1. FC Nürnberg:Mit Frau und Töchtern

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Angespannt: Dieter Hecking (li.) und Niels Rossow, Vorstände des 1. FC Nürnberg, bei der Jahreshauptversammlung zuletzt in der Frankenhalle. (Foto: Daniel Marr/Sportfoto Zink/Imago)

Die Kasse ist leer, die Verletztenliste lang: Der Club steuert durch wilde Gewässer - finanziell soll eine neue Marketing-Gesellschaft helfen.

Von Stefan Galler

Es gibt Sportvereine, in denen Anhänger eher selten leiden müssen. Und dann sind da auch Klubs wie der 1. FC Nürnberg, der seine Fans in regelmäßigen Abständen ins Tal der Tränen führt, meistens aus sportlichen Gründen, manchmal aber auch, weil er wirtschaftlich in Schieflage geraten ist. Derzeit sind es wieder mal keine guten Zeiten für den Club: Nach einer starken Saison, inklusive der Aufstiegschance bis weit ins Frühjahr hinein, hatte die Mannschaft in der neuen Zweitligaspielzeit vom Start weg sportliche Probleme. Flankiert wurde diese Talfahrt von einer enormen Verletzungsmisere. Hinzu kommen zu allem Überfluss große finanzielle Schwierigkeiten.

Und so musste Finanzvorstand Niels Rossow auf der Jahreshauptversammlung am Samstag in der Frankenhalle einräumen: "Die Finanzlage ist angespannt." Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2020/21 machte der FCN ein Minus von 2,5 Millionen Euro. In der Corona-Saison 2019/20, in der man beinahe in die Drittklassigkeit abgestürzt wäre, hatte der Club ein noch deutlich heftigeres Minus von 9,4 Millionen Euro verbucht.

Die Schulden steigen von 13 auf 18,7 Millionen Euro - und eine Strafe der DFL schlägt auch noch ins Kontor

Letztlich hat sich nicht nur der Schuldenstand von 13 Millionen Euro im Vorjahr auf 18,7 erhöht, sondern auch das Eigenkapital gehörig verringert, nämlich innerhalb von zwei Jahren von plus 10,4 Millionen auf minus 1,4 Millionen Euro. Durch die neuerliche Verschlechterung des Eigenkapitals greift eine Regel der Deutschen Fußball-Liga (DFL) - demnach werden für den Club auch noch 500 000 Euro Strafe fällig.

Zumindest die Nachricht, dass man nach der Trennung von Vermarkter Sportfive bereits zusätzliche Sponsoren gewonnen hat, sollte zur Beruhigung der 860 anwesenden Mitglieder beitragen. Um sich finanziell besser aufstellen zu können, hatte der 1. FC Nürnberg bereits auf der vergangenen Mitgliederversammlung den Antrag gestellt, Tochtergesellschaften gründen zu dürfen - etwa im Bereich Vermarktung. Damals war er knapp gescheitert. Diesmal kam das Ansinnen erneut zur Abstimmung - und ging mit über 92 Prozent durch. Dass die Ausgliederung des Lizenzspielerbereichs und die Übertragung der Wort- und Bildmarke explizit ausgeschlossen waren, beruhigte wohl einige der skeptischen Mitglieder.

Die Anwesenden mussten sich zu Beginn der Veranstaltung bereits die Hiobsbotschaften von Sportvorstand Dieter Hecking anhören: Er kündigte an, dass jenes Trio, dass sich am letzten Spieltag des Jahres gegen Paderborn (2:1) verletzt hatte, aller Voraussicht nach "in der Rückrunde nicht mehr zum Einsatz" kommen werde. Verteidiger Erik Wekesser erlitt einen Kreuzbandriss, Torwart Christian Mathenia einen Sehnenanriss in der Schulter. Lediglich Defensivspieler James Lawrence (Innenmeniskusriss) könne auf ein Comeback vor Saisonschluss hoffen. Dabei war die Liste der Verletzten schon zuvor lang gewesen. Doch trotz schwieriger Voraussetzungen hält Hecking am Saisonziel fest: Er traue der Mannschaft zu, das "obere Tabellendrittel zu erreichen".

Zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte wird eine Frau in den Aufsichtsrat gewählt

Diskussionsstoff boten die satzungsändernden Anträge des früheren Radioreporters Günther Koch. Der ehemalige Aufsichtsrat brachte sein Anliegen durch, dass auch die Haushaltspläne der Tochtergesellschaften auf der Jahreshauptversammlung präsentiert werden müssen. In der Satzung ist nun die "Entgegennahme insbesondere der für die Lizenzierung relevanten Finanzberichte (Einzel- und Konzernabschluss) des Vereins" festgeschrieben. 94 Prozent der Mitglieder waren dafür. Nur 22 Anwesende waren dagegen, darunter Aufsichtsrats-Vorsitzender Thomas Grethlein und zwei weitere Aufsichtsräte.

Koch forderte auch, dass den Mitgliedern künftig alle Haushaltspläne präsentiert werden müssen. Dies wurde abgelehnt, ebenso wie sein Ansinnen, die Amtszeit von Aufsichtsräten auf zwei Wiederwahlen zu beschränken, so dass Grethlein beim nächsten Mal nicht mehr hätte antreten können.

Der Club macht sich auf den Weg in die Zukunft, nicht nur mit der neuen Tochtergesellschaft fürs Marketing, die nun gegründet werden kann. Zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte wurde eine Frau in den Aufsichtsrat gewählt, die von der Fanszene unterstützte Juristin Sandra Hummel zog ins Gremium ein. Pläne, am aktuellen Standort des Frankenstadions bis 2029 einen Neubau zu realisieren, seien laut Niels Rossow "keine Luftschlösser". Und dann gab es noch ein Zeichen für Gleichberechtigung beim Club: Die Verschmelzung des Frauen- und Mädchenfußball e.V. mit den Männern wurde einstimmig gebilligt. Zur Feier gab es eine Rekordkulisse: Am Tag nach der Versammlung erschienen 17 302 Zuschauer zum DFB-Pokal-Achtelfinale der Club-Frauen gegen den VfL Wolfsburg (0:6).

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