Nationalelf:Der DFB kämpft mit hausgemachten Problemen

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Gruß an die Fans: Mit dem 0:0 gegen Frankreich setzte die deutsche Nationalmannschaft ein erstes positives Signal der Wiedergutmachung. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Der Umbruch im DFB-Team soll nicht nur auf, sondern auch neben dem Platz stattfinden - doch dort ist noch einiges zu tun.

Kommentar von Sebastian Fischer

Der Neuanfang auf dem Platz hat solide begonnen, da waren sich alle einig. Joachim Löw hat mit einer auf den Weltmeister Frankreich zugeschnittenen Defensiv-Taktik ein 0:0 im ersten Spiel nach dem WM-Debakel erreicht, der Bundestrainer hat die Anpassungsfähigkeit bewiesen, die sein Job in den kommenden Jahren von ihm verlangen wird. Den deutschen Fußballern wird nun zu Recht wieder zugetraut, die elementaren Voraussetzungen für erfolgreiches Sporttreiben zu beherrschen. Und das Talent von Kylian Mbappé wirkt nicht mehr gar so gruselig wie vorher, Deutschland hat nämlich jetzt einen Mittelfeldchef namens Joshua Kimmich, den so schnell niemand schwindlig dribbelt.

Neben dem Platz soll es allerdings auch einen Neuanfang geben. Deshalb sprach zur großen öffentlichen WM-Analyse vor knapp zwei Wochen ja nicht nur Löw, sondern auch der Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff. Er redete gegen den Vorwurf an, die Nationalelf sei dem normalen Leben in den vergangenen Jahren zunehmend entrückt, er kündigte als Reaktion darauf mehr Fan-Nähe an und keine Ausuferung der Fußball-Kommerzialisierung (auch wenn er in seinen Ausführungen die eher unglückliche Formulierung wählte, die zukünftige Ausrichtung mit den Stakeholdern zu besprechen). Beim Neuanfang neben dem Platz hat der DFB aber noch mit Startschwierigkeiten zu kämpfen.

Länderspiel gegen Peru
:Sinsheim kritisiert den DFB

Vor dem Länderspiel gegen Peru sorgen die Eintrittspreise und die späte Anstoßzeit für Missstimmung. Der DFB weist einen Bericht zurück, dass die Partie wegen möglicher Ultra-Krawalle verlegt wurde.

Rund um das Länderspiel gegen Frankreich waren ein paar Änderungen zu sehen. Zum Beispiel scheint das in den vergangenen Jahren stolz beworbene Nationalmannschafts-Synonym "Die Mannschaft" wirklich abgeschafft zu sein, es war im Stadion vom "Team Deutschland" die Rede. Die Profis nahmen sich Zeit für Selfies mit den Fans, verschenkten ihre Trikots. Doch wenn die Nationalmannschaft an diesem Sonntag in Sinsheim auf Peru trifft, ist um 20.45 Uhr Anstoß. Und die Tickets kosten bis zu 80 Euro. Zu teuer, sagt der Sinsheimer Oberbürgermeister Jörg Albrecht, der behauptet: "Ich habe das Ohr am Volk." Gemessen an Bundesliga-Tickets ist das zwar gar nicht mal unverhältnismäßig. Aber sowohl dem Oberbürgermeister Albrecht als auch Dietmar Hopp würden wohl wenige widersprechen. Letzterer steht als Mehrheitseigner der TSG Hoffenheim zwar nicht im dringenden Verdacht, sein Ohr ständig am gemeinen Fußballvolk zu haben. Aber er hat Recht, wenn er sagt, dass ein Spiel um 20.45 Uhr nicht gerade kinderfreundlich ist. Es ist, wenn überhaupt, freundlich für den TV-Zuschauer - und bringt mehr Geld. Sogar Joachim Löw findet die späte Anstoßzeit schade, weil so kaum Kinder im Stadion zuschauen könnten, wie er am Tag vor dem Spiel zugab.

Fan-Nähe, das ist eine Herausforderung für den DFB. Eine zweite ist die Rassismus-Debatte im Land, die den Verband nach dem Rücktritt von Mesut Özil immer noch nicht ganz losgelassen hat. Es wird immer wieder danach gefragt - auch weil die befragten Protagonisten (unter anderem Manuel Neuer, Thomas Müller, Toni Kroos) einige Möglichkeiten zur deutlichen Verurteilung von Rassismus mit der mäandernden Antwort verstreichen ließen, in der Mannschaft selbst habe es nie Rassismus gegeben (was aber auch niemand behauptet hatte). Neuer lobte zwar auf Nachfrage die Wir-sind-mehr-Konzerte in Chemnitz und sagte richtigerweise, die Nationalmannschaft stehe seit Jahren für gesunde Integration. Aber ein paar scheinbar einfache und klare Sätze, um sich in der Debatte deutlich zu positionieren, wurden nie gesagt. Selbst die in diesen Fragen zurückhaltende Schlagersängerin Helene Fischer, deren Zielgruppe durchaus große Schnittmengen mit der Zielgruppe der Nationalmannschaft aufweisen dürfte, hat unter dem Hashtag #wirsindmehr getwittert.

Apropos Schlager: Vor den Spielen der Nationalmannschaft läuft immer noch das alte Schwarz-und-weiß-Lied von Oliver Pocher. Jenem Komiker also, dessen Auffassung von Humor eine Özil-Imitation mit aufgeklebten Glubschaugen beinhaltet. Ein Verband, der in seiner öffentlichen Darstellung jeden Stein umdrehen will, könnte sich fragen, ob das in diesen Zeiten noch das richtige Zeichen ist.

© SZ vom 09.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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