2. Liga:Portugal-Experiment beim TSV 1860

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Zukunft vor Vergangenheit: Lumor (links), Amilton (rechts) und Geschäftsführer Power unterschreiben. (Foto: TSV 1860 Twitter)

Investor Hasan Ismaik krempelt beim Münchner Zweitligisten mal wieder alles um. Unter dem neuen Trainer Vitor Pereira treffen nun täglich neue Spieler ein.

Von Markus Schäflein, München

Am 16. März wird den TSV 1860 München die jüngste Vergangenheit einholen. Dann erscheinen der frühere Sport-Geschäftsführer Thomas Eichin, der frühere Trainer Kosta Runjaic und der frühere Chefscout Peer Jaekel vor dem Arbeitsgericht München, um gegen ihre Kündigungen zu klagen. Sie alle mussten gegen Ende der Hinrunde gehen, maßgeblich auf das Betreiben des jordanischen Investors Hasan Ismaik.

Das Trio war erst im vergangenen Sommer gekommen, um Ismaiks Plan umzusetzen, mit hohen Investitionen in die erste Liga aufzusteigen, mit Spielern wie Ivica Olic und Stefan Aigner. Der Sprung in vordere Regionen der Tabelle gelang aber nicht, aus seinem Groll machte Ismaik bei einer denkwürdigen Pressekonferenz zur Entlassung Runjaic' und Degradierung Eichins keinen Hehl.

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Inzwischen hat Ismaik nun erneut ein neues Sechzig gebaut, das in der Rückrunde erfolgreicher sein und in der kommenden Spielzeit in die erste Liga aufsteigen soll. 1860 startet, tabellarisch mitten im Zweitliga-Abstiegskampf, ein Experiment mit Champions-League-Attitüde.

Geschäftsführer ist derzeit Anthony Power, ein Vertrauter Ismaiks aus seiner Firma Marya Investment. Einen Sportchef gibt es nicht mehr, beraten lässt sich Ismaik unter anderem von dem umstrittenen Fußball-Geschäftsmann Kia Joorabchian, der schon im Sommer - gegen die Bedenken Eichins - zwei brasilianische Spieler zu 1860 brachte, die bislang wegen Verletzungen kaum spielten. Neuer Trainer wurde der Portugiese Vitor Pereira, der zuvor bei Fenerbahce Istanbul arbeitete. Pereira war auch als Trainer bei Inter Mailand im Gespräch gewesen - bei jenem italienischen Klub, bei dem Joorabchian beste Kontakte zu den chinesischen Investoren der Suning-Gruppe pflegt.

Pereira ließ erst einmal einen Sichtschutz am Trainingsplatz anbringen, auch vom Biergarten des Löwenstüberls kann man nun nicht mehr bei den Einheiten zuschauen. Nur noch einmal pro Woche wird öffentlich geübt. Und auch die Mannschaft wird kräftig umgebaut. In Abwesenheit eines Sportchefs ist selbstredend Trainer Pereira für die Auswahl verantwortlich, im Trainingslager war auch Joorabchian zu Gast.

Nachdem Pereira dort mit den bisherigen Spielern arbeitete, kamen nun kurz vor dem Rückrundenstart gegen Fürth täglich neue Gesichter an die Grünwalder Straße. "Wir benötigen in jedem Bereich mehr Qualität, in der Abwehr, im Mittelfeld und um Sturm", sagte Pereira dem kicker. An diesem Freitagabend ( 18.30 Uhr, Liveticker bei SZ.de) wird allerdings keiner der Spätankömmlinge mitwirken, es liegen keine Spielberechtigungen vor, und sie haben noch kaum trainiert.

Zuerst erschien der senegalesische Innenverteidiger Abdoulaye Ba, 26, der beim FC Porto unter Vertrag steht und in den vergangenen sechs Jahren sechs Mal verliehen wurde. Auch zu Sechzig kommt er zunächst auf Leihbasis, es besteht aber eine Kaufoption. Am Donnerstag dann unterschrieben auch zwei Spieler vom portugiesischen Zweitliga-Tabellenführer SC Portimonense. Der brasilianische Außenstürmer Amilton, 27, erhielt einen Vertrag bis 2020. Der ghanaische Linksverteidiger Lumor Agbenyenu, 21, wird - ebenfalls mit Kaufoption - geliehen. "Das sind drei Spieler, die ich sehr gut kenne", sagte Pereira bei der Spieltags-Pressekonferenz, "sie werden uns helfen, eine stärkere Mannschaft zu bauen."

Zudem befand sich Mittelstürmer Christian Gytkjaer vom norwegischen Meister Rosenborg Trondheim bei der medizinischen Untersuchung, und auch der brasilianische Innenverteidiger Luiz Gustavo von Palmeiras Sao Paulo weilte diese Woche noch in München.

All diese Personalien dürften erneut recht kostspielig werden, und die Meinungen, ob es sich hierbei um großzügige Geschenke Ismaiks handelt, gehen klubintern weit auseinander. Denn wie ein Protokoll einer Gesellschafterversammlung der 1860-KGaA zeigte, das unlängst im Handelsregister auftauchte, werden alle Personalien durch Darlehen Ismaiks finanziert. Schon zum 31. Dezember musste der Investor mal wieder Darlehen in Genussscheine umwandeln, um die Eigenkapitalregelung der Deutschen Fußball Liga einzuhalten - diesmal handelt es sich um die Rekordsumme von 8,5 Millionen Euro.

Im Gegenzug will Ismaik nun weitere Anteile an der KGaA erwerben - bislang hält er 60 Prozent. Dies bestätigte Präsident Peter Cassalette, der sich lange ahnungslos gegeben hatte, nun in einem Interview mit München TV. "Wenn Hasan am Wochenende kommt, werden wir sicher Gespräche führen, die in diese Richtung gehen. Er hat ja diesen Wunsch schon einmal geäußert", sagte Cassalette. "Ich weiß aber nicht, in welcher Höhe."

Dabei ist die Höhe sehr bedeutsam. Würde der e. V. unter die 25-Prozent-Marke rutschen, würde er seine Sperrminorität verlieren. Über einen solchen Deal müsste eine Mitgliederversammlung entscheiden - bei einer Veranstaltung der Fan-Organisation Pro 1860 wurde unlängst schon klar, dass es einige Vereinsmitglieder gibt, die zu einer derartigen Gegenleistung für Ismaiks selbstgewünschte risikoreiche Personalpolitik nicht bereit sind. Auf der anderen Seite gibt es Anhänger, etwa im Dachverband Arge, die bereit sind, für das ja durchaus spannende Portugal-Experiment noch mehr Einflussmöglichkeiten des e. V. auf den Profifußball abzugeben.

Wie hoch die Darlehen für die nun im Winter kommenden Akteure sind, lässt sich nur mutmaßen - bis es vielleicht wieder im Handelsregister steht. Alleine für Gytkjaer soll eine Ablöse von über zwei Millionen Euro fällig sein. Pereira sagt zu seiner Mission in Giesing: "Wenn ich nach eineinhalb Jahren sehe, dass es nicht funktioniert, dann kommt eine andere Herausforderung."

© SZ vom 27.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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