TSV 1860 München:Die Zukunft ist 1,90 Meter groß

Lesezeit: 3 min

1860-Kapitän Jesper Verlaat (rechts) beglückwünscht den Torschützen Tim Kloss. (Foto: Jasmin Walter/Getty Images for DFB)

Dem TSV 1860 droht die Heimniederlage gegen Saarbrücken - doch dann hat der frühere Balljunge Tim Kloss seinen großen Auftritt. Der 19-Jährige bietet dem Verein neue Perspektiven in der Kaderplanung.

Aus dem Stadion von Christoph Leischwitz

Mit einem vollen Grünwalder Stadion hat Tim Kloss bereits Erfahrung gemacht, auch wenn er es bis zum Samstagnachmittag gerade einmal auf elf Drittliga-Spielminuten brachte. Doch der junge Mann des TSV 1860 München war hier schon als Balljunge eingesetzt, womöglich hat das ein wenig dazu beigetragen, in einem hitzigen Spiel nicht nur die Ruhe zu bewahren, sondern die Situation auch noch zu genießen.

"So was pusht einen doch eher, dafür spielt man Fußball", sagte Kloss nach dem 1:1 gegen den 1. FC Saarbrücken. Gerade so, als ob er nicht 19, sondern 29 wäre. Er trainiere ja auch schon seit Längerem mit den Profis, "das Tempo bin ich gewohnt", sagt er gelassen. Immerhin, sein erstes Tor im Profifußball übermannte ihn dann doch ein wenig: "Die Emotionen im Körper sind unfassbar", sagte er nach seinem Tor per Kopf zum 1:1-Endstand (84. Minute) gegen einen Aufstiegskandidaten.

Es ist Ende April, trotzdem ist bei vielen Spielern die Zukunft noch ungewiss, viele Verträge laufen aus, der Verein ist in einer schlechten Verhandlungsposition, weil jeder weiß: Viel Geld ist nicht da. Am Samstag aber gab es für die Fans einen unerwarteten Ausblick zu der Frage, die wie Zukunft aussehen könnte - in Form eines neuen Matchwinners.

Linksverteidiger Leroy Kwadwo sieht schon in der ersten Halbzeit glatt Rot

Denn der 1,90 Meter große Kloss hatte nicht nur ziemlich clever das Tor erzielt, als er sich bei einem Eckball am hinteren Pfosten postiert hatte, weil er wusste, dass die Flanke dorthin kommen würde. Er war zudem bei Rückstand, Schneeregen, rundum erregten Gemütern und in Unterzahl ins Spiel geworfen worden, und das nicht einmal auf seiner angestammten Position, auf der Sechs, sondern als Innenverteidiger. "Es freut mich extrem für Tim", sagte Marlon Frey über den jungen Torschützen: "Er hat sich in den letzten Wochen an die Mannschaft rangekämpft." Und auch, wenn Trainer Argirios Giannikis das so nicht sagen würde, so war Kloss' Einwechslung doch eine Notlösung gewesen. Rechtsverteidiger Kilian Ludewig musste nach einem harten Einstieg schon nach 29 Minuten ausgewechselt werden, Giannikis sprach später von einem starken Verdacht auf Mittelfußbruch. Kapitän und Abwehrchef Jesper Verlaat war früh Gelb-Rot-gefährdet, und kurz vor der Pause sah Linksverteidiger Leroy Kwadwo glatt Rot wegen einer vermeintlichen Notbremse (44.). In dieser Lage kam Kloss zu Beginn der zweiten Halbzeit in die Partie.

Gelinde gesagt war den Sechzigern zu Beginn der Partie anzumerken, dass sie in den verbleibenden Wochen bis zum Saisonende nicht mehr ganz so hohe Ziele haben wie die Gäste aus dem Saarland. "Wir kamen oft einen Schritt zu spät. Über die erste Halbzeit müssen wir uns noch mal unterhalten", fand Mittelfeldspieler Julian Guttau. Die Saarbrücker zeigten sich in entscheidenden Situationen einen Tick aggressiver und wacher, so auch bei der frühen Führung: Innenverteidiger Michael Glück verlor nahe dem Mittelkreis den Ball, beim anschließenden Konter kam der Pass auf Saarbrückens Angreifer Kai Brünker so perfekt in den Rücken des zurückeilenden Tim Rieder, dass dieser ausrutschte. Verlaat tat es Rieder nach, Brünker schob problemlos ein (9.).

SZ PlusExklusivTSV 1860 München
:Die Tüpfelchen auf dem ue

Gesellschafterstreit bei 1860: Der Vertrag von Geschäftsführer Mueller wird öffentlich, eine Satzungsänderung soll Investorenvertreter im Verwaltungsrat verhindern. Und Oppositionskandidat Ruhdorfer gibt eine Unterlassungserklärung ab.

Von Markus Schäflein

Die zunehmende Unzufriedenheit auf den Rängen mit dem Spiel der Hausherren bekam dann auch Schiedsrichterin Fabienne Michel zu spüren, die das Einsteigen gegen Kilian Ludewig einerseits ungeahnt ließ, auf der anderen Seite dann aber gegen Kwadwo nach kurzem Zögern Rot zeigte. Doch unabhängig davon, ob die Entscheidung zu hart war oder nicht: Sechzig brachte sich gegen Saarbrücken mit fahrlässiger Abwehrarbeit selbst in brenzlige Situationen.

Auch Fynn Lakenmacher, der nach Darmstadt wechselt, darf für 20 Minuten ran

"Wir waren nicht so agil in den Zweikämpfen in der ersten Halbzeit", sagte Frey, "aber in der Halbzeit haben wir uns geschworen, dass wir Moral zeigen." Als der Löwe bei der Ehre gepackt wurde, lief es besser. Die improvisierte Abwehr hielt Saarbrückens Angriff vom Tor fern, nach einer kurzen Drangphase der Gäste gleich nach Wiederanpfiff passierte nicht mehr viel. Im Angriff durfte Fynn Lakenmacher noch einmal für 20 Minuten ran, der Angreifer hatte unter der Woche seinen Abschied in Richtung Darmstadt 98 bekanntgegeben. Von den Fans wurde er freundlich begrüßt. "Wir hätten gerne weiter mit ihm zusammengearbeitet", sagte Giannikis. Die Personalie unterstreicht die Personalsorgen, die Sechzig mit Blick auf die kommende Saison noch hat.

Da ist es umso bedeutsamer, dass ein Spieler aus der eigenen Jugend diese Sorgen kurz einmal vergessen lässt. Kloss sei "ein sehr vielversprechender Spieler", lobte auch Giannikis, der 19-Jährige habe auch einen "klasse linken Fuß". Auch Frank Schmöller sagte, dass Kloss ein "taktisch sehr disziplinierter Spieler" sei. Viel zum Einsatz kam Kloss in Schmöllers U21 allerdings gar nicht, denn "er hat sich recht schnell entwickelt", so der 57-Jährige. Jetzt gehe es für Kloss darum, auf dem Teppich zu bleiben und sich in dieselbe Richtung weiterzuentwickeln.

Am Freitag hatte Schmöller seinen Abschied nach fünf Jahren bei 1860 München zum Saisonende bekanntgegeben. Er werde erst mal eine Pause machen - und sehen, was das Leben außerhalb des Fußballs bereithalte. Teure Spieler kann sich der Verein voraussichtlich nicht leisten. So könnten mehrere jener Spieler, die unter anderem Schmöller für den Verein entwickelt hat, ihre Möglichkeiten bei den Profis erhalten.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusTSV 1860 München
:"Das Wort Augenhöhe ist extrem wichtig"

Das oppositionelle "Bündnis Zukunft" erhofft sich eine Zusammenarbeit mit Investor Ismaik, eine schnelle Lösung der Stadionfrage, womöglich in Riem - und 15 Millionen Euro frisches Kapital, um zügig in die zweite Liga zu kommen.

Von Markus Schäflein

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: