1860 München gewinnt in Ingolstadt:"Der Abend ist wie eine Erlösung"

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Sportlich ist der Derby-Sieg in Ingolstadt für 1860 München eine kleine Befreiung: Endlich können die Löwen eine Führung verteidigen, ein seltenes Glücksgefühl erlebt vor allem Torschütze Rakic. Die unerwartete Abwesenheit von Geschäftsführer Robert Schäfer sorgt jedoch für mächtig Verwirrung.

Gerald Kleffmann, Ingolstadt

Minuten nach dem Abpfiff teilte sich die Mixed Zone im Audi Sportpark in zwei Welten. Auf der einen Seite verschwanden die Spieler des FC Ingolstadt mit trüben Mienen in ihre Kabine, auf der anderen Seite feixten die Profis des TSV 1860 München wie Kinder herum.

"Man of the Match": Djordje Rakic erzielte das Siegtor für 1860 München. Ausgerechnet der Serbe, der in dieser Saison bislang  nur selten von Trainer Maurer berücksichtigt wurde. (Foto: dapd)

Djordje Rakic, der mit einer feinen Einzelleistung das Siegtor der Gäste erzielt hatte (20. Minute), stellte seinen tollen Körper zur Schau und gab oben ohne Interviews, während er von hinten von Kameraden liebkost wurde. "Man of the Match", rief Löwen-Verteidiger Necat Aygün, der nach einer überstandenen Knieverletzung selbst überzeugt hatte, und grinste frech.

Der siebte Saisonsieg der Sechziger am Freitagabend kommt zur rechten Zeit. Nach dem vereinspolitischen Theater um den neuen Investor "tut es gut, dass mal wieder das Sportliche im Vordergrund steht", urteilte Vereinspräsident Dieter Schneider. Allerdings hatte er nicht ganz recht mit diesem Satz, denn Geschäftsführer Robert Schäfer fehlte, kein Witz, wegen Urlaubs und sorgte so für die nächste Posse beim TSV 1860. Ingolstadts neuer Trainer Tomas Oral verpatzte dagegen sein Debüt beim Tabellenletzten.

1860-Trainer Reiner Maurer wählte eine offensive Ausrichtung, mit Benjamin Lauth, Kevin Volland und Rakic in der Spitze, wobei Rakic zurückgezogen auf links agierte (und oft hinten aushalf). Das Spektakulärste am Anfang war allerdings ein Chor aus der Löwen-Fanecke, der "Schäfer raus!" intonierte. Adressat war der derzeitige Geschäftsführer, der, wie Schneider schmallippig berichtete, "kurzfristig" intern Bescheid gegeben habe, dass er mal eben weg sei.

Mitten in der Krise, nach zwei Wochen Ligapause und nachdem er vom Aufsichtsratschef Otto Steiner wegen seiner mangelhaften internen Informationspolitik gerügt worden war, tauchte er ab. Wohin? "Ich weiß es nicht", sagte Schneider und fragte die 1860-Pressesprecherin. Lil Zercher sagte nur: "Er ist weggeflogen." Angeblich in die USA, was die Sache noch bizarrer erscheinen lassen würde. "Ich denke, so eine Reise bucht man nicht über Nacht", meinte Schneider, der, gefragt, wie er zu Schäfer stehe, antwortete: "Ich möchte dazu keinen Kommentar abgeben."

Schäfer gilt längst als Anhänger des Investors Hasan Ismaik und dessen Münchner Statthalters Hamada Iraki und damit als Gegner der Vereinsfraktion um Schneider; beide Seiten haben noch nicht zueinander gefunden. So wie man Schäfer kennt, wird er aber sicher eine plausible Erklärung nachliefern.

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Sportlich atmen die Löwen vorerst auf, sie dürfen sich daran erbauen, dass es ihnen mal gelang, eine Führung zu verteidigen. Rakics Treffer war wirklich gut, Rechtsverteidiger Antonio Rukavina chippte den Ball zur Strafraumgrenze zu seinem serbischen Landsmann, Rakic machte einen Haken, düpierte David Pisot und traf. Beim Jubeln lief er schnurstracks zum Kollegen Sandro Kaiser auf der Bank, die menschelnde Geschichte des Abends schrieben die beiden.

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Kaiser hatte vor dem Spiel passen müssen, Rakic wiederum hatte Rückenschmerzen. Er wurde fitgespritzt, lief auf, schoss sein erstes Saisontor und frohlockte: "Der Abend ist wie eine Erlösung." Rakic neigt gerne zum Pathetischen. Er hat offenbar nicht verwunden, dass ihn Trainer Maurer in dieser Saison häufig nicht berücksichtigt hat.

Bei den Löwen lauern eben überall belastende Vorgeschichten, wenigstens dieses 15. Saisonspiel dürfen sie in halbwegs guter Erinnerung behalten. "Die Defensive war stabil", lobte Maurer, der jedoch lange zitterte, weil 1860 gute Chancen etwa durch Benjamin Lauth (33. Minute) ausließ. Insgesamt war es oft ein unstrukturiertes Gekicke.

Ingolstadt wirkte beim Abschluss hektisch, und den Löwen fehlte ein Organisator, der ein Spiel mal beschleunigen, mal beruhigen kann; immerhin weiß der Klub um dieses Defizit, derzeit bemüht sich Sportchef Florian Hinterberger um David Jarolim, der beim Erstligisten Hamburger SV keine Zukunft mehr hat.

Die Nervosität, bedingt durch die Tabellensituation und fehlende Erfolgserlebnisse, setzte sich bei beiden Teams bis zum Ende fort. Den Mannschaften fiel es schwer, den Ball über drei, vier Stationen in den eigenen Reihen zu halten, was die Trainer zur Weißglut brachte. In den Schlussminuten hätten noch drei, vier Tore fallen können, Kevin Volland und Stefan Aigner vergaben Chancen für Sechzig, der eingewechselte Edson Buddle und Marvin Matip für den FCI.

"Jetzt haben wir hoffentlich eine gute Woche bis zum Frankfurt-Spiel", sagte Rakic, am Samstag nächster Woche ist die Eintracht Gast in der Arena (13 Uhr). Am Montag oder Dienstag (so genau wusste das keiner bei 1860) kommt Geschäftsführer Schäfer zurück zur Arbeit. Dann gibt es sicher neue Schlagzeilen. Wenn auch anderer Natur.

© SZ vom 19.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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