Tod von Ronnie Hellström:Freundlicher Teufel

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Flog einst auf dem Betzenberg wie ein Vogel durch den Strafraum: Torwart Ronnie Hellström im Trikot des 1. FC Kaiserslautern. (Foto: Ferdi Hartung/imago)

Der 1. FC Kaiserslautern trauert um seinen langjährigen Torwart Ronnie Hellström. Der Schwede war ein Kunstflieger mit kämpferischer Haltung - und er blieb den Fans in der Pfalz auch dank seiner Gutherzigkeit in bester Erinnerung.

Nachruf von Philipp Selldorf

Als der Betzenberg noch im Ruf stand, die Walhalla des deutschen Fußballs zu sein, stand im Tor des 1. FC Kaiserslautern ein Mann, der einerseits zum lebendigen Inventar des Hauses gehörte, und sich andererseits in diesen wilden Klub verlaufen zu haben schien. Zehn Jahre war Ronnie Hellström der Held des pfälzischen Volkes, das bei jedem Heimspiel den Berg beben ließ wie den Vesuv vor seinem tödlichsten Ausbruch. Aber während der ganzen langen Zeit blieb Hellström der gleiche ruhige und besonnene Mensch, als der er 1974 aus Schweden hierher gekommen war.

Hellström war zwar ein "Roter Teufel" durch und durch, aber er war ein ausgesprochen freundlicher und gutherziger Teufel. Zu seinen speziellen Ehren nahmen im April 1984 auch Ober-Bayern wie Franz Beckenbauer, Paul Breitner und Sepp Maier an seinem Abschiedsspiel teil, die üblicherweise vom Betze-Publikum mit besonders großer Abneigung bedacht wurden.

Ronnie Hellström im Jahr 2019 bei der Vorstellung seiner Biografie. (Foto: Oliver Dietze/dpa)

Am Sonntag ist Hellström im Alter von 72 Jahren verstorben, im November hatte er in einem Interview mit der schwedischen Zeitung Expressen bekanntgemacht, dass er an Speiseröhrenkrebs erkrankt sei. Das Ende kam zügig, und die Bestürzung ist groß in seiner schwedischen Erst- und in der pfälzischen Zweitheimat. Hellström starb einen Tag nach dem Auswärtssieg des FCK in Zwickau, es hätte ihn gefreut, davon zu erfahren, denn er kehrte auch in den Zeiten der Zweit- und Drittklassigkeit stets gern zu seinem Verein nach Lautern zurück.

So verband er dann das Nützliche mit dem Angenehmen, denn als Inhaber einer Handelsvertretung vertrieb Hellström mit seiner Firma außer deutschen Torwarthandschuhen auch pfälzischen Riesling. Und so führten ihn seine Geschäftsreisen regelmäßig in die Region, wo er viele Freunde von früher antraf.

Ein Abstieg in die zweite Liga stand zu seinen aktiven Zeiten nicht zur Debatte. Der FCK gehörte mit Hellström zu den führenden Teams im Land, zweimal erreichte er mit dem Verein das Pokalfinale, zwischen 1979 und 1982 gab es zwei dritte und zwei vierte Plätze. Es herrschten stabile Verhältnisse in Kaiserslautern: Erich Ribbeck und Karl-Heinz Feldkamp hießen die Trainer, mit denen Hellström zu tun hatte.

Vor der WM 1974 stach den FCK den Mitbewerber Köln aus.

Hellström war als Torwart ein Vertreter der Kunstfliegerschule und ein kämpferischer Typ, der seine gepolsterte Uniform meistens in die Kochwäsche geben musste, nachdem er sie auf den nicht selten matschigen Rasenplätzen der 1970er Jahre stark beschmutzt hatte. Seine Reflexe und Reaktionen auf der Linie waren grandios, Schwächen wurden ihm in der Strafraumbeherrschung nachgesagt.

Hier kann Ronnie Hellström (rechts) einen Treffer des Münchners Gerd Müller nicht verhindern. (Foto: imago)

Der FCK hatte sich mächtig anstrengen müssen, um den damals 25-jährigen Schlussmann, der bei Hammarby IF im Amateurstatus spielte, unter Vertrag zu nehmen. Auch der 1. FC Köln interessierte sich für den blonden Mann, obwohl er bereits einen Torwart namens Harald "Toni" Schumacher in seinen Diensten hatte. Die Pfälzer gewannen das Rennen, weil ihr Präsident vor Beginn der WM 1974 nach Stockholm reiste und den Vertrag abschloss. Es war ein Glücksfall für alle Beteiligten: Hellström spielte mit der schwedischen Nationalmannschaft ein großartiges Turnier, erst beim 2:4 gegen den späteren Weltmeister Deutschland endeten die Ambitionen. Den schnauzbärtigen Mann, der wie ein Vogel durch die Luft zu fliegen verstand, kannte nun die gesamte Fußballwelt.

Skandinavier hatten damals Konjunktur in der Bundesliga. In Mönchengladbach gab es das dänische Sturmduo Alan Simonsen und Henning Jensen, beim FC Bayern den Schweden Conny Torstensson - und beim FCK traf Hellström auf den Landsmann Roland Sandberg, der ihm die Eingewöhnung in der fremden Welt erleichterte. Deutsch erlernte er recht schnell, wie er später erzählte, auch dank alter Schulkenntnisse. Für das Verständnis und den Gebrauch des Pfälzischen aber habe er schon ein paar Jahre gebraucht.

Heimisch wurde er dennoch schnell. Bis zu seinem, wie er fand, größten Spiel vergingen knapp acht Jahre: Im Rückspiel des Uefa-Pokals bekam es der FCK im März 1982 mit Real Madrid zu tun. Das Hinspiel ging 1:3 verloren, doch nach Toren von Friedhelm Funkel, Hannes Bongartz, Norbert Eilenfeldt und Rainer Geye zog der Außenseiter Kaiserslautern furios ins Halbfinale ein - um dort dann gegen den Außenseiter Göteborg auf der Strecke zu bleiben.

Zwei Jahre später verließ der schwedische Torwart zwar ohne Pokalgewinn, aber mit allerbesten Erinnerungen und Referenzen den Ort, der womöglich gerade im Begriff ist, wieder auf die Landkarte des deutschen Spitzenfußballs zurückzukehren. Bei der nächsten Aufstiegsfeier wäre Ronnie Hellström garantiert wieder Ehrengast gewesen.

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