2:2 in Leverkusen:Böse Ahnung

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Mainz jubelt, Bayer am Boden: Kevin Stöger (M.) gelingt das späte 2:2. (Foto: Team 2/imago)

Mit zwei späten Gegentoren verspielt Bayer Leverkusen den sicher geglaubten Sieg gegen Mainz, das im Abstiegskampf nun wieder Hoffnung schöpft. Dem Mainzer Trainer Svensson gelingt ein goldener Griff.

Von Philipp Selldorf, Leverkusen

2:0 lag Bayer Leverkusen vorn, Minute Nummer 88 war angebrochen, aber Peter Bosz bekam wieder einen Wutanfall. Linksverteidiger Wendell hatte einen Ballgewinn im Handumdrehen und ohne Zauberei in einen Ballverlust verwandelt, und sein Coach hatte eine klare Vorstellung von dem, was da noch kommen könnte. "Wenn man so spielt, dann kann man das erwarten", sagte er später im Ton eines leidgeprüften Mannes.

Die böse Ahnung hat den niederländischen Trainer nicht getrogen. Aus Wendells Fahrlässigkeit entwickelte sich ein Mainzer Angriff mit Folgen. Der eingewechselte Robert Glatzel schoss das Anschlusstor und brachte damit wieder Bewegung in die vermeintlich stillgelegte Partie. Vier Minuten später lagen sich die Mainzer prompt jubelnd in den Armen, Kevin Stögers Ausgleichstreffer mobilisierte die gesamte Belegschaft. Spieler, Reservisten, Betreuer warfen sich auf den Schützen, selbst Torwart Robin Zentner eilte aus seiner Ecke herbei, um die Freude mit den Kameraden zu feiern.

Der Abstiegskandidat beherrscht den Champions-League-Anwärter

Dieses 2:2 des Tabellenvorletzten Mainz 05 beim Spitzenteam Bayer Leverkusen mag durch seine späte Wendung glücklich zustande gekommen sein, aber kein Augenzeuge würde behaupten, dass es ein lediglich glücklicher Punktgewinn war. Der Abstiegskandidat hatte den Champions-League-Anwärter während der zweiten Halbzeit in allen Belangen beherrscht und genügend Chancen erwirtschaftet, um schon viel früher zum Ausgleich zu kommen. Die späte Ernte war eine hochverdiente Rendite. Der Mainzer Trainer Bo Svensson verzichtete jedoch auf Heldenerzählungen und blieb bei den Tatsachen. Er sprach von "zwei sehr verschiedenen Halbzeiten": Die erste sei an die Hausherren gegangen, die zweite "ganz klar" an seine Mannschaft. Peter Bosz wiederum war zu betroffen, um objektiv zu sein. Er hatte nur den Blick für die eigene Elf, und die hatte nach seiner Meinung in beiden Halbzeiten gleich gespielt - "gleich schlecht: schlecht im Ballbesitz, schlecht im Positionsspiel, schlecht in der Verteidigung".

Das schlechte Gewissen war den Leverkusener Spielern nach dem Schlusspfiff anzusehen. Sie eilten vom Feld, als wollten sie ihrer eigenen Schande entfliehen, die Mainzer hingegen feierten ebenso überschwänglich wie ausgiebig ihr Comeback ins Spiel und in den Abstiegskampf. Ihr vor ein paar Wochen noch unwahrscheinlich erscheinendes Erstarken bildet sich allmählich auch in der Tabelle ab: Vorerst haben sich die 05er auf drei Punkte dem Relegationsplatz angenähert. Die dort platzierten Bielefelder haben allerdings zwei Spiele weniger.

Dabei hatte Svensson nach 82 Minuten die Partie mehr oder weniger aufgegeben. Mitten hinein in die ständigen Angriffe seines Teams kam Patrick Schick mit dem 2:0 geplatzt. Der einzige gelungene Angriff der Leverkusener schien das Spiel entschieden zu haben. "Wenn du so viele Chancen nicht reinmachst und kriegst dann das 0:2", dann sei eine Rückkehr in die Ertragszone nicht mehr wahrscheinlich, erläuterte Svensson später, aber der Chef hatte die Rechnung ohne sein Team gemacht: "Der Trainer hat vielleicht gezweifelt, aber die Jungs haben weitergemacht."

Schon im ersten Durchgang präsentierten sich die Mainzer als äußerst unbequemer Gegner. Sie machten die Spielräume eng und verstrickten den Gegner unentwegt in Zweikämpfe, Bayer kam dadurch nicht ins gewohnte Passspiel. Auch das relativ frühe 1:0 durch Lucas Alario (11. Minute) verschaffte keinen Platzgewinn. Zur Pause musste Bosz den Torhüter tauschen. Lukas Hradecky hatte Probleme an der Ferse, Niklas Lomb ersetzte ihn. Er sah sich sofort von einem wesentlich angriffslustigeren Gegner konfrontiert.

Svensson wechselt beide Torschützen ein

Mainz schob die Außenverteidiger nach vorn und verlagerte die Verteidigung in die Angriffshälfte, eigentlich eine Einladung an die konterstarken Leverkusener. "Normalerweise ist das super für uns", sagte Bosz. Diesmal aber wusste Bayer nach der Balleroberung mit seinen schnellen Flügeln nichts anzufangen: Im Zentrum konnten Arranguiz, Demirbay und Wirtz den Ball nicht sichern, und die Deckungsspieler lieferten keine Aufbauhilfe, sondern machten in zunehmender Frequenz von Befreiungsschlägen Gebrauch, die allesamt bei den 05ern landeten.

Beim Stand von 0:1, die Zeit wurde schon knapp, nahm Svensson den cleveren Österreicher Stöger und den jüngst von Cardiff City verpflichteten Mittelstürmer Glatzel herein, einst Zweitligaspieler in Heidenheim. Der Trainer tat damit einen goldenen Griff, er wechselte zwei Torschützen ein. "Ja", sagte er später, nachdem er dazu befragt worden war, "das war genauso geplant." Das war zwar nur ein Scherz, die richtige Idee hatte der Trainer aber trotzdem gehabt. Seine Spieler werden das sicherlich registrieren.

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