1. FC Nürnberg:Hopp-oder-Top-Momente

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In der Kritik des kritischen Nürnberger Publikums: Christian Mathenia (r.), der hier das 0:1 durch Smail Prevljak hinnehmen muss. (Foto: Jan Huebner/Imago)

Nach einem ereignisreichen 3:1 gegen Hertha BSC nimmt Trainer Cristian Fiel seinen Torwart Christian Mathenia in Schutz. Er solle eben, so oft es geht, flach rausspielen, nicht "einfach rausbolzen" - das birgt auch Risiko.

Von Christoph Leischwitz

Nach diesem Spiel mit vier Toren, zwei roten Karten, 13 Minuten Nachspielzeit und einem überaus hart erkämpften Erfolg suchte sich der Trainer für die ganz lange Umarmung einen Spieler aus, bei dem es nicht darum ging, ihn zu beglückwünschen, sondern darum, ihn zu trösten. Später hob Nürnbergs Coach Cristian Fiel diesen Spieler auf der Pressekonferenz auch noch einmal heraus: "Wir haben sehr viel von dem auf den Platz bekommen, was ich sehen möchte. Das hat mich sehr gefreut. Aber wenn Sie erlauben, möchte ich noch ein Thema ansprechen, das mich betrübt: Christian Mathenia."

Der Torwart beim Club hatte bei diesem 3:1 (0:1) im Traditionsklub-Duell gegen Hertha BSC vor über 37000 Zuschauern oft keine gute Figur gemacht. Nürnberg bekommt oft Probleme mit gegnerischem Pressing bei eigenem Abstoß, so auch diesmal. Und Fiel hatte schon recht früh im Spiel ein "Raunen durchs Stadion" gehört, das den Keeper verunsichert habe. Das helfe weder dem Spieler noch dem Verein, Pfiffe seien für ihn nicht nachvollziehbar. Und möglicherweise auch für weitere Unsicherheiten verantwortlich.

So hatte Mathenia zum Beispiel in der 74. Minute einen überhasteten Pass gespielt, den Mitspieler Ivan Marquez nicht erreichen konnte, so dass er sich anschließend mit einer Notbremse behelfen musste - zwei Minuten, nachdem Nürnberg das Spiel zu einem 2:1 gedreht hatte, und fünf Minuten nach einer roten Karte für den Berliner Marc Oliver Kempf. Kurz: Das Momentum drohte verloren zu gehen, gegen einen Bundesliga-Absteiger, der an diesem Nachmittag trotz vier Siegen aus den vergangenen fünf Partien nicht viel zustande gebracht hatte. Herthas Trainer Pal Dardai war nach dem Spiel so bedient, dass er sogar die eigene Führung durch Smail Prevljak (15.) als "unverdient" betitelte. Bei diesem Tor hatte Mathenia übrigens auch nicht gut ausgesehen, wenn auch nicht alleine.

Fiel war es nach dem Sprung auf Tabellenplatz neun, nach einem erneuten Erfolg seiner heimstarken Mannschaft, besonders wichtig, nicht nur darüber zu sprechen, was alles gut gelaufen war. Er wollte klarstellen, dass Mathenias Fehler nicht Mathenias Schuld sind - sondern die seines Trainers. Und teilweise jene der Mitspieler, wegen schlechten Stellungsspiels. "Der Junge setzt das um, was der Trainer von ihm will." Er solle eben so oft es geht flach rausspielen, nicht "einfach rausbolzen". Wenig später merkte der 43-jährige Trainer noch an: "Oft ist Mathenia der Leidtragende. Wir haben nicht den Spielertyp, der da hochgeht und den Ball festmacht."

Dadurch entstehen viele Hopp-oder-Top-Momente, die aber auch zum Spiel des Clubs in dieser Saison passen: Nürnbergs schnelles Spiel nach vorne sorgt immer wieder für brenzlige Zweikämpfe und riskante Ballverluste. Immer wieder werden rote Karten, VAR-Entscheidungen und hitzige Diskussionen ausgelöst oder provoziert. Die Szenen mit Mathenia-Beteiligung waren bei diesem Spiel zweier Mannschaften im Tabellen-Mittelfeld mit dem Drang nach Höherem ja lange nicht die einzigen. Der stets eifrige Jens Castrop hatte in der 37. Minute gegen den Hertha-Kapitän Toni Leistner einen Elfmeter herausgeholt. Can Uzun, 17, trat nach zweiminütiger VAR-Unterbrechung an und traf mit seinem mittigen Schuss den Unterschenkel des Hertha-Keepers Tjark Ernst (39.).

Leistner wurde nicht nur zu dem elfmeterwürdigen Foul gezwungen, sondern später auch zu einem Eigentor, das zum 2:1 für Nürnberg führte. Das vorentscheidende 3:1 erzielte der eingewechselte Daichi Hayashi (84.), einer von fünf Neuen in der Startelf nach einer Länderspielpause mit Grippewelle und kurzfristigen Ausfällen. In der Schlussphase bekam Mathenia dann noch so viel zu tun, dass man ihm mit einer Umarmung letztlich auch noch zu seiner Leistung hätte gratulieren können. "Das müssen wir noch aufarbeiten, da lassen wir uns zu tief fallen", sagte Verteidiger Jannes-Kilian Horn über die Schlussphase.

Einige Fans hatten akustisch, einige auch optisch auf sich aufmerksam gemacht. Vor der Mitgliederversammlung am 23. November häufen sich die innenpolitischen Äußerungen via Transparenten. Auf einem der zahlreichen Banner war heute zu lesen: "Keine vierte Amtszeit für Thomas Grethlein! - Veränderung jetzt". Die Forderung über den Aufsichtsratsvorsitzenden blieb aber, erst einmal, eine Randnotiz. Beim Club ist auf dem Rasen einfach immer viel zu viel los.

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