1899 Hoffenheim verpflichtet 13-Jährigen:Wenn Kinder zu Anlage-Objekten degradiert werden

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1899 Hoffenheim lotst den Teenager Nico Franke von Tennis Borussia Berlin in den Kraichgau und bringt die Debatte um frühzeitige Verpflichtungen junger Talente wieder in Fahrt. Die Forderung nach einem Abwerbeverbot für Jugendliche unter 16 Jahren ist gut und richtig - aber leider realitätsfremd.

Boris Herrmann

Am Wochenende ist Nico Franke mit dem Zug von Berlin in jene Richtung gefahren, in der einmal seine große Zukunft liegen soll. In Richtung Sinsheim. Seine Eltern haben ihn zum Bahnhof gebracht, denn Nico ist erst 13 Jahre alt. Von nun an lebt der Junge, der noch nie länger als eine Woche von zu Hause weg war, bei einer Gastfamilie im Kraichgau. Und er wirkt bei 1899 Hoffenheim. Der Bundesligist hat Franke gerade dem Verbandsligisten Tennis Borussia abgekauft, als Verstärkung für sein Nachwuchsleistungszentrum - und als Humankapital.

Versteht die Aufregung nicht: Hoffenheims Manager Ernst Tanner. (Foto: dpa)

Verein und Spieler geben sich vorfreudig, aber die Branche ist wieder einmal in heller Aufregung. Nicht nur Andreas Rettig, der Vorsitzende der "Kommission Leistungszentren" beim Ligaverband (DFL), hält es für "keine gute Entwicklung, wenn 13-Jährige quer durch die Republik transferiert werden". Wenn mithin Kinder aus ihrem familiären und schulischen Gefüge gerissen und zu Anlage-Objekten degradiert werden.

Hoffenheim taucht in diesem Kontext auffällig häufig auf, ist aber beileibe kein Einzelfall. Nahezu alle deutschen Profiklubs sind sich einig: Die Jagd auf frühreife Talente wird härter, ist aber notwendig. Nicht einig sind sie sich in der Frage, ob man das ändern müsse. Und falls ja: wie?

Die Pläne des Ligaverbandes laufen zurzeit auf ein generelles Abwerbeverbot für Jugendspieler unter 16 Jahren hinaus, verbunden mit einer Altersuntergrenze für den Erstkontakt mit Spielerberatern. Diese Ideen sind aber nicht nur gut und richtig, sie sind leider auch ein bisschen realitätsfremd.

Erstens lässt sich solch eine Regel juristisch nicht oktroyieren. Sie wäre lediglich als Gentlemen-Agreement aller Profiklubs umsetzbar. Zweitens bemüht sich die DFL in dieser Sache seit über einem Jahr erfolglos. Drittens hat es ein solches Agreement schon einmal gegeben, bis es 2007 von einigen Klubs (darunter dem FC Bayern) aufgekündigt wurde.

Das schlagende Argument war damals, dass der moderne Fußball ein globales Phänomen sei - und dass sich die Topklubs aus England und Spanien die Hände reiben würden, wenn sich die Deutschen in ihrem Abwerbeeifer selbst beschränkten. Angesichts der Tatsache, dass Manchester United gerade einen Fünfjährigen verpflichtet hat, ist dieses Argument einleuchtender denn je.

Es wäre vielleicht keine gute Idee, künftig alle Jugendplätze sichtschützend einzuzäunen. Dafür wäre sie immerhin halbwegs realistisch.

© SZ vom 10.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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