1860 München:"Eine Höllenarbeit"

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Der Nächste, bitte: Beim TSV 1860 München gibt es schon wieder ein neues Gesicht, die Probleme sind die selben. Auf den neuen Geschäftsführer Robert Schäfer wartet viel Arbeit.

Gerald Kleffmann

Am Anfang ergriff Franz Maget das Wort, er begann einen Vortrag, den der Obstverkäufer Didi an der Münchner U-Bahn-Haltestelle Universität nicht an Leidenschaft überbieten könnte, und Didi kann weiß Gott reden. "Gratulation noch mal an die Mannschaft für die Serie, das macht Mut", sprach er, um wenig später den Verein zu loben. "In früheren Zeiten wäre bei Sechzig das Chaos ausgebrochen", meinte Maget, "das neue 1860 ist geschlossen und handlungsfähig." Und: "Das ist das Neue an 1860, dass solche Sachen funktionieren."

Die Löwen in finanziell sicheres Fahrwasser bringen - das ist die Aufgabe des neuen Geschäftsführers Robert Schäfer. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Als Zyniker hätte man einwerfen können, logisch, 1860 hat ja Erfahrung darin, ständig den Geschäftsführerposten neu besetzen zu müssen, aber Maget ging gleich über zum Anlass des Treffens in der Vereinsgeschäftsstelle und lobte ihn, den Neuen, jenen 34-Jährigen aus Braunschweig, der es diesmal richten soll. "Ich schätze seine Zuverlässigkeit und Verbindlichkeit, neben seinem fachlichen Können natürlich", sagte Maget. Er schaute zufrieden.

Wo nur wären die Löwen, wenn sie ihren Maget nicht hätten, diesen redegewandten Vizepräsidenten, der durch seine Aufgaben in der bayerischen SPD bestens gestählt ist, Rückschläge so umzudeuten, das nur Positives herauskommt? Mit seinen Fähigkeiten ist er gut aufgehoben bei 1860 München, am Montag lautete sein Auftrag, die nächste Umbesetzung in der 1860-Führung zu erklären.

Dass Robert Niemann, jener mühsam gesuchte und bei der DFL gefundene Geschäftsführer nach 106 Tagen hinwarf, überfordert von der Aufgabe, den finanziell angeknockten Klub auf Kurs zu bringen? Für Maget war dieses Thema keinen Kommentar wert, am Ende wirkte es, als könnten sie gut damit leben, dass wieder ein personeller Selbstreinigungsprozess bei 1860 stattgefunden hat.

Investor gesucht

Robert Schäfer heißt der neue Geschäftsführer, seit 2008 ist der Jurist Projektleiter 1860 bei IMG; der Sportvermarkter hat vor Jahren dem Fußball-Zweitligisten die Vermarktungsrechte abgekauft und verfügt in der 1860-Geschäftsstelle über Büroräume. "Er braucht sich nicht wochenlang einzuarbeiten", hob Maget hervor, ehe tatsächlich Schäfer sich und seine Ziele vorstellen durfte.

Er tat es auf sympathische Art, er scheint kein Aufschneider zu sein, der wie oft, wenn sich ein neuer Geschäftsführer bei 1860 präsentiert, erst mal allen erklärt, was alles falsch lief. Viel Handlungsspielraum dürfte Schäfer ohnehin zunächst nicht haben, die Löwen sind durch die Mietbedingungen in der Arena, die Belastungen bei den Banken und dem Vertrauensverlust bei wichtigen Partnern wie dem Stadion-Vermieter FC Bayern nur bedingt beweglich. Wenig überraschend beschränkte sich Schäfer darauf, das Erwartbare zu sagen.

Die Einnahmen müssten steigen, die Ausgaben sinken, er präferierte wie Vorgänger Niemann einen Verbleib des Klubs in der Arena (wobei Maget betonte, man möge nochmals die Option Olympiastadion genau prüfen), und mit dem FC Bayern, beim dem sich Schäfer schon vorgestellt habe, werde er wohl bald an den Verhandlungstisch zusammenkommen, wann und wo wollte er nicht sagen, man verrate keine Verhandlungstaktik, sprach er.

Zaubern also kann auch Schäfer nicht, dem man aufgrund seines Alters eine fehlende Berufserfahrung in Führungspositionen nicht vorwerfen kann. Dass man ihn nicht alleine lassen darf mit der großen neuen Verantwortung, das hat das Präsidium kapiert, aus dem sich Dieter Schneider regelmäßig mit Schäfer austauschen wird. Auch wenn sie es bei 1860 nicht gerne hören und der Betroffene immer wieder betont, er wolle nur im Hintergrund dem Verein ein bisschen helfen: Schneider ist der neue starke Mann.

Der 63-Jährige, ein Selfmade-Unternehmer aus Markt Indersdorf, 1860-Sponsor und jüngst als Vize ins Präsidium eingerückt, ergänzte bezeichnenderweise oft Erklärungen Schäfers, machte sich Notizen und stand später bei einem Zigarettchen Journalisten abermals Rede und Antwort, wobei er bemüht war, seine Rolle herunterzuspielen. Ende Oktober, als der TSV an der Insolvenz vorbeigeschrammt war, war es Schneider zu verdanken gewesen, dass 1860 vorerst im Geschäft bleibt. Er verhandelte mit Banken, streckte 1860 eigenes Geld vor und bewegte Funktionärskollegen, auch mit privatem Geld auszuhelfen. "Sie sind unsere Hoffnung", sagte ein Fan, der Schneider vor der Geschäftsstelle am Dienstag erblickt hatte.

Das neue Modell, hier Schäfer, dort Schneider, muss kein schlechtes sein, Schäfer steht für Dynamik, während Schneider sich als Sanierer zigfach bewährt hat. Zuletzt hat er ein marodes Autohaus aufgekauft, das auf dem Weg ist, zu funktionieren. Allerdings weiß auch Schneider: 1860 ist kein Autohaus. Die Sanierung des TSV dürfte kniffliger werden. Umso wichtiger ist es, dass mit ihm offenbar jemand bei 1860 mitwirkt, der genauer in die Bücher schaut.

Wie Schneider verriet, habe er eine erstaunliche Zahl entdeckt. Der Mannschaftsetat ist 3,5 Millionen höher als der von 2007. Wie Miroslav Stevic, der als Sportchef diesen Posten verantwortet, das begründen kann, wird intern zu klären sein. Ende Januar muss Schäfer als Geschäftsführer neue Unterlagen bei der DFL einreichen, die nun regelmäßig den Löwen beim Wirtschaften auf die Finger schaut. Wird 1860 überleben? "Wir brauchen dringend einen Investor", sagt ein Aufsichtsrat, was heißt: Sonst wird's wieder knapp. Immerhin, es gebe erste Gespräche, wobei der Verein erst klären müsse, "welche Modelle es für den Einstieg gibt", so der Kontrolleur.

Als Fazit des Dienstag steht fest: Bei 1860 gibt es wieder ein neues Gesicht, die Probleme sind die selben. "Vor ihm liegt eine Höllenarbeit", brachte es Maget auf den Punkt. Sein Lächeln sollte bedeuten: Schäfer wird es schaffen.

© SZ vom 16.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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