1. FC Nürnberg:Der einzige Unverkopfte

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Retter des Nachmittags: Doppeltorschütze Can Yilmaz Uzun (vorne) ballt die Faust. (Foto: Daniel Marr/Sportfoto Zink/Imago)

Unsicherheit im Spielaufbau, mangelnde Durchschlagskraft, slapstickhafte Fehler: Der 1. FC Nürnberg kommt gegen Hannover trotz vieler Mängel noch zu einem 2:2 - dank des 17-jährigen Can Uzun.

Von Christoph Leischwitz

Es war taktisch unklug, dieses kleine Banner schon vor dem Anpfiff wieder wegzunehmen, denn die Spieler des Fußball-Zweitligisten 1. FC Nürnberg schienen sich am Sonntagnachmittag lange nicht daran zu erinnern, was darauf geschrieben stand: "Nicht denken, einfach schießen" - die vielen verkorksten Partien in jüngerer Zeit, all den Ballast und Erwartungsdruck eines großen Traditionsvereins einfach mal in der Kabine lassen, das ist es, was sich die Anhänger des Clubs wünschen, oder, wie jemand auf der Haupttribüne einwarf: "Die müssen ja gar nicht aufsteigen, nur einfach mal Ruhe."

In der ersten Hälfte des ersten Saisonheimspiels reichte eine depperte Aktion, um im Club-typischen Vokabular zu bleiben, und schon war alles wieder verkopft. Die gute Nachricht: Nach einem 0:2-Rückstand durfte die Heimelf gegen Hannover 96 nach einer wilden Schlussphase und elf Minuten Nachspielzeit noch ein 2:2, nun ja, bejubeln. Ausschlaggebend hierfür waren eine umstrittene Schiedsrichter-Entscheidung und ein 17-Jähriger, der offenkundig einfach nicht so viel nachdenkt wie seine älteren Kollegen: Can Uzun traf mit einem Schlenzer zum Anschluss (66.) und verwandelte nach knapp fünf Minuten VAR-Unterbrechung den Strafstoß zum Ausgleich (90.+2). Es sagt schon ein bisschen etwas aus über das Nervenkostüm einer Mannschaft, wenn der Youngster in seinem vierten Zweitligaspiel die Verantwortung übernimmt.

Die Analyse fiel ähnlich unstet aus wie das Spiel selbst. "Für mich überwiegt, dass wir nochmal zurückgekommen sind", sagte Nürnbergs Trainer Cristian Fiél, 43. Diese Aussage stand jedoch in krassem Gegensatz zu seinem Gesichtsausdruck, und dann legte Fiél auch noch nach: "Ich hatte gedacht, wir wären in der einen oder anderen Sache schon etwas weiter. Wir machen einfach Fehler, die dir in der zweiten Liga nicht passieren dürfen."

Am ersten Fehler, der schon nach sechs Minuten in allgemeine Nürnberger Verunsicherung mündete, war Torwart Christian Mathenia maßgeblich beteiligt. Er spielte nach einem Abstoß einen so überraschenden und riskanten Kurzpass, dass Johannes Geis foulen musste, um Hannovers Nicolo Tresoldi am Torschuss zu hindern - den Elfmeter verwandelte Cedric Teuchert (7.). Jenen zum 0:2 ebenfalls, dem zweiten Elfmeter war eine Dreifachchance der Gäste vorangegangen, dann legte James Lawrence den Torschützen (21.). Schon diese Szene wurde noch einmal geprüft, die Fans reagierten schnell. Mit Bestätigung des VAR hatten sie ein Banner ausgerollt: "Videobeweis abschaffen".

"Die Bilder zeigen eindeutig, dass der Nürnberger den Kontakt sucht", klagt der ehemalige Clubberer Teuchert

Die elf Männer auf dem Platz waren mit ihrer Reaktion nicht so schnell. Nach guten ersten Spielminuten war nun kein Durchkommen mehr, Ideenlosigkeit und Bälle ins Leere bestimmten das Geschehen. Christoph Daferner, der in der Vorbereitung einen guten Eindruck hinterlassen hatte, manövrierte sich oft ins Abseits, in doppeltem Wortsinn. Der Angreifer holte sich wegen Meckerns eine gelbe Karte ab (27.), kurz vor der Pause hätte er sich nach einem unnötigen Foul auch nicht über Gelb-Rot beschweren dürfen. Daferner war einer von gleich vier Spielern, der nach einer "emotionalen Halbzeitansprache" (Torwart Mathenia) nicht mehr randurfte.

Der eingewechselte Daichi Hayashi war nach dem Seitenwechsel maßgeblich für jene kämpferischen Szenen verantwortlich, die Nürnberg zurück ins Spiel brachten, er dürfte nach Uzun einer der wenigen Gewinner des Spieltages sein. Letztlich auch, weil er dann das unendlich lange Laufduell gegen den eigentlich überragenden Hannoveraner Außenverteidiger Bright Arrey-Mbi gewonnen und auch noch in den Strafraum verlagert hatte. Schiedsrichter Patrick Alt zeigte gleich auf den Punkt, wurde dann zum Monitor gebeten, blieb aber bei seiner umstrittenen Entscheidung. "Die Bilder zeigen eindeutig, dass der Nürnberger den Kontakt sucht" und nicht umgekehrt - fand nicht nur der ehemaliger Clubberer Teuchert. Hannovers Torwart Ron-Robert Zieler fand Hayashis Fall schlicht "billig" und ärgerte sich über die verlorenen Punkte.

"Ich habe heute viel, viel, viel mitgenommen", sagte Fiél abschließend. Abgesehen davon, dass seine Mannschaft bezüglich einiger Entwicklungsschritte auch noch nachsitzen muss, gehört ja vielleicht auch die Erkenntnis dazu, dass nach Unsicherheiten im Spielaufbau, bei mangelnder Durchschlagskraft im Angriff und nach zahlreichen slapstickhaften Fehlern das Glück noch nicht komplett abhanden gekommen ist.

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