3. Liga:Der Autopilot

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Erst mal laufen lassen: Michael Köllner, hier bei seinem ersten Training mit dem FC Ingolstadt, will den Spielern zunächst nur ein paar systemunabhängige Prinzipien mitgeben. (Foto: Jürgen Meyer /Stefan Bösl/Imago)

Michael Köllner ist neuer Trainer des FC Ingolstadt. Die passenden Metaphern hat er sich schon angeeignet, nun muss er mit dem Team nur noch sportlich die Kurve kriegen.

Von Christoph Leischwitz

Im Grunde genommen ist Michael Köllner nie richtig weg. Selbst wenn der 53-Jährige gerade nirgendwo in Bayern Trainer ist, ist er trotzdem immer in bayerischen Stadien anzutreffen. Das war im Jahr 2019 auch schon so, bevor er zu 1860 München kam.

In den vergangenen Wochen sah man ihn in Augsburg, in Nürnberg und auch beim FC Bayern gegen Borussia Dortmund. Aber dieser Tribünen-Köllner, das ist kein wirklich zufriedener Mensch, auch wenn "in manchen VIP-Räumen das Essen nicht so schlecht" sei, wie er sagt, "man kann sich billig ernähren". Köllner grinst bei diesen Worten. Auf Dauer stellt ihn das aber nicht zufrieden. Keine Mannschaft zu trainieren, das sei "unerträglich", findet der 53-Jährige. Ein paar Angebote hat er ausgeschlagen, dem Vernehmen nach in Österreich, doch nun, nach 66 Tagen Pause, ist er wieder der Seitenlinien-Köllner, komplett in seinem Element, wenngleich bei einem ungeliebten Konkurrenten seines Vorgänger-Klubs. "Ich bin auf Werkseinstellungen zurückgestellt. Ich bin erholt", versichert er. Ein Bild, das zur Autostadt Ingolstadt passt.

Bei 1860 München sprach Köllner gerne von Löwen oder von Arbeitertugenden. Jetzt werde man mal sehen, sagt der Oberpfälzer, ob er auch schon wieder "geländegängig" sei. Für die Ingolstädter ist er der nächste Versuch, Ruhe und Beständigkeit zu bringen in den Verein, der ständig hektisch die Fahrspur wechselt und inzwischen 14 Trainer in sieben Jahren verpflichtet hat. Angesichts Köllners Vita könnte das ein guter Versuch sein.

Am Montagabend war Köllner ausnahmsweise mal nicht zu sehen. Das wäre im Nachhinein auch komisch gewesen bei jenem Drittliga-Derby, als sein neuer auf seinen alten Verein traf. Am Donnerstagabend dann, als sich Köllner beim FC Ingolstadt vorstellt, erzählt er zwar, dass es ihm Ende Januar wichtig gewesen sei, bei 1860 vertraglich sofort reinen Tisch zu machen. Doch Köllner bei diesem Spiel, das wäre trotzdem schwierig gewesen - erst recht natürlich an der Seitenlinie, auch aus moralischen Gründen. Es ist gut möglich, dass sich seine Verpflichtung wegen dieser besonderen Konstellation sogar etwas verzögert hat. Mit der Beurlaubung von Vorgänger Guerino Capretti hatte sich Ingolstadt ja vergleichsweise lange Zeit gelassen angesichts der steilen Talfahrt von Platz sieben auf Platz 14. "Natürlich waren wir davor auch schon in Kontakt", räumt Ingolstadts Geschäftsführer Dietmar Beiersdorfer ein. Nach dem 3:1-Erfolg der Löwen seien die Gespräche dann länger geworden. Am Ostersonntag tritt Ingolstadt beim Tabellenletzten in Meppen an, womöglich ein guter Zeitpunkt für den Wechsel - den man auch gleich passend mit der Vorstellung des neuen Sportdirektors verbinden konnte.

Der FC Ingolstadt stellt in Ivica Grlic, einem weiteren ehemaligen Sechziger, auch gleich seinen neuen Sportdirektor vor

Ivica Grlic, 47, sitzt neben Köllner auf dem Podium. Noch ein ehemaliger Sechziger und gebürtiger Bayer, der aber zuletzt über eine Dekade als Sportdirektor beim MSV Duisburg tätig war. Es ist offensichtlich, dass sie in Ingolstadt auf Personen setzen, die erstens die dritte Liga gut kennen und zweitens höhere Ambitionen haben. Grlic kommt die Rolle im Hintergrund zu, das formuliert er einmal sogar selbst so. Weder will er über die Talfahrt sprechen, noch über seine ersten Aufgaben. Grlic kündigt an, er werde künftig bei den unterhaltsamen Pressekonferenzen irgendwo hinten stehen und es genießen, wie Köllner alle bei Laune hält.

In der Tat hat Michael Köllner nachweislich ein Talent dafür, Stimmungen zu drehen. Den 1. FC Nürnberg hatte er nach einem verlorenen Derby übernommen, "die Fans waren auf den Barrikaden", erzählt er. Bei Sechzig habe er die "Legende" Daniel Bierofka beerbt, als die Mannschaft auf Rang zwölf stand. In beiden Fällen gelang der Umschwung recht schnell. Er wolle jetzt sein Spielsystem komplett dem Kader anpassen, kündigt er an, "es geht ausschließlich drum, was ist das Beste für die Mannschaft". Ein paar systemunabhängige Spielprinzipien werde er ihr mit auf den Weg geben, mehr nicht.

Köllner befindet sich offenkundig auf dem Fahrersitz - doch gelegentlich muss man schon auch in den Rückspiegel blicken. Kurz, wie beiläufig eingestreut, spricht er über die Vergangenheit. Dass es insgesamt eine sehr schöne Zeit gewesen sei bei 1860 München, dass es gar nicht selbstverständlich sei, dass dort so eine schöne Zeit bald wiederkomme. Und dass es "im Winter die eine oder andere Personalie gab, die nicht in meinem Interesse war". Er selbst wäre gerne geblieben. Doch jetzt blickt er nach vorne, durch eine tolle Scheibe, wie er sagt, und freut sich an dem, was er hat: "Das ist erste Liga", schwärmt er über die Infrastruktur des FC, "à la bonne heure". Wie lange er bleibt? Das Leben lasse sich nicht planen, "Tage, Wochen, Monate oder Jahre", sagt er. Er wird so lange bleiben wie möglich. Für Köllner gibt es in Bayern nämlich nicht mehr sehr viele Vereine, bei denen er noch nicht war.

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