2. Bundesliga:TSV 1860 versucht's mit Demut

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Wie geht es weiter beim TSV 1860? Sertan Yegenoglu, Daniel Adlung und Sascha Mölders freuen sich hier erstmal über den Klassenerhalt. (Foto: dpa)
  • Nach dem Klassenerhalt in der 2. Fußball-Bundesliga befinden sich die Verantwortlichen beim TSV 1860 München in der Warteschleife.
  • Investor Hasan Ismaik müsste selbst im Falle einer sparsamen Planung rund vier Millionen Euro zuschießen.
  • Hier geht es zur Tabelle der 2. Bundesliga.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Pünktlich um 13 Uhr bog Oliver Kreuzer um die Ecke beim Italiener an der Grünwalder Straße, am Handgelenk trug er einen dieser neumodischen Pulsmesser, die nicht nur die Zeit anzeigen, sondern auch die tägliche Bewegung aufzeichnen. Der Balken auf Kreuzers Uhr war um 13 Uhr noch sehr kurz, klar, joggen war er noch nicht gewesen, viel bewegt hatte er sich demnach auch ansonsten noch nicht. Aber wie sollte er auch? "Ich bin erst um zehn nach eins nach Hause gefahren", berichtete er. Kurze Pause. "Ich meine: habe mich fahren lassen."

Nach dem knappen Sieg gegen den SC Paderborn am Nachmittag, mit dem sich der TSV 1860 München das sportliche Recht auf das 13. Jahr in der zweiten Liga gesichert hatte, musste Sechzigs Sportchef am Sonntag noch weiterziehen zum nächsten wichtigen Programmpunkt: Am Abend traf er sich mit den Geschäftsführern Noor Basha und Markus Rejek sowie Teilen des Präsidiums und einer von Investor Hasan Ismaik entsandten Delegation in einem Harlachinger Restaurant. Um die Frage zu klären, was konkret zu tun ist, damit auf das 13. Jahr zweite Liga möglichst bald ein 14. folgt.

Vom Aufstieg redet ja seit den Tagen des unterhaltsamen Trainercholerikers Ricardo Moniz niemand mehr bei Sechzig. "Wir sind gut beraten, ein bisschen demütig zu sein", findet Kreuzer: "Wir haben zwei Jahre lang gegen den Abstieg gespielt und sind gerade so von der Klinge gesprungen. Es wäre schön, einfach mal eine sorgenfreie Saison zu spielen."

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Überwiesen hat Ismaik bislang nichts

Wie sorgenfrei die kommende Spielzeit ablaufen wird, dürfte wiederum maßgeblich von der Höhe des Budgets für den Kader abhängen. Um diese zentrale Frage kreisten auch am Montag die Gespräche zwischen Präsidium und den Vertretern Ismaiks. Sollte sich die Investorenseite nach den Gesprächen nicht noch etwas investitionsfreudiger erweisen, steht Kreuzer die Summe zur Verfügung, die im März im Zuge des Lizenzierungsverfahrens bei der DFL angegeben wurde. "Das sind für uns die Planzahlen", sagt Kreuzer: "Es ist ein anständiges Budget. Damit liegst du irgendwo im Mittelfeld der Liga." Immerhin "gibt es sieben, acht Mannschaften, die haben weniger".

Im Januar, also wenige Wochen nach Ismaiks berüchtigter Pressekonferenz in einer Londoner Hotelsuite, war Sechzigs Geschäftsführung von Ismaik beauftragt worden, Mittel und Wege zu finden, um die Kosten der Fußball-KGaA um mindestens 25 Prozent zu senken. Nach SZ-Informationen gibt es nun einen umsetzungsfähigen Plan, der die Kosten tatsächlich um 24 Prozent reduzieren würde. Das größte Einsparpotenzial ist in diesem Fall der sportliche Bereich - sprich: die Gehälter und Reisekosten der Profifußballer. Und die Verträge der vielen ehemaligen Trainer. Im Juni beispielsweise, 16 Monate nach seiner Beurlaubung, läuft endlich der Kontrakt von Markus von Ahlen aus, der ab Juli eine Anstellung bei Bundesligist Bayer Leverkusen gefunden hat.

Das einkalkulierte Defizit ist mithin deutlich geringer als in den Budgetplanungen der vergangenen Jahre. Doch selbst im Falle der sparsamen Planung müsste Ismaik noch immer rund vier Millionen Euro zuschießen. Die Hoffnung lautet nun selbstredend, dass er sich überreden lässt, doch noch mehr Gelder zu geben, um einen ordentlicheren Sportetat zu ermöglichen. Überwiesen hat Ismaik bislang nämlich wieder mal nichts, traditionell reizt er den Stichtag 24. Mai ja gerne aus.

Schließlich gilt es auch einige Forderungen durchzusetzen, insbesondere in diesem Jahr, in dem Ismaik in Peter Cassalette erstmals seit seinem Einstieg ein ihm bemerkenswert gewogener Präsident zur Seite steht, der schon vor seiner Wahl verkündet hatte, sich aus den Belangen der KGaA vollständig heraushalten zu wollen. Gegenüber Vertretern der Fanorganisation Arge hatte Ismaik in Rudelzhausen einen bunten Strauß an Forderungen formuliert: Entlassung der Geschäftsführung, mindestens von Markus Rejek; Abschied einiger Vertreter aus dem e.V.-Verwaltungsrat, die er namentlich nicht nannte, zu denen aber vor allem die Altgedienten wie Robert von Bennigsen zählen werden, die schon viele Konflikte mit Ismaik miterlebten.

Möglicherweise kommt es bei der nächsten, für 19. Juni angedachten Mitgliederversammlung gar zu einem Misstrauensvotum gegen jene Räte: In der Arge hat der Jordanier seit seinem Besuch im Wirtshaus offenkundig wichtige Unterstützer gefunden, die in den Mitgliederversammlungen bei Abstimmungen eine wichtige Rolle spielen und schon dem früheren Präsidenten Karl-Heinz Wildmoser als Stütze des Machterhalts dienten. Damit ist das Fanlager mal wieder gespalten in die alten Fraktionen. Und offenbar hat Ismaiks einseitige Kontaktpflege zu Präsident Cassalette längst auch einen Keil in die e.V.-Führung getrieben: Wer aus dem Präsidium noch wen aus dem Verwaltungsrat stützt und umgekehrt, ist fraglich.

Nach dem Klassenverbleib, der bei normalen Vereinen Planungssicherheit bedeutet, befinden sich die Verantwortlichen bei Sechzig mal wieder in der Warteschleife. Während Rejek, der Ismaiks Einsparforderungen in der Budgetierung umsetzte, nun darauf wartet, ob er überhaupt weiterarbeiten darf, muss Kreuzer sich mit einer eventuellen Budgeterhöhung noch gedulden. Zwei Personalien stehen fest: Der bislang aus Augsburg geliehene Sascha Mölders bleibt und erhält einen Vertrag für zwei Jahre, sein Sturmkollege Rubin Okotie verlässt die Löwen erwartungsgemäß. "Rubin will erste Liga spielen. Das ist nach wie vor sein Ziel", sagte Kreuzer.

Maximilian Beister wiederum müsste eigentlich zu Mainz 05 zurückkehren. Da der Bundesligist daran kaum interessiert zu sein scheint, gilt ein Wechsel zum KSC als wahrscheinliches Szenario. Ob Leihspieler Levent Aycicek bei Sechzig bleiben wird, sei abhängig davon, "was mit Bremen passiert", sagt Kreuzer. "Wenn sie absteigen, glaube ich kaum, dass sie ihn nochmals an uns abgeben."

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Franco Foda sei "ein interessanter Name", sagt Kreuzer

Die wichtigste Wahl, die Kreuzer nach finaler Fixierung des Budgets treffen muss, betrifft allerdings die eines Nachfolgers von Interims-Trainer Daniel Bierofka. "Solange die Trainerfrage noch aussteht, kann ich nicht sagen, ob es einen großen oder kleinen Umbruch gibt", sagte Kreuzer. Er habe eine Liste mit Kandidaten, die sei "sooooooo lang", dabei riss er seine Arme auseinander, als wäre er ein Albatross im Sinkflug: "Effe (Stefan Effenberg, d. Red.) steht trotzdem nicht drauf."

Dafür aber der Name von Franco Foda, dem gegenwärtigen Trainer von Sturm Graz. "Das ist ein interessanter Name, nicht nur weil ich ihn kenne", räumte Kreuzer ein und erzählte: "Wir hatten in Graz drei erfolgreiche Jahre zusammen, sind Meister und Pokalsieger geworden und haben Europa League gespielt." Foda besitzt bei Sturm noch einen Vertrag bis 2017, das könnte die größte Hürde sein. "Wir sind nicht in der Position wie Schalke oder Leipzig", sagte er in Bezug auf den fehlenden Spielraum bei Ablösesummen.

Ob sich der noch erhöhen könnte, weiß Kreuzer auch nach Rücksprache mit der Investorenseite nicht: "Er hat da nicht konkret drauf geantwortet, und gestern war nicht der Kreis, um darüber zu sprechen." Immerhin: "Hasan hat gesagt, dass er den Fortbestand dieses Vereins weiter garantiert", erinnerte Kreuzer. "Davon müssen wir ausgehen, ist doch klar."

© SZ vom 10.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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