1. FC Kaiserslautern:Tatsächlich: Gute Nachrichten vom Betzenberg

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Die Spieler des 1. FC Kaiserslautern bejubeln ein Tor gegen den SV Meppen. (Foto: Steven Mohr/Jan Huebner/Imago)

Mehr als zehn Jahre lang dominierten Meldungen über Krise, Absturz und Chaos die Geschichte des 1. FC Kaiserslautern. Nun geht es sportlich aufwärts, der Aufstieg erscheint möglich - wie konnte das passieren?

Von Martin Schneider

Vor ein paar Wochen schaffte es der 1. FC Kaiserslautern mal wieder auf eine große Bühne. Mark Cwiertnia - dessen Name kaum jemand kennt, weil Cwiertnia als Mark Forster Popmusik macht - hatte die Moderation einer Abendshow bei ProSieben übernommen, und das Konzept dieser Spiel-und-Quiz-Sendung sieht vor, dass sich jeder Moderator ein übergeordnetes Thema aussuchen darf.

Forster, geboren in Kaiserslautern, aufgewachsen im pfälzischen Winnweiler, wollte also seinen Lieblingsklub präsentieren. Er steckte die Show-Band in Lautern-Trikots, fuhr mit dem Mannschaftsbus vor, moderierte im Otto-Rehhagel-Trainingsanzug und erwähnte bei jeder Gelegenheit, was für ein toller Klub der FCK sei. Fünf Millionen Zuschauer guckten zu.

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Der Verdacht liegt nahe, dass auf dem heimischen Sofa viele dachten: Ach guck, Kaiserslautern, die gibt es ja auch noch, wo spielen die mittlerweile eigentlich? Die Antwort: Sie spielen jetzt das vierte Jahr dritte Liga, und nur dank eines Schlussspurts in der vergangenen Saison nicht Regionalliga. Der viermalige deutsche Meister mag immer noch viele Fans haben, auch Prominente. Sportlich ging es seit dem Bundesliga-Abstieg 2012 im Grunde konstant bergab, eine Krisenmeldung nach der nächsten, Finanzmisere, Niederlagen, Rücktritte, bis ... ja, bis jetzt.

Tatsächlich, es gibt zum ersten Mal seit zehn Jahren gute Nachrichten vom Betzenberg. Der FCK ist Tabellenzweiter, letzte Niederlage im Oktober, seitdem hat man sieben von neun Spielen gewonnen und nur zwei Gegentore kassiert. In der Winterpause hat der Klub den Stürmer Terence Boyd geholt, eine Art Simon Terodde der dritten Liga, also ein Angreifer, bei dem man mit einer gewissen Tore-Zahl quasi rechnen kann. Das Signal dieses Transfers ist vollkommen klar: Wir wollen zurück in die zweite Liga! Am besten sofort!

Da stellt sich natürlich die Frage: Was ist da los im Fritz-Walter-Stadion? Und einer, den man fragen kann, ist Felix Götze. Götze, 23, war eigentlich Bundesliga-Spieler, er traf mal für den FC Augsburg gegen den FC Bayern, verlor aber dann seinen Stammplatz, ging im Februar 2021 leihweise zum FCK und blickte mit einem tendenziell nervösen Traditionsverein Richtung vierte Liga. "Ja, entspannt ist was anderes", sagt Götze zur Situation damals. "Es war immer gut Druck da. Aber ich hatte schon Vertrauen, dass die Mannschaft das hinkriegt, sonst hätt' ich den Schritt auch nicht gemacht."

Götze hat eine durchaus turbulente Zeit hinter sich, nicht nur, weil der Klub sich dann doch noch rettete. Am vierten Spieltag der aktuellen Saison zog sich Götze im Spiel gegen Viktoria Berlin einen Haarriss im Schädel zu, landete auf der Intensivstation. "Da hab' ich zwischenzeitlich mein Gesicht nicht mehr gespürt, das war eine relativ heftige Erfahrung", sagt Götze.

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Kurz darauf blieb er im Spiel gegen Duisburg nach einem Zusammenprall wieder bewusstlos liegen, der gegnerische Torwart leistete erste Hilfe, stabile Seitenlage. Die Diagnose lautete diesmal "nur" Gehirnerschütterung, aber weil Götze auf einem Computertomographie-Bild die Folgen seiner ersten Kopfverletzung noch sah, zog er Konsequenzen und spielt nun mit Rugby-Helm.

Felix Götze, in Augsburg noch Verteidiger, wandert in Kaiserslautern auf dem Spielfeld tendenziell nach vorne, was er sehr gut kann, was sich sein Trainer Marco Antwerpen aber auch erlauben kann, weil seine Abwehr auch ohne Götze mit nur 13 Gegentoren in 23 Spielen die mit Abstand beste der Liga ist. "Wenn man Spiele immer wieder zu Null spielt, dann macht das irgendwann süchtig. Alles in allem ist es gerade eine super Phase", sagt Götze.

Um zu verstehen, wie der FCK in diese Phase gekommen ist, muss man in der Geschichte kurz zurückgehen, der Einfachheit halber nur bis zum Drittligaabstieg 2018. Der Klub war in der zweiten Liga schon in einer finanziell kaum stemmbaren Situation (Stadion zu groß, Schulden zu hoch), in der dritten Liga also erst recht. Es folgten die Ausgliederung der Profifußballabteilung und die Suche nach einem Investor. Doch der Schuldenstand schreckte Geldgeber ab, es folgten Episoden mit Streit, Ultimaten, Führungschaos, dann kam Corona, die Zuschauereinnahmen waren auch noch weg, der FCK stand wieder mal am Abgrund.

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Aber: In dieser Zeit setzte der DFB den Neun-Punkte-Abzug aus, der Klubs bei einem Insolvenzverfahren ereilt hätte. Ohne diese sportliche Hypothek eröffnete der FCK prompt ein Planinsolvenzverfahren (also ein Verfahren in Eigenregie), einigte sich mit den Gläubigern - und war im Oktober 2020 Verbindlichkeiten von über 20 Millionen Euro mehr oder weniger los. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten gab es eine Perspektive.

Ohne Schuldenberg am Betzenberg stieg eine Investorengruppe ein, die Saar-Pfalz-Invest GmbH, deren Geldgeber im weitesten Sinne in der Region ansässig sind, und von denen die Firma Theiss Naturwaren vielleicht die bekannteste ist, weil deren Produkt "Allgäuer Latschenkiefer" seit Jahren prominent vom FCK-Trikot grüßt. Die Gruppe kaufte 33 Prozent der Anteile für elf Millionen Euro. Kurz danach kam unter anderem Felix Götze.

Ist nun alles ruhig? Der FCK wäre nicht der FCK, wenn es so wäre. Geschäftsführer Sören Oliver Voigt, der den Klub durch das Insolvenzverfahren führte, verließ den Verein im November, Ex-Fifa-Schiedsrichter Markus Merk, der als Sprecher des Aufsichtsrats lange das prominenteste Gesicht im Verein war, trat im Dezember zurück. Kurz zuvor ließ sich Giuseppe Nardi, der Sprecher der Investorengruppe, im SWR auf die Frage, wie viel Einfluss die Geldgeber haben, mit dem schönen Ausspruch zitieren: "Es gibt ja eindeutig die 50+1-Regel. 50+1 bedeutet aber nicht, dass man nichts sagt." Und: "Wenn wir begründete Zweifel hätten, weil wir sehen, die Ergebnisse stimmen nicht, dann könnten wir eine Diskussion anstoßen." In den sportlichen Bereich werde man sich aber nicht einmischen.

Die Frage, wer beim FCK in welcher Position was zu sagen hat oder auch sagt, mag in Zukunft noch mal relevant werden, aber aktuell stimmen ja die Ergebnisse. Darum ist nun eher die Frage, wann man offensiv vom Aufstieg reden sollte. Trainer Antwerpen drückt sich auf Pressekonferenzen mit der gängigsten aller Floskeln ("von Spiel zu Spiel") um eine Aussage. Götze meint: "Ich denke, man sollte sich das Ziel so hoch wie möglich stecken."

Langfristig ist sowieso allen Beteiligten klar, dass nur ein Aufstieg den FCK am Leben hält. Die Erkenntnis ist nicht neu, neu ist nur, dass eine bessere Zukunft nun möglich erscheint - und der FCK vielleicht auch mal wieder mit einem Fußballspiel ein größeres Fernsehpublikum erreicht.

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