3. Liga:Keine Lust auf Sperenzchen

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Vorfreude auf Mannheim: Allerdings muss 1860-Trainer Michael Köllner (re.) auf seinen gelbgesperrten Kapitän Stefan Lex verzichten. Angreifer Marcel Bär (li.) könnte außerdem am Sonntag Vater werden. (Foto: Ulrich Wagner/Imago)

Das Duell das Tabellenfünften 1860 München gegen den punktgleichen Sechsten Waldhof Mannheim verspricht viel Spannung - die Zukunft der Sechziger bleibt zugleich eng verknüpft mit jener des schlingernden Lokalrivalen Türkgücü.

Von Christoph Leischwitz

Vor genau einem Jahr ging es los, da ließ sich Michael Köllner einen Bart wachsen, zu Beginn sei es angeblich eine Art Frustbart gewesen. Dieser verwandelte sich dann aber schnell zu einer Art Playoff-Bart, der bis zum letzten Spieltag der Drittliga-Saison 2020/21 stehenblieb - dann erst war klar, dass der TSV 1860 München die Aufstiegs-Relegation knapp verpasst hatte. Am Freitagmittag nun saß der 52-jährige Trainer glatt rasiert im Pressestüberl und hatte sich jede Menge Argumente zurechtgelegt, warum die Sechziger, aktuell der Tabellenfünfte, am Sonntag beim punktgleichen Tabellensechsten Waldhof Mannheim (14 Uhr) "klarer Außenseiter" ist. Dieses Jahr hat er ganz offensichtlich keine Lust auf Sperenzchen, es sprießen jedenfalls keine großen Erwartungen aus ihm heraus. Was auch daran liegt, dass andere Sperenzchen erst noch bewältigt werden müssen, die man nicht selbst in der Hand hat. Vor allem: die Zukunft des Stadtrivalen Türkgücü München.

Eines ist schon mal sicher: Der Präsident des 1. FC Saarbrücken hatte entgegen anders lautender Meldungen zu keinem Zeitpunkt darüber nachgedacht, Türkgücü zu sponsern, um die Mannschaft im Spielbetrieb zu halten. Bekanntlich wäre Saarbrücken ein Leidtragender, wenn die Mannschaft aus dem Münchner Osten Anfang April wegen Zahlungsunfähigkeit aus dem Wettbewerb scheiden würde, die Sechziger hingegen wären ein großer Profiteur: Auf den Dritten Saarbrücken zum Beispiel würden die Löwen fünf Punkte aufholen, verglichen mit dem nächsten Gegner Mannheim hätte man plötzlich drei Punkte mehr.

Dem Vernehmen nach wird bei Türkgücü alles versucht, die Saison mit irgendwo zusammengekratztem Geld zu Ende zu spielen, auch wenn der sportliche Ligaverbleib ohnehin unwahrscheinlich ist. Am Freitag bestätigte der DFB schon einmal den rechtskräftigen Abzug von zwei Punkten, neun Punkte werden wohl folgen; bezüglich dieses Beschlusses hat Türkgücü allerdings nach einem Widerspruch nun auch noch eine Beschwerde beim DFB-Präsidium eingelegt.

Am Samstag trifft Türkgücü, dem nun schon zwei Punkte abgezogen wurden, auf einen möglichen Gläubiger - den SV Wehen Wiesbaden

Die ersten, die erfahren werden, wie es weitergeht, sind höchstwahrscheinlich die Spieler von Türkgücü. Die Kanzlei des Insolvenzverwalters Max Liebig bestätigte, dass er am kommenden Donnerstag der Mannschaft das weitere Vorgehen mitteilen werde. Etwa zur gleichen Zeit dürfte auch das eigentliche Insolvenzverfahren beginnen. An diesem Samstag (14 Uhr) trifft Türkgücü auf einen möglichen Gläubiger, den SV Wehen Wiesbaden. Dort war bei Einreichung von Türkgücüs Insolvenzantrag Ende Januar noch nicht die gesamte Ablöse für den Transfer von Paterson Chato eingetroffen. Und sollte Petar Sliskovic, der im Winter von Türkgücü nach Wiesbaden wechselte, eine Abfindung ausgehandelt haben, dürfte diese auch noch nicht eingetroffen sein - dann wäre auch der Angreifer ein Gläubiger.

Es ist in jedem Fall sehr gut möglich, dass wiederum 1860 München Anfang April ein veritabler Aufstiegskandidat ist. Bis dahin, mindestens, sagt Köllner zu dem Thema aber nichts, er würde sich nach vier Siegen in Serie sogar über ein Unentschieden in Mannheim freuen, gab er zu Protokoll. Die Mannheimer gehörten "zu den stärksten Mannschaften der Liga" und hätten sich zusätzlich noch im Winter erheblich verstärkt. Wer möchte, kann daraus ein leises Hadern mit dem eigenen Schicksal herauslesen, schließlich sind solche Verstärkungen bei den Löwen aus finanziellen Gründen nicht möglich. "Außerdem fehlt unser Kapitän", sagt Köllner, Stefan Lex hat beim 2:0 gegen Viktoria Köln die fünfte gelbe Karte gesehen, und der zurzeit so erfolgreiche Angreifer Marcel Bär soll ausgerechnet am Sonntag Vater werden, ist also möglicherweise abgelenkt.

Doch auch, wenn vom Verein zum Thema Aufstieg derzeit nichts gesagt wird, das Thema DFB-Pokal-Qualifikation geht man recht offensiv an. Köllner sagt sogar, dass die jährliche Teilnahme, eben auch aus wirtschaftlichen Gründen, von ihm quasi erwartet werde. Via Toto-Pokal, wo am nächsten Wochenende das Halbfinale beim TSV Aubstadt ansteht, wolle man "mit aller Gewalt" den Titel anstreben. Über den vierten Platz in der Liga sieht Köllner auch noch eine "kleine Chance". Insofern wäre es für den Fünften ja doch recht bedeutsam, gegen den Sechsten zu gewinnen, egal, wie es weitergeht mit Türkgücü.

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