1. FC Nürnberg:Der Netzwerker

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Der Club hat wieder zu sich gefunden - und Olaf Rebbe hat daran einen großen Anteil. (Foto: Jan Huebner/Imago)

Seit seiner Rückkehr vor zwei Jahren ist Dieter Hecking zwar wieder das Gesicht des 1. FC Nürnberg, doch in der Kaderplanung ist ein anderer federführend: Olaf Rebbe, 44. Über einen, der sich im Hintergrund wohlfühlt.

Von Sebastian Leisgang

Erstmal eine Erinnerung an das erste Treffen mit Olaf Rebbe, ein Sommertag am Valznerweiher, ein Besprechungsraum auf dem Trainingsgelände des 1. FC Nürnberg, etwas mehr als ein Jahr ist es jetzt her. Rebbe war erst seit ein paar Wochen beim Club, jetzt hatte er Brezeln besorgt, einen Kaffee aufsetzen lassen und ein paar Reporter eingeladen, um sich vorzustellen. Am Ende des Termins schrieb Rebbe seine Telefonnummer auf und plauderte auf der Terrasse noch über dies und das.

So laufen die Gespräche mit Olaf Rebbe oft. Es ist kein Frage-Antwort-Spiel, kein Hin und Her, Rebbe erzählt einfach, offen, freimütig, geradeaus. Der Termin mit den Journalisten war Rebbe wichtig. Er wollte das alles: dass ihn die Medienvertreter kennenlernen, dass sie sich ein Bild machen, auch dass sie verstehen, unter welchen Bedingungen er hier arbeitet.

Ist ja alles nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick vielleicht scheint. Selbst das kleine Heidenheim kriegt mehr Fernsehgeld als der große Club. Klingt irgendwie merkwürdig, kann man eigentlich auch kaum glauben, ist aber wirklich so. Und deshalb will Rebbe, dass die Leute da draußen sowas auch wissen. Auch deshalb die Einladung in die Geschäftsstelle, auch deshalb die damalige Einführungsrunde mit den Reportern.

Wer also ist dieser Mann, der in Nürnberg den Kader aufstellt? Der dafür verantwortlich ist, ob der Club eine gute Mannschaft hat und die Leute in der Stadt mitnimmt - oder ob er nur dahindümpelt und die Leute nicht anspricht?

"Jetzt ist die Erwartung von außen, dass wir aufsteigen", weiß Rebbe. Dabei hätten viele Vereine bessere Möglichkeiten

Seit April des vergangenen Jahres ist Olaf Rebbe, 44, beim Club. Dass sich der Verein nach der überstandenen Relegation gegen Ingolstadt wieder gefangen hat, dass es seit zwei Jahren wieder in die richtige Richtung geht, dass sie in der Stadt sogar von der Bundesliga träumen, das wird in erster Linie mit Dieter Hecking in Verbindung gebracht. Es ist aber, das muss man wissen, auch Rebbes Arbeit, die dahintersteht.

"Wir haben viel bewegt und angestoßen", sagt Rebbe in seiner Funktion als Sportdirektor, "jetzt ist die Erwartung von außen, dass wir aufsteigen. Wenn man aber mal genauer hinschaut, sieht man, dass wir uns in einem sehr starken Wettbewerb befinden, in dem viele Vereine dieselben oder sogar bessere Möglichkeiten haben. Deshalb ist es für uns die Aufgabe und eine riesige Herausforderung, den Erwartungen gerecht zu werden und gleichzeitig weiter zu wachsen." Ist ja grade mal zwei Jahre her, dass der Club in Ingolstadt mit einem Bein in der dritten Liga stand. Will in Nürnberg keiner mehr hören, war aber so.

Die Relegation, sagt Rebbe, habe den ganzen Verein in Schockstarre versetzt. Es ging ja um alles, damals, im ersten Corona-Sommer. In Zeiten, in denen der Fußballbetrieb immer auch bühnenreif sein muss, werden zwar auch schon Oktober-Spiele zu Endspielen erklärt, doch an diesem Juliabend von Ingolstadt, da ging es tatsächlich um alles. Letzten Endes sprang der Club dem Abstieg von der Schippe, die Nachwehen dieser vollkommen verkorksten Saison, die seien aber immer noch zu spüren, sagt Rebbe. Er selbst war damals zwar gar nicht dabei, als Nürnberg ums Überleben kämpfte; welche Spuren die Relegation aber hinterlassen hat, das merkt er sehr wohl.

Umso höher, und das ist auch Rebbes Verdienst, ist es einzuschätzen, dass der Club wieder zu sich gefunden hat. Im vergangenen Jahr spielte die Mannschaft lange um den Aufstieg, selbst im April mischte sie vorne noch mit, am Ende spielte sie im Konzert der Großen aber doch nur die zweite Geige. Schalke und Bremen setzten sich durch, der HSV wurde Dritter, Nürnberg brach auf den letzten Metern der Saison ein und wurde am Ende Achter.

Traf beim spektakulären 3:5 im Test gegen Arsenal London zum 2:0 für den Club: Angreifer Kwadwo Duah. (Foto: Wolfgang Zink/Imago)

Jetzt will der Club wieder höher hinaus. An diesem Samstag beginne wieder der Ernst des Lebens, sagt Rebbe. Geht ja gleich gut los, Auswärtsspiel bei St. Pauli (13 Uhr), dann das Frankenderby gegen Fürth. Spannende Aufgaben, die zeigen werden, wie weit die neue Nürnberger Mannschaft schon ist. Vor allem in der Offensive hat sich einiges getan. Christoph Daferner ist aus Dresden gekommen, Manuel Wintzheimer aus Hamburg, Kwadwo Duah aus St. Gallen. Wenn der Club solche Transfers tätigt, dann ist es in aller Regel Rebbe, der dahintersteht. Der beobachtet und analysiert hat, der abgewogen und diskutiert hat, gerechnet und verhandelt.

All das steht auch mittwochs an, wenn Rebbe mit Trainer Robert Klauß zu Hecking ins Büro geht. Auch dort wird dann an einem großen Holztisch gesprochen, debattiert und beraten. "Jeder hat eine eigene Stimme", sagt Rebbe, "da wird es auch mal kontrovers, aber das Verhältnis ist immer sehr vertrauensvoll." Hecking kennt Rebbe ja schon aus seiner Zeit in Wolfsburg. Mit dem VfL gewannen sie 2015 den Pokal, zwei Jahre später wäre der Klub beinahe abgestiegen. Auch für Rebbe waren es turbulente und herausfordernde Zeiten. Er verkaufte Julian Draxler nach Paris und holte Mario Gomez aus Florenz.

Wenn man jetzt über Rebbe nachdenkt, ist man schnell bei seiner ungewöhnlichen Vita: Schülerpraktikant bei Borussia Dortmund, Marketingleiter bei Werder Bremen, später Sportdirektor in Wolfsburg, Huddersfield und Thessaloniki. Rebbe hat schon viel gesehen, jetzt ist er in Nürnberg und zieht dort mit Hecking und Klauß die Fäden. Dass er dabei nicht im Mittelpunkt steht, sondern, ganz im Gegenteil, sich oft unterhalb des öffentlichen Radars bewegt, das sei nichts, worüber er sich Gedanken mache, sagt Rebbe: "Ich fühle mich in meiner Rolle einfach wohl. Dieter ist das Gesicht - und das ist auch gut so."

Das Netzwerk aber, den Überblick über den Markt, die Augen für Spieler, die in Nischen zu finden sind, all das hat Rebbe. Das ist sein Terrain. "Ich habe schon viele Transfers begleitet - über die Jahre sicherlich mehr als 100", sagt Rebbe. Es ist der einzige Satz im Laufe des gesamten Gesprächs, in dem er dann doch mal über sich selbst spricht.

Sonst nimmt sich Olaf Rebbe gerne zurück.

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