1860 München:Der blaue Zirkus ist wieder in der Stadt

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Sascha Moelders bejubelt sein Tor zum 3:0. (Foto: imago/Jan Huebner)
  • Der TSV 1860 München hat sein erstes Heimspiel nach dem Aufstieg in die dritte Liga gewonnen.
  • Beim 5:1 gegen die Sportfreunde Lotte sind wieder einmal die Standardsituationen ein bewährtes Mittel zum Sieg für das Team von Trainer Bierofka.

Von Philipp Schneider

Etwa 50 Leute aus Lotte hatten sich am Samstag angekündigt, um das Grünwalder Stadion in der dritten Liga zu begrüßen. Es kamen 52 Leute aus Lotte. Sie verteilten sich auf der zwar sehr kleinen, aber aus Sicht der 52 Lotter noch immer viel zu großen Tribüne unterhalb der Wirtschaft im Grünwalder Stadion so gut, als wären sie nur 23. Wer die Lotter erspähen wollte, musste ganz genau hinsehen. Wie auf einem dieser Suchbilder, auf dem man den finden muss, der aus der Reihe tanzt, weil er, sagen wir, als einziger ein gelbes Shirt anhat und kein grünes.

Ein Sportfreund aus Lotte hatte sich beispielsweise die langen schwarzen Kopfhaare unterhalb des Kinns zusammengebunden, dort wuchsen sie noch weiter in Richtung Erdboden, so dass es aussah, als bestehe der halbe Sportfreund aus dunklem Kinnbart. Ein anderer Sportfreund trug einen Strohhut, den er sich in regelmäßigen Abständen vom Haupt zog, um mit der Hand zu prüfen, ob die sengende Sonne auch wirklich keine heißen Spuren auf seinem Haupt hinterlassen hatte. Sie alle, Hut- und Bartträger aus Lotte, hatten eines gemeinsam: Der Samstag war kein guter Tag für sie. Sie sahen sechs Tore. Und nur eins erzielte die eigene Mannschaft.

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Ja, der TSV 1860 München gewann doch tatsächlich sein erstes Heimspiel nach dem Aufstieg in die dritte Liga, das zugleich die erste Profifußball-Partie im Grünwalder Stadion seit 13 Jahren war, mit 5:1. Einmal traf Simon Lorenz (13.), einmal Adriano Grimaldi (22.), einmal Sascha Mölders (50.), einmal Felix Weber (65.) und einmal Stefan Lex (89.). Grimaldi traf nicht nur, er bereitete auch noch die Tore von Weber und Mölders vor.

Wenn Adriano Grimaldi (1,88 Meter, 90 Kilo) und Sascha Mölders (1,87 Meter, 82 Kilo) gemeinsam im gegnerischen Strafraum stehen, dann ist der voll. Und am Samstag standen Mölders und Grimaldi sehr oft zusammen in Lottes Strafraum. "Die haben sich heute gut unterstützt und sind zusammen eine Wucht", befand Sechzigs Trainer Daniel Bierofka nach dem Spiel. "Wir sind jetzt in der Liga angekommen."

Nach dem 0:1 zum Liga-Auftakt gegen Kaiserslautern lief es am Samstag auf Giesings Höhen gefühlt so weiter wie im Vorjahr in der Regionalliga. Viel geändert hat sich ja auch nicht. Außer natürlich, dass das Grünwalder Stadion jetzt noch etwas hübscher ist, besser klingt und mit mehr Menschen besetzt werden kann. Der Block J ist eröffnet, was bedeutet, dass an der Nordwestseite des Stadion keine grauen Stufen mehr zu sehen sind, sondern nur noch blaue Löwen. 15000 Zuschauer fasst die Schüssel nun, und wenn 15000 gleichzeitig ihre mächtige Stimme erheben, um das Grüüüüüüünwalder Stadion zu besingen, oder das Prinzip, weswegen einer, der einmal Löwe gewesen ist, immer Löwe sein wird, dann wackeln zwar nicht die Tribünen, aber es klingt und hallt in den Gassen Giesings, dass man meint, der Zirkus wäre in der Stadt. Dazu passen auch die fünf neuen Lautsprechermasten. Sie sind hoch und grau und wurden am Tage ihrer Errichtung vorsorglich mit dem Helikopter abgesetzt, um den Rasen nicht zu schädigen.

Münchens Grimaldi spielt mit der Eleganz eines wendigen Zirkusbären

Genau 15 Minuten dauerte es am Samstag, dann war auch auf dem Rasen wieder die Welt so in Ordnung wie in der Vorsaison, als Sechzig 26 Siege feierte und zuhause nur einmal verlor, ausgerechnet gegen den FC Bayern. Nach 15 Minuten schickte Linksverteidiger Philipp Steinhart eine scharfe Flanke in Richtung von Sportfreund Steve Kroll, der Lottes Tor hütet. Flach flog der Ball in den Strafraum, Simon Lorenz tauchte ab und verlängerte die Flugbahn mit dem Kopf ins Netz. Schon in der Regionalliga waren Tore nach Standard-Situation ein bewährtes Mittel für Bierofkas Mannschaft. In der dritten Liga, wenn es gegen die spielerisch überlegenen Mannschaften gehen wird, dürften sie noch mal einen kleinen Popularitätssprung erleben.

Aber Lotte war Sechzig an diesem heißen Augusttag spielerisch nicht gewachsen. Das dämmerte auch Torwart Kroll sehr schnell. Nach einem zu langen Ball von Sechzigs Quirin Moll eilte er aus dem Tor, um den Ball zu klären. Allerdings genau in die Füße von Grimaldi, der den Ball mit der Eleganz eines wendigen Zirkusbären, die man ihm so gar nicht zugetraut hätte, aus fast 30 Metern Entfernung ins leere Tor schlenzte. "Ich habe schon einmal so ein ähnliches Tor geschossen. Von daher kann ich schon sagen, dass das so gewollt war", sagte Grimaldi. Man mochte ihm das glauben, zumal Grimaldi vor der Pause auch noch knapp das 3:0 verpasste. "So wie Adriano Fußball interpretiert, passt er überragend rein. Wir können jeden Tag froh sein, dass er sich für uns entschieden hat", sagte Bierofka.

Nach Wiederanpfiff zog Grimaldi im Strafraum allerhand Abwehrspieler aus Lotte auf sich, passte zu Mölders - und der schob den Ball auf bewährt lockere Weise ins Netz. Dass Lotte nach Felix Webers Abstauber (65.) zwischenzeitlich auf 1:4 verkürzen konnte, schadete der Stimmung im Stadion nicht. Schließlich spazierte ja auch noch der eingewechselte Stefan Lex kurz vor Schluss durch die gegnerische Hälfte und schoss ein zum 5:1-Endstand.

Was bleibt als Erkenntnis? "Wir haben heute die richtigen Schlüsse gezogen aus unserer Niederlage gegen Kaiserslautern", sagte Bierofka. Und auch Lottes Übungsleiter Matthias Maucksch fand noch etwas Erbauliches: "Wir haben heute viel, viel Videomaterial gesammelt, um künftig alles sehr viel besser zu machen."

© SZ vom 05.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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