2:2 zweier Europacup-Aspiranten:Spektakel kann frustrierend sein

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Rumms und rein: Jonathan Tah (Mitte, rot-schwarzes Trikot) trifft spät per Kopf zum 2:2 gegen Union. (Foto: Maik Hölter/Team 2/imago)

Bei ihrem lebhaften Remis führen Leverkusen und Union vor, warum das Rennen um die internationalen Plätze in dieser Saison so unterhaltsam wie lange nicht mehr werden könnte.

Von Milan Pavlovic, Leverkusen

Am Ende mutete das Treiben im eisigen Dauerregen wie Kirmesboxen an, oder wie eine Neuauflage des unsterblichen Duells zwischen Clubber Lang und Rocky Balboa: Abwehrarbeit fand nicht mehr statt, alles schaute und sprintete nach vorne, ein Haken jagte den nächsten. Im Clinch der Europacup-Anwärter Bayer 04 und Union Berlin stand es 2:2, aber beide Seiten wollten mehr und versuchten mit höchstem Aufwand, den entscheidenden Wirkungstreffer zu setzen. Wobei die Leverkusener vermehrt in den Seilen hingen, während sich Union plötzlich durch schnelle und gezielte Kombinationen mehrere Großchancen herausspielte - die Betonung liegt auf spielte, weil den Köpenickern der Ruf einer humorlosen Mörteltruppe vorauseilt.

Das Spiel um Platz vier der Tabelle endete damit, dass nun keiner der beiden Klubs auf einem Champions-League-Rang steht; aber es machte klar, warum das Rennen um die internationalen Plätze in dieser Saison so unterhaltsam wie lange nicht mehr werden könnte: Die Aspiranten bieten sehr unterschiedliche taktische Konzepte an, die sich meistens prima ergänzen - außer vielleicht dann, wenn Defensivkoryphäen wie Freiburg und Union aufeinandertreffen. Aber sobald Klubs wie Leverkusen und Frankfurt, Hoffenheim, Leipzig und Gladbach auf dem Platz stehen, herrscht Kirmesgarantie.

Leverkusen, das zum vierten Mal hintereinander nicht gegen einen direkten Tabellennachbarn gewinnen konnte, hat in dieser Saison noch kein langweiliges Spiel geboten. Das ist eine zweischneidige Sache. Spektakelfußball ist schön und gut für den Ruf, aber auf Dauer kann man sich unter dem Bayer-Kreuz davon nichts kaufen. "Wenn wir unser Ziel erreichen wollen, müssen wir eine gewisse Konstanz erreichen", analysierte Trainer Gerardo Seoane. Dann müsste man vielleicht auch nicht immer so viel investieren, um Punkte zu holen oder 2:0-Vorsprünge (wie zuletzt gegen Köln, Frankfurt und Hoffenheim) zu verteidigen. Manche Spieler müssten dann auch nicht immer vorpreschen in der Sorge, dass etwas schieflaufen könnte - und damit genau jene unglücklichen Aktionen begehen, die im Übereifer geschehen.

Tah hat im Übereifer zweimal Pech, erzwingt dann aber den späten Ausgleich

Damit wäre man schon bei einem der prägenden Spieler vom Samstag: Jonathan Tah war an drei Toren beteiligt, zweimal allerdings vor dem eigenen Tor (44. bzw. 49. Minute), als er Bälle nicht aus der Gefahrenzone beförderte, sondern direkt auf den Fuß eines Gegners servierte - kurz darauf freute sich jeweils der Berliner Grischa Prömel, der seinen "ersten Doppelpack in meinem Leben" als "kleines Wunder" bezeichnete. Es waren beides keine Tah-Fehler im strengeren Sinn, aber doch ein Sinnbild für die defensiv verlässlich schludrigen Leverkusener im Ganzen und den Verteidiger im Speziellen. Tah wird wegen seiner etwas tapsig anmutenden Art oft gering geschätzt, weil er immer für einen Lapsus gut ist und damit seine meisten guten Szenen und präzisen Spieleröffnungen vergessen lässt.

Gegen Union belohnte sich Tah am Ende selbst, indem er in der 84. Minute nach einem abgewehrten Standard einfach am gegnerischen Fünfmeterraum stehen blieb und einen Kopfball am herausragenden Berliner Keeper Andreas Luthe vorbei ins Netz wuchtete. "Ich finde, wir haben uns zu lange mit den einfachen Gegentoren aufgehalten", sagte Tah, aber er lobte die Art, wie sein Team bis zuletzt mit voller Intensität dabei war. "Das war ein Schritt in die richtige Richtung." Etwas strenger bilanzierte Torwart Lukas Hradecky: Man habe am Ende "schrecklich" verteidigt, die Berliner "waren ja am Ende gefährlicher als wir".

Es sagt einiges über die gestiegenen Ansprüche bei Union, dass man sich weniger über den Punktgewinn am Rhein freute, sondern eher grummelte. "Wir müssen den Sack zumachen und kriegen dann wieder so ein dummes Gegentor", moserte der eine Halbzeit lang fast unsichtbare, dann aber starke Max Kruse: "Das ist nervig." Der "wegen Müdigkeit" ausgewechselte Prömel klagte: "Wenn man in der Schlussphase ein Gegentor bekommt, ärgert man sich da schon drüber." Er war aber selbstkritisch genug, um die Leistung der Gäste in der ersten Spielhälfte richtig einzuschätzen: "Da haben wir kaum stattgefunden, hatten keine Lösung mit Ball."

Serientorschütze Patrik Schick trifft zum 17. Mal und sagt: "Ich liebe es, in Deutschland zu leben."

Trainer Urs Fischer änderte die Statik des Spiels zur zweiten Halbzeit. Er wusste, wem er dafür danken musste, dass seine beiden offensiven Wechsel fruchten konnten: "Andreas hat uns im Spiel gehalten", lobte der Schweizer Coach seinen Keeper Luthe, der ein halbes Dutzend Glanzparaden zeigte.

Außer Tahs Kopfball musste er nur ein Tor des weiterhin unwiderstehlichen Bayer-Stürmers Patrik Schick zulassen, der aus spitzem Winkel zum vorübergehenden 1:0 traf (38.) - ein Kunststück, wie es eben gelingt, wenn man einen Lauf hat. Der Tscheche legte dann am Tag danach mit einem Interview in der Bild am Sonntag vor den nächsten harten Aufgaben (Gladbach, Dortmund) nach: "Natürlich ist es schön zu lesen, wenn man mit den großen Klubs in Verbindung gebracht wird. Aber ich liebe es, in Deutschland zu leben", und es sei derzeit "überhaupt kein Thema, an einen anderen Verein zu denken". Seine Vertragssituation - bis 2025 ohne Ausstiegsklausel - "kennt jeder. Und ich würde niemals einem Klub Probleme bereiten, um einen Wechsel durchzudrücken", ergänzte der 25-Jährige. Es muss eben nicht immer ein Tor sein, um den Vereinsverantwortlichen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.

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