Es war kurz vor Silvester, als beim Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München ein weitreichendes Vorhaben schriftlich fixiert wurde. Am 29. Dezember 2016, so spät im Jahr wie noch nie seit dem Einstieg von Hasan Ismaik in Giesing, fanden sich die Gesellschafter der gemeinsamen Fußballfirma - Vertreter des e.V. und des Investors - in der Kanzlei von Notar Thomas Haasen in der Theatinerstraße ein, um eine außerordentliche Hauptversammlung abzuhalten.
Über deren Verlauf fertigte Haasen eine Niederschrift an, die mittlerweile im Handelsregister eingetragen ist. Jasmin Wagner, eine Anwältin aus Ismaiks Kanzlei des Vertrauens, Noerr LLP, übernahm demnach den Vorsitz der Versammlung, bei der außer ihr Vereinspräsident Peter Cassalette und sein Stellvertreter Heinz Schmidt anwesend waren - und leitete sogleich über zum einzigen Tagesordnungspunkt: "Ausgabe von Genussrechten".
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Geplant ist "eine grundsätzliche Neuordnung der Finanzierung und Kapitalausstattung"
Dass beim defizitär wirtschaftenden Zweitligisten am Ende eines jeden Jahres Darlehen von Ismaik in so genanntes Mezzanine-Kapital gewandelt werden müssen, ist längst zur tristen Tradition geworden. Dabei handelt es sich um eine Mischform zwischen Eigenkapital und Fremdkapital, aber wirtschaftlich wird Genusskapital als Eigenkapital angesehen, vor allem aufgrund der Nachrangigkeit und der gewinnabhängigen Verzinsung. Daher kann 1860 gegenüber der Deutschen Fußball-Liga (DFL) dadurch seine Eigenkapitalbilanz aufpolieren und Geldstrafen und Punktabzüge vermeiden.
Diesmal war die Dimension der Umdeklarierung so enorm wie noch nie: Ismaiks Firma "HAM International Limited" wandelte Darlehen in Höhe von 8,5 Millionen Euro. Lediglich das "Darlehen 3" vom 19./20. Mai 2016 über 4 200 000 Euro (siehe Ausriss), das mit sieben Prozent pro Jahr verzinst ist, hat weiter Bestand; das unverzinsliche "Darlehen 7" für die Verpflichtung des brasilianischen Stürmers Ribamar vom 26. Juli 2016 in Höhe von 3,2 Millionen Euro wurde nur zu einem Teil (rund 1,2 Millionen Euro) umgewandelt. Dazu kommt ein "Darlehen 8" vom 31. Juli 2016 für Transfers und Gehälter in Höhe von 3 856 000 Euro, das laut dem Protokoll "noch nicht ausgezahlt" wurde - was der Grund für die Auflage sein dürfte, dass 1860 in diesem Winter alle Transfers detailliert mit der DFL abstimmen muss.
Deutlich abzulesen ist aus dem Dokument, dass seit dem Sommer die Darlehen Ismaiks im Vergleich zur Vergangenheit exorbitant angestiegen sind - was in erster Linie auf die von Ismaik selbst angestoßene und teils mitgestaltete neue Personalpolitik zurückzuführen ist, die zumindest bislang sportlich nichts eingebracht hat.
Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass Ismaik für die nötigen Umwandlungen erstmals erwirkt hat, die Vereinsvertreter schriftlich - und sogar notariell beglaubigt - zu einer enormen Gegenleistung zu verpflichten: Das Protokoll legt das Versprechen nahe, dass beide Gesellschafter in absehbarer Zeit darauf hinwirken, dass Ismaik mehr Anteile an der KGaA erhalten wird, an der ihm bislang 60 Prozent gehören.
"Diese Umwandlung in Mezzanine-Kapital", heißt es in der Schrift, "ist Bestandteil einer grundsätzlichen Neuordnung der Finanzierung und Kapitalausstattung der Gesellschaft, die im Rahmen einer außerordentlichen Hauptversammlung der Gesellschaft sowie einer Mitgliederversammlung des TSV 1860 e.V., die im 1. Quartal 2017 stattzufinden hat, angestoßen und bis zum Ende der Fußballsaison 2016/2017 am 30.6.2017 abgeschlossen sein soll."
Die Mitgliederversammlung, die also spätestens Ende März stattfinden soll, müsste einer solchen Neuordnung der Eigentumsverhältnisse mit einfacher Mehrheit zustimmen. Nach SZ-Informationen ist dabei nicht mehr geplant, dass der e.V seine Anteile an Ismaik abgibt. Vielmehr planen die Gesellschafter, im Zuge einer Kapitalerhöhung neue Anteile auszugeben, die allesamt Ismaik erhalten soll. Nach Lage der Dinge dürfte es allerdings darauf hinauslaufen, dass Ismaik das Kapital nicht in der Zukunft erhöht, sondern Anteile für in der Vergangenheit gewährte Genussrechte einfordert.
Vollkommen offen ist, was der e.V. als Gegenleistung für eine möglicherweise erhebliche Verschlechterung seiner Anteilsverhältnisse erhalten wird. Auf der jüngsten Versammlung der Fan-Organisation Pro1860 wurde über das KGaA-Protokoll schon debattiert, und klar wurde: Ein Versprechen, dass ab dem Sommer fünf weitere neue Brasilianer an der Grünwalder Straße spielen, dürfte vielen nicht ausreichen, um den Plänen zuzustimmen. Wer sich noch daran erinnert, mit wie viel Hartnäckigkeit der damalige Vereinspräsident Dieter Schneider im Jahr 2011 vor der Unterzeichnung des Kooperationsvertrags mit Ismaik um die Rechte des Vereins gerungen hatte, den dürfte ohnehin verwundern, mit welcher Selbstverständlichkeit sich nun die Mitglieder zu Erfüllungsgehilfen des jordanischen Geschäftsmanns machen lassen sollen.
Das wirklich Erstaunliche an Notar Haasens Sitzungsprotokoll sind allerdings die detaillierten Angaben über den jeweiligen Verwendungszweck der Darlehen, die im Einzelnen geflossen sind für die neuen Spieler. Oder eben doch nicht. Beim Hamburger SV musste erst der damalige Manager Peter Knäbel einen Rucksack mit Gehaltszetteln im Hamburger Jenischpark verlieren. Bei 1860 werden diese sensiblen Informationen einfach so im Handelsregister veröffentlicht.