1860-Investor Hasan Ismaik:Herrscher im falschen Land

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1860-Investor Hasan Ismaik war von seinem ersten Tag an bei den Löwen schlecht beraten - und hat die Regeln im 50+1-Land nie verstanden.

Kommentar von Philipp Schneider

An einem schönen Junitag im Jahr 2011 saß ein gut gekleideter Mann in einer grauen Sitzschale in der Fröttmaninger Arena, die Sonne schien, er blickte runter auf den Rasen, er grinste ein bisschen. Vor seinen Augen tat sich ein herrliches, grünes Fußballreich auf, und er, Hasan Ismaik, reich geworden mit Immobilien und Öl, war nun sein Herrscher. So etwas muss Ismaik gedacht haben, als er da saß und sich freute wie ein König. Ismaik hatte sich eingekauft in einen traditionsreichen Fußballklub, 18,4 Millionen Euro hatte er überwiesen und damit den TSV 1860 München vor seiner selbst verschuldeten Pleite gerettet.

Mit einem Schlag waren die Löwen ihren Schuldenberg in zweistelliger Millionenhöhe los, der sich infolge von Missmanagement und Größenwahn aufgetürmt hatte. Doch Ismaik hatte sich mit dem vielen Geld nur als Juniorpartner eingekauft bei einem Verein, dem das prächtige Stadion außerdem gar nicht gehörte. Was Ismaik sah, war das Reich des FC Bayern. Jemand musste den sehr gut gekleideten Mann also sehr schlecht beraten haben, dass er nun so tragikomisch glücklich auf einer Sitzschale saß. Als König in einem tageweise gemieteten Schloss.

TSV 1860 München
:Das Kioyo-Protokoll

Seit 2004 spielte 1860 München in der zweiten Liga. Seitdem gab es einen Fisch, der vom Kopf stinkt und jede Menge Wahnsinn. Eine Rückschau zum Abschied vom Profifußball.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Die Geschichte zwischen dem TSV 1860 München und dem ersten arabischen Investor im deutschen Profifußball ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Vom ersten Tag an hat der damals 34-Jährige die Regeln des Spiels, an dem er nun teilnehmen wollte, nicht begriffen. Oder zumindest unterschätzt. Die wichtigste Regel, die sog. 50+1-Regel, ist sehr eindeutig, sie ist auch sehr speziell, weil es sie nur in Deutschland gibt, sie ist eine Regel, die man unfair oder provinziell finden kann und die vielleicht sogar gegen geltendes Recht verstößt. Sie besagt, dass - Investoren hin oder her - die Vereine die Entscheidungshoheit über ihre Profi-Abteilungen haben müssen. Für Ismaik heißt das: Der reiche Mann darf zwar alles zahlen. Aber er darf nicht alles entscheiden.

Mit einer Hartnäckigkeit, die man auch bewundern kann, ist Ismaik seit dem Moment, in dem er die Tragweite des Vertrags begriff, den er (freiwillig) unterzeichnet hatte, angerannt gegen die Regeln, die ihn nun daran hinderten, fachmännisch durchzuregieren. Und waren die vielen unaufhörlich zurücktretenden Vereinsfuzzis um ihn herum nicht alles Idioten? "Ein Autohändler, ein Politiker, ein Polizist!", klagte er mal vollkommen präzise. Und waren die Ehrenamtler nicht auch noch Schnorrer dazu?

Aus teuren Rückschlägen zog Ismaik oft noch teurere Schlüsse

Damit das alle endlich begreifen würden, erschien Ismaik nachts im Löwenstüberl an der Grünwalder Straße, das war 2013. Vor einer Handvoll Fans erzählte er Anekdötchen über Funktionäre, die mit der 1860-Kreditkarte Restaurantrechnungen bezahlten. Mit seinem Geld! Dazu gab er die Pantomime eines Melkers an den Eutern einer Kuh. Was wurde da gelacht, das ganze Löwenstüberl vibrierte, fast wäre das Foto mit den Meisterlöwen von 1966 von der Wand geplumpst. Für einen Augenblick hatte man fast vergessen, dass kurz zuvor der Autohändler zurückgetreten war.

Anders als seine arabischen Investorenkumpels hatte sich Ismaik einen Klub im falschen Land gekauft. Im 50+1-Land. Nicht etwa in England, wo halb Manchester auf die Knie fällt, wenn Scheich Mansour bei den Citizens vorfährt und aus einer Protzkarosse steigt. An der letzten Protzkarosse, aus der Ismaik in München kletterte, klebte ein Aufkleber von "Limousinenservice 24".

Man kann nicht sagen, dass der Geschäftsmann keine sportfachlichen Ideen in die Debatte eingebracht hätte, wie der Meister von 1966 wieder nach oben zu führen sei. Ein Engagement des schwedischen Promitrainers Sven-Göran Eriksson, auf den sich auch der Münchner Boulevard ("Der geile Sven ist scharf auf die Löwen") schon gefreut hatte, scheiterte an den langen Entscheidungswegen bei 1860. Das meiste scheiterte allerdings daran, dass Ismaik aus beinahe jedem teuren Rückschlag einen tendenziell falschen, am Ende oft noch teureren Schluss zog. Er war am Anfang schlecht beraten, und er war es bis zuletzt.

Es gibt viele in der Branche, die finden, der deutsche Fußball müsse sich endlich so richtig und vollständig für Investoren öffnen. Hasan Ismaik und die Löwen, die es jetzt zurück in die Amateurligen spült, sind ein schillerndes Argument dagegen. Umso bemerkenswerter, dass sich beim VfB Stuttgart soeben eine große Mehrheit der Mitglieder dafür aussprach, externen Geldgebern die Tür zu öffnen. Allerdings muss man dazusagen, dass der Investor in Stuttgart halt nicht Hasan Ismaik heißt. Sondern Mercedes Benz.

© SZ vom 03.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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