Bundesliga-Revierderby:Schalke feiert nach dem Spektakel im Überschwang

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Schalke jubelt in Dortmund - und mittendrin steht Trainer Huub Stevens. (Foto: REUTERS)
  • Der FC Schalke 04 gewinnt das 154. Revierderby 4:2 in Dortmund.
  • Die Erleichterung ist groß bei den Schalkern, Küsse gibt es für den Trainer Huub Stevens.
  • Häme müssen die Dortmunder von den Schalker Fans erleben. Das weckt Erinnerungen an 2007.

Von Felix Meininghaus, Dortmund

In der Schlussphase des Revierderbys war im Dortmunder Stadion ein Lied zu hören, das im Repertoire der Fans zu den Klassikern gehört: "Wer wird Deutscher Meister? BVB Borussia, wer wird Deutscher Meister? Borussia BVB." Komisch nur, dass die gastgebende Mannschaft hinten lag und noch komischer obendrein, dass die Gesänge im Norden der größten Fußballarena des Landes angestimmt wurden, wo sich die Anhänger des Gegners aufhalten. Tatsächlich waren es die Schalker, die sich lautstark Gehör verschafften, und tatsächlich hätte die Häme kaum heftiger ausfallen können.

Die 154. Auflage des ewig jungen Klassikers zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04 hatte einen ungewöhnlichen Verlauf genommen. 42 Punkte Differenz betrug der Abstand zwischen Dortmund und Schalke vor dem jüngsten Kräftemessen der beiden Rivalen aus dem Ruhrpott, nie zuvor war der Abstand dermaßen exorbitant gewesen. Schwarz-Gelb und Königsblau hatten sich nicht nur tabellarisch Lichtjahre voneinander entfernt. Und dann das: 4:2 für den krassen Außenseiter aus Gelsenkirchen in einem irren Spektakel, in dem es tolle Tore, den Einsatz des Video-Schiedsrichters und rote Karten gegeben hatte.

Viele fühlen sich an 2007 erinnert

Am Ende fühlten sich viele Beobachter an das Jahr 2007 erinnert, als Schalke zum Nachbarn aufbrach, um deutscher Meister zu werden und nach der Niederlage mit Häme überschüttet wurde. Nun, zwölf Jahre später, lief es genauso - nur mit umgekehrten Vorzeichen: Schalke feierte ausgelassen, während die Spieler des BVB nach einer Niederlage, die tiefe Spuren hinterlassen wird, wie geprügelte Hunde vom Rasen schlichen.

"Mit diesem Spiel kann Schalke seine Saison retten - sie werden alles geben, was sie haben", hatte Dortmunds Abwehrspieler Abdou Diallo vor dem Anpfiff gemutmaßt. Am Ende wird sich der junge Franzose gewundert haben, wie richtig er mit dieser Einschätzung gelegen hat. Wobei sich die Dortmunder fragen lassen müssen, warum sie sich nicht wehrhafter auf diese Partie eingelassen haben. Leidenschaft, Aggressivität, Laufbereitschaft - was die Primäreigenschaften der Sportart Fußball betrifft, war Schalke dem Rivalen aus Dortmund eindeutig überlegen.

Es waren exakt diese Tugenden, die Kapitän Benjamin Stambouli hernach hervorhob: "Mit Leidenschaft und Willen kann man alles erreichen", betonte der Franzose mit Nachdruck. Damit hatte er seinem sportlichen Vorgesetzten auf seiner Seite: "Derbys", weiß Schalkes Trainer Huub Stevens "sind die Spiele, in denen du über dich hinauswachsen kannst." Und weiter: "Wir brauchten die drei Punkte ganz dringend. Und wenn das in Dortmund passiert, dann ist das um so schöner." Nach dem Abpfiff eines wilden Kicks eilte Schalkes Chef Clemens Tönnies auf den Rasen, um den Trainer an sich zu drücken und herzhaft zu küssen. Es war ein Erlebnis, das Stevens nicht unbedingt gebraucht hätte: "Ich konnte mich nicht dagegen wehren."

Stevens' wahrscheinlich letztes Derby

Wobei die Frage erlaubt ist, warum sich der Zweite des vergangenen Jahres erst in eine solch veritable Krise manövrieren musste, bevor er sich zu seinem Kämpferherz durchrang. "Es hat ein paar Wochen gebraucht, bis die Dinge wieder funktionieren", sagte Stevens nach dem für ihn wahrscheinlich letzten Revierderby. Um dann mit einem Stoßseufzer hinzuzufügen: "Ich hätte es lieber früher gehabt."

Spät, so die Erkenntnis nach einer Saison voller Rückschläge, ist nicht zu spät. Der Klassenerhalt ist in Reichweite, doch das soll es nicht gewesen sein. Der Mann, der auf Schalke als Jahrhunderttrainer gewählt wurde und der in wenigen Wochen mit 65 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand gehen will, fordert von seiner Mannschaft, dass sie die in Dortmund an den Tag gelegte Arbeitsmoral nun auch in den verbleibenden Pflichtspielen an den Tag legt. Stevens überlegt, ob er seinem Ensemble trotz des Erfolgs in Dortmund ein paar Tage freigeben soll: "Schließlich haben wir noch zwei Heimspiele, in denen wir unsere Fans nicht enttäuschen wollen."

Der schlachtenerprobte Routinier auf der Bank weiß genau, wie dünn das Eis ist, auf dem sich Schalke 04 unter seiner Führung bewegt: "Dieses eine Spiel macht unsere Saison nicht wieder gut", sagt der Mann, den sie in Gelsenkirchen als "Knurrer von Kerkrade" verehren: "Uns ist Schlimmes passiert, was nicht hätte passieren dürfen."

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