachmittag aus. Sollte sich der Klub seinem Schicksal fügen, wird der DFB zeitnah die Wirksamkeit dieses Urteils bekanntgeben. Dann würde die Mannschaft schon vor dem nächsten Spiel am kommenden Montag gegen den 1. FC Saarbrücken (19 Uhr, Olympiastadion) auch in den offiziellen Tabellen als abgeschlagener Letzter firmieren.

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