Klima:Klimawandel bedroht Ostafrikas Gletscher

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Nairobi (dpa) - Der Schnee des Kilimandscharo ist weltberühmt - und vom Klimawandel bedroht. Ganze Ökosysteme sind von den Gletschern der Berge Ostafrikas abhängig. Und sehr viele Menschen.

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Nairobi (dpa) - Der Schnee des Kilimandscharo ist weltberühmt - und vom Klimawandel bedroht. Ganze Ökosysteme sind von den Gletschern der Berge Ostafrikas abhängig. Und sehr viele Menschen.

Als Nikunj Shah zum ersten Mal den Mount Kenia bestieg, wickelte er sich Plastiktüten um seine Schuhe. So sollten die Füße beim Überqueren der Gletscher trocken blieben. Das war 1989, und Shah war damals 18 Jahre alt. Seitdem hat er den 5199 Meter hohen Berg 52 Mal bestiegen und kennt ihn wie seine Westentasche. Heute sei seine Ausrüstung besser und Schnee in den Stiefeln kein Problem mehr, sagt Shah: Die Gletscher des Mount Kenia sind fast verschwunden.

Ursache ist der Klimawandel. In den späten 80ern und 90ern waren die Bergsteiger jenseits des letzten Lagers nur noch im Schnee unterwegs, erzählt Shah. „Heute geht man nicht mehr im Schnee, sondern auf dem Felskamm.“

Der Mount Kenia, der Kilimandscharo in Tansania und das Ruwenzori-Gebirge in Uganda sind seit Jahrhunderten Anziehungspunkte in der Region. Bilder der schwarzen Gesteinsmassen mit ihren weißen Gipfeln zieren Banknoten und Bierflaschen. Touristen bringen jedes Jahr Hunderte Millionen Euro, in Kenia erwirtschaftet der Tourismus zwölf Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Etwa 30 000 Menschen besuchen jedes Jahr den Mount Kenia, wie der Chefwildhüter im Simon-Gitau-Nationalpark sagt. Das Land ist auch bei deutschen Besuchern beliebt: Nach Informationen des Tourismusministeriums in Nairobi besuchten es im Jahr 2010 etwa 63 000 Bundesbürger.

Der Blick auf Afrikas Gletscher allerdings könnte bald der Vergangenheit angehören. Die Schneegebiete werden von Jahr zu Jahr kleiner. Es sei möglich, dass sie ganz verschwinden, sagt Keith Alverson vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (Unep).

Am Mount Kenia etwa sind bereits acht der ursprünglich 18 Gletscher verschwunden. Eine Studie aus dem Jahr 2011 zeigt, dass der Lewis-Gletscher, der größte noch verbliebene, seit 1934 etwa 90 Prozent seines Volumens eingebüßt hat. Als deutsche Forscher 1880 die Eiskappe des Kilimandscharo vermaßen, war sie 20 Quadratkilometer groß. 2009 waren auf Afrikas höchstem Berg (5895 Meter) nur noch weniger als zwei Quadratkilometer Eis.

Man könne nicht genau voraussagen, wann das Eis ganz verschwunden sein werde, sagt Alverson. Es könnte schon in einem Jahrzehnt soweit sein. Nach Angaben des Weltklimarats IPCC schmelzen derzeit in allen Weltregionen Gletscher ab, besonders schnell unter anderem in den USA, Westkanada und Mitteleuropa. Zudem nehme die Geschwindigkeit der Gletscherschmelze insgesamt zu.

Bergsteiger wie Shah brauchen keine Klimamodelle oder Satellitenbilder: „Ich habe mit meinen eigenen Augen gesehen, wie der Gletscher kleiner wird“, sagt er mit Blick auf den Lewis-Gletscher. Bewusst wurde ihm dies 2008. Nach einem Sturm ragten Felsen aus dem Schnee - an einer Stelle, wo es zuvor immer eine durchgehende Schneedecke gegeben hatte.

Es gibt zwei Theorien für das Verschwinden der ostafrikanischen Gletscher: Entweder schmelzen sie direkt aufgrund der steigenden Temperaturen, oder die Verdunstung steigt wegen sich ändernder Wetter- und Niederschlagszyklen. „Aber in jedem Fall hat es mit dem vom Menschen verursachten Klimawandel zu tun“, sagt Alverson. „Das ist nicht nur eine natürliche Schwankung.“

Das Verschwinden der Gletscher wirkt sich auf Ökosysteme und die Landwirtschaft in den Tälern aus, die auf das Wasser der jährlichen Schneeschmelze angewiesen sind. Wenn die Gletscher schmelzen, werde es zunächst mehr Wasser und in der Folge auch mehr Landwirtschaft geben, sagt Alverson. „Aber wenn das Wasser weg ist und sie nur noch vom Regen abhängen, wird das unberechenbarer.“ Die Berge versorgen auch einige von Afrikas bekanntesten Naturschutzgebieten mit Wasser.

Nur eine drastische Reduktion der weltweiten Kohlendioxidemissionen könne die Gletscher retten, meinen Umweltschützer. Auch beim UN-Klimagipfel in New York am 23. September werden die Gletscher wieder Gesprächsthema sein.

Die Gletscherschmelze könnte in Afrika selbst wohl allenfalls gebremst werden: Eine Möglichkeit wäre, Emissionen von schwarzem Rauch - verursacht durch Autoabgase oder das Verbrennen von Kohle - zu reduzieren. Die Rußpartikel lagern sich auf den Gletschern ab und beschleunigen die Schmelze. Gletscher mit Plastikplanen abzudecken, wie dies in Europa mancherorts gemacht wird, ist zu teuer für Kenia oder Tansania.

Für Shah ist der Berg seine zweite Heimat, ob mit oder ohne Schnee. Trotzdem ist er betrübt: „Die Welt wird die beeindruckende Schönheit der ostafrikanischen Berge verlieren.“

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