Umweltschutz auf neuem Kreuzfahrtschiff:Phantastisch, dieser Mülltrennungsraum

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Sie ist länger und größer als ihre Vorgänger und in nordisch klarem Chic gehalten: die Cafe-Lounge auf der neuen Mein Schiff 3. (Foto: Tui Cruises)

Die "Mein Schiff 3" will umweltfreundlicher sein als alle andere Kreuzfahrtschiffe - und versucht, so viel wie möglich an Bord zu entsorgen. Von all dem kriegen die Gäste aber wenig mit. Das Ambiente ist elegant, mit nordischem Chic und Retro-Design.

Von Kristina Läsker

Wer nach seinem liebsten Ort auf der Mein Schiff 3 gefragt wird, könnte viele Plätze beschreiben. Etwa diese orangefarbene Chaiselongue in einem Café im Heck des Kreuzfahrtschiffs, wo man verweilen und auf das schäumende Meer schauen kann. Oder das Spa vorne im Bug, wo es nach Lavendel riecht und nach Ingwer-Tee. Oder den Ausguck auf Deck 15. Dort steht ein metergroßes Erdmännchen aus Plastik, und es beäugt - so scheint es - den ganzen Luxus, diese auf retro gemachten Cafés und diese asiatisch angehauchte Wellness-Welt mit leiser Ironie.

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Von all dem ließe sich schwärmen, doch Milos Grgic hat keinen Sinn dafür. "Mein liebster Ort ist der Mülltrennungsraum", sagt er. "Der ist einfach phantastisch."

Der schlanke Serbe im weißen Hemd muss wohl so unromantische Dinge sagen: Grgic ist Umweltoffizier, auf seinen Schultern prangen drei goldene Streifen - das ist viel für einen, der erst 27 Jahre alt ist. Grgic hat Umweltmanagement studiert, und ihn treibt eine Mission: Er möchte zeigen, dass sein Arbeitgeber es jetzt ernst meint mit dem Umweltschutz. Denn Tui Cruises hat ein Kreuzfahrtschiff gebaut, das grüner sein will als andere. "Wir sind ein Vorbild für die ganze Industrie", schwärmt Grgic. Was dringend nötig wäre: Die meisten Hotelschiffe sind schwimmende Dreckschleudern, die giftige Abgase ausstoßen.

Gebaut hat Mein Schiff 3 die STX-Werft in Turku, vor gut einem Jahr war Kiellegung in Finnland. Nun ist das Schiff auf Jungfernfahrt von Hamburg nach Mallorca. Zehn Tage dauert die Reise, an Bord riecht vieles neu. Gut 2500 Menschen haben eingecheckt; die Reise war ausgebucht, lange bevor in Turku der erste Stahl geschnitten war. Auf den Gängen hört man die Gäste vergleichen. Denn die Mein Schiff 3 ist länger und größer als ihre Vorgänger. Es dominieren nordisch klarer Chic und kalte Töne: blau, braun, Chrom. Passagiere staunen über hohe Decken in den Decks 4 und 5, wo Restaurants und Unterhaltung - wie der mit Hightech vollgepumpte Konzertsaal - untergebracht sind, und über den 25 Meter langen Swimmingpool.

Es ist weltweit das erste Becken an Bord, in dem man so richtig schwimmen kann. Manche wundern sich über die neuen Glaskästen wie den mit dem lebensgroßen Blauwal. Als erster Luxusliner bietet Mein Schiff 3 ein maritimes Museum mit wissenschaftlichem Anspruch.

Das gut 300 Meter lange Schiff ist dunkelblau gestrichen, in heller Schreibschrift prangen Urlaubswörter auf dem Rumpf, wie "Fernweh" und "Wohlfühlen". Backbords steht "Neuland" - und dorthin geht es nun mit Umweltoffizier Grgic. Er öffnet eine Stahltür, auf der "Crew only" steht. Dahinter ist die Welt der 1000 Besatzungsmitglieder. Linoleum statt Teppiche, Neonlicht statt Halogen, Alltag statt Urlaubssause. Ein schlichter Fahrstuhl rauscht tief hinab auf Deck 2. Keine Fenster, hinter der Wand ist das Meer.

Die Rezeption des Mein Schiff 3: Es dominieren nordisch klarer Chic und kalte Töne: blau, braun, Chrom. (Foto: René Supper; Tui Cruises)

Leichter Gestank weist den Weg zur Mülltrennung. Aluminium-Rohre führen von oben herab. Plötzlich rauscht es wie bei einer Vakuum-Klospülung im Flugzeug. "Das sind Essensreste aus den Küchen", sagt Grgic. Mit Druck werden sie in die Unterwelt gesaugt: Honigmelonen-Schalen, weiße Bohnen, Brötchen vom Buffet landen in Tanks. Alles Flüssige wird hinausgepresst, gereinigt und ins Meer geleitet. Das ist zwölf Meilen außerhalb der Küste erlaubt. Die Reste werden erhitzt und zerkleinert, das meiste wird verbrannt. Die Aufbereitung des Mülls soll die Umwelt schonen - und Geld sparen. Alles, was an Bord entsorgt wird, muss nicht in Häfen an Fremdfirmen übergeben werden.

Änderungen gibt es auch beim Umgang mit Abgasen: Mein Schiff 3 werde bis zu 99 Prozent weniger Schwefel ausstoßen als die Vorgänger und weit weniger Stickoxide, sagt Harald Zeiss, Professor für Tourismusmanagement an der Hochschule Harz und Berater von Tui Cruises. Zudem sollen bis zu 60 Prozent weniger krebserregende Rußpartikel in die Luft gelangen. Und es wird kräftig Strom gespart: Das Schiff werde 30 Prozent weniger Energie verbrauchen, sagt Zeiss. "Tui Cruises hat einen großen Schritt gemacht." Laut Reederei kosten die Maßnahmen einen kleinen zweistelligen Millionenbetrag. Das ist im Vergleich zum Gesamtetat nicht viel: Mein Schiff 3 soll etwa 300 Millionen Euro gekostet haben, heißt es in der Branche.

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Es ist Abend, das Schiff fährt durch den Ärmelkanal. Draußen leuchten die Felsen von Dover, drinnen im Restaurant Atlantik leuchten viele weiße Haarschöpfe. Die Touristen sind im Schnitt 50 Jahre alt; die geburtenstarken Babyboomer sind die Zielgruppe der Mein Schiff 3. Frauen in Kleidern und Männer in Anzügen sitzen an den Tischen. Viele sind zurecht gemacht, obwohl es weder Dresscode noch Sitzordnung gibt. Im Atlantik wird bedient, "Premium All Inclusive" heißt das Konzept an Bord. Egal, ob serbischer Bohneneintopf mit Fenchel oder Caipirinha: Speisen und Getränke sind in den meisten der elf Restaurants und zwölf Bars umsonst. Aber es gibt Ausnahmen: Für Champagner muss ebenso gezahlt werden wie für Sushi oder Steak in einem der drei Bezahlrestaurants im Heck. Irgendwo gibt es immer Essen. Wer möchte, kann morgens mit Eiscreme am Pool beginnen oder nachts um vier noch Pommes im Bistro bestellen.

Die zusätzlichen Kosten für den Umweltschutz bemerken die Gäste selten. Die Preise - gut 180 Euro im Schnitt pro Tag - wurden nicht erhöht. "Nur wenige Touristen wären bereit, für Umweltschutz mehr zu zahlen", sagt Nachhaltigkeitsexperte Zeiss. Tui Cruises lässt die Gäste allerdings auch nur wenig mithelfen: Lediglich die Minibar in den Kabinen fehlt, das spart Strom. Anstelle von Plastikflaschen stehen in den 1250 Zimmern jetzt Karaffen - und es wird darauf hingewiesen, dass sich im Gang ein Wasserspender befindet.

Das Schiff ist gerde auf Jungfernfahrt von Hamburg nach Mallorca: die Junior Suite. (Foto: Tui Cruises)

Inzwischen schippert das Schiff mit gut 15 Knoten gen Atlantik. Auf der Brücke steht Kapitän Kjell Holm, 64 Jahre alt. Der ruhige Finne fährt seit fast 50 Jahren zur See. Er lobt den sorgsameren Umgang mit den Abgasen, die eigens entwickelten Katalysatoren und die neue Entschwefelungsanlage, den Scrubber. "Alles, was technisch machbar ist, haben wir gemacht", betont Holm. Das aber sehen nicht alle so. Kritik kommt vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Tui Cruises habe die Chance verstreichen lassen, den Schadstoffausstoß in vollen Umfang zu reduzieren, klagt Verkehrsexperte Dietmar Oeliger. Die Reederei, kritisiert er, setze nach wie vor keine Rußpartikelfilter ein. Nur solche Filter könnten die ultrafeinen, gesundheitsgefährdenden Partikel entfernen.

Oeliger ärgert zudem, dass der Dampfer weiter mit giftigem Schweröl fährt statt mit Marine-Diesel. Schweröl enthält bis zu 3500-mal mehr Schwefel als Lkw-Diesel, ist aber rund 30 Prozent billiger als Marine-Diesel. Um Geld zu sparen, fahren viele Reeder mit der schwarzen klumpigen Masse, die übrig bleibt, wenn Rohöl raffiniert wird. Nur für wenige Gebiete wie Nord- oder Ostsee gelten strenge Auflagen.

Kapitän Holm weist die Kritik von Umweltschützern zurück. Dass Mein Schiff 3 weiter Schweröl einsetze, sei vollkommen richtig, sagt er. Schließlich reinige die neue Entschwefelungsanlage die Abgase so stark, dass viel weniger Schwefel als vorher in die Luft gelange. Auch sei es gar nicht möglich, die geforderten Filtersysteme einzubauen. "Uns ist kein Rußpartikelfilter bekannt, der im Markt erhältlich ist."

Für Reedereien wie Tui Cruises sind neue Technologien wie der Scrubber eine Chance, strengere Umweltauflagen zu erfüllen und trotzdem weiter billiges Schweröl zu tanken. Von 2015 an dürfen Schiffe innerhalb bestimmter Zonen weltweit nur noch mit Treibstoff fahren, der einen minimalen Schwefelgehalt hat. Alternativ können die Schiffsbetreiber dafür Entschwefelungsanlagen einsetzen. "Hier ist nicht der Umweltschutz ausschlaggebend, hier geht es vorrangig um die Kosten", sagt Verkehrsexperte Oeliger.

Doch wie arbeitet so ein Abgaswäscher überhaupt? Dazu geht es zurück in die Unterwelt von Offizier Milos Grgic, hinab auf Deck 2. Hier sitzt das Herz des Schiffes, hier rattern gewaltige Dieselmotoren. Über 14 Decks erstreckt sich der teils vier Meter breite Scrubber, der wie eine riesige Dusche funktioniert: Auf hoher See rieselt Meerwasser auf die Abgase. Die Alkalien im Wasser binden Schwefel und Rußpartikel ohne chemische Zusätze. Danach wird das verunreinigte Seewasser solange verdünnt, bis es ins Meer zurückgeleitet werden darf. Stickoxide und Rußpartikel werden durch Katalysatoren reduziert. Die im Schweröl enthaltenen Schwermetalle und Giftstoffe jedoch müssen später an Land als Sondermüll entsorgt werden.

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Am ersten Abend auf See steht die Führungscrew auf der Bühne im großen Theater. Der Saal ist voll, die gut tausend Plätze belegt, Kapitän Holm stellt seine Offiziere vor. "Muppet Show" nennen sie das intern, nicht alle Mitarbeiter mögen den öffentlichen Auftritt. Auch Milos Grgic lächelt gequält. Am liebsten würde er den Leuten wohl von seiner Mülltrennung vorschwärmen oder vom Abgaswäscher. Doch als Kapitän Holm ihm das Mikro hinhält, reicht es nur für einen kurzen Satz. "Ich wünsche Ihnen einen umweltfreundliche Reise."

Aktuelle Reisen auf der Mein Schiff 3 , z. B. durch das Mittelmeer, ab 896 Euro pro Person, www.tuicruises.de

© SZ vom 26.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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