TSV 1860 München:Weltpolitische Vergleiche von Ismaik

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Das durchgestrichene Konterfei von Hasan Ismaik neuerdings auch als Schwenkfahne: „Die verfolgen eine Ideologie, eine Gesinnung, die nicht den sportlichen Erfolg beinhaltet“, sagt der Investor über seine Gegner. (Foto: Renate Feil / MiS / imago)
  • Bei 1860 München übernimmt vorerst Interimstrainer Oliver Beer den Job des Urgesteins Daniel Bierofka - der hatte frustriert den Verein verlassen.
  • Jetzt gibt es neuen Streit bei den Löwen, an dem auch Investor Ismaik wortreich beteiligt ist.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Am Freitag um 11.30 Uhr gab Oliver Beer seine erste und womöglich letzte Spieltags-Pressekonferenz als Cheftrainer von 1860 München. Nach der Flucht von Daniel Bierofka hatte dessen bisheriger Assistent das Amt übernommen, und er teilte mit: "Wir haben natürlich die letzten Tage weiterhin trainiert."

Das war schon einmal eine gute Nachricht, und außerdem habe die Mannschaft sogar "versucht, den Fokus aufs Spiel zu legen". Es war vor dem Auftritt in Halle an diesem Samstag (14 Uhr) natürlich kein einfacher Versuch. "Wir hatten hier etwas aufgebaut, Biero ist eine Ikone, es ist ja klar, dass es die Mannschaft emotional mitgenommen hat", sagte Beer. Vor allem Stürmer Sascha Mölders litt unter dem Abschied seines Kumpels, er soll sogar mal laut geworden sein in der Kabine. "Wer den Sascha kennt, weiß, dass er seine Meinung hat", meinte Beer. "Er wird wieder vorangehen am Samstag, da mache ich mir keine Sorgen."

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Dass es zuletzt auch zwischen ihm und Bierofka Spannungen gegeben habe, bestritt Beer, allzu viel ausgetauscht über Training und Taktik haben sich die beiden nicht: "Wer den Biero kennt, weiß, dass er sehr intensive Trainingsarbeit betreibt und alles kontrollieren will. Aber ich hatte noch genug andere Themen, mir ist nicht langweilig geworden." Beer kennt Bierofka seit über 20 Jahren, er wurde von ihm auch als Assistenztrainer nach Giesing geholt, und er betonte: "Der Dienstag war für mich emotional katastrophal, das muss man ganz klar so sehen."

Bierofka, der bei einem Vertrag bis 2022 auf sehr viel Gehalt verzichtete, um Sechzig verlassen zu können, habe ihm "sogar noch per WhatsApp alles Gute gewünscht". Warum Bierofka ging, habe aber auch er nicht wirklich erfahren: "Es hatte sich bei ihm viel aufgestaut, er hat mit uns auch nicht so darüber gesprochen, er ist ja ein introvertierter Typ. Er hat auch gesagt, wir sollen nicht über ihn reden, auch in der Mannschaft nicht."

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Dass im Umfeld und im Machtkampf der Gesellschafter nicht mehr viel über Bierofka geredet wird, wird hingegen ein frommer Wunsch bleiben. Sollte der scheidende Trainer auch bei seinem Abschiedsgespräch mit Investor Hasan Ismaik darum gebeten haben, ist es jedenfalls nicht erhört worden. In einem Interview mit dem Bayerischen Fernsehen sagte Ismaik, er sehe die Schuld für den Rücktritt "bei den Verantwortlichen im Verein, beim Präsidium und auch bei den Verantwortlichen hinter dem Präsidium".

Damit spielte er auf die Gruppierung Pro 1860 an, die den Verwaltungsrat dominiert und die Klubpolitik bestimmt: "Die verfolgen eine Ideologie, eine Gesinnung, die nicht den sportlichen Erfolg beinhaltet, sondern eine ganz eigene Agenda, die nur ganz bestimmte Interessen verfolgt, die nicht unbedingt mit dem sportlichen Erfolg einhergeht. Je tiefer wir spielen, um so sicherer fühlen sie sich." 1860 und der FC Bayern seien wie "Nordkorea und Südkorea" oder "wie Ost-und Westdeutschland", wie Ismaik "anlässlich des Gedenktags des Mauerfalls" erläuterte. Präsident Robert Reisinger, der eine weitere Verschuldung der Profi-KGaA bei Ismaik ablehnt und ihr einen Konsolidierungskurs verschrieben hat, verzichtete auf weltpolitische Vergleiche.

Er ließ der Abendzeitung aber schriftlich ausrichten: "Bierofka wurde und wird von unserem Mitgesellschafter auf das Gröbste instrumentalisiert. Ich bin überzeugt, nicht zuletzt diese ständige Indienstnahme für propagandistische Zwecke hat dazu geführt, dass die Situation für unseren Trainer immer schwieriger wurde." Je stärker Bierofka mit der Investorenseite in Verbindung gebracht wurde, desto wüster wurde in der Tat die Kritik, die Anhänger der Vereinsseite an ihm im Internet verbreiteten. Reisingers eigene Aussagen über das hohe Gehalt Bierofkas und seinen möglichen Abschied, die der Trainer als Mobbing empfand, bereue er aber nicht, erklärte der Präsident. Er habe schließlich auf "ein Schreckgespenst" antworten müssen, "das auch unser Mitgesellschafter gerne genährt hat".

Und Ismaiks Thesen zur Gruppierung Pro1860 seien dem Investor "aus seinem Umfeld erzählt" worden.

Nun muss sich ein neuer Trainer finden, der zwischen Gespenstern in Nordkorea arbeiten will. 15 Tage darf Beer ohne Fußballlehrer-Lizenz im Amt bleiben. Bis dahin muss ein neuer Coach verpflichtet sein, ansonsten müsste zumindest offiziell Sport-Geschäftsführer Günther Gorenzel neben Beer übernehmen, denn er besitzt die nötige Erlaubnis. Jetzt will Beer in Halle erst einmal "den Bock umstoßen, wir haben ja nichts zu verlieren". Daniel Bierofka haben sie ja schon verloren.

© SZ vom 09.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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