Übernachten am Flughafen:"Schlecht bewertete Airports müssten dankbar sein!"

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Der nächste Flug startet erst in einigen Stunden oder am nächsten Tag, der Passagier ist aber jetzt müde. Auf Donna McSherrys Website werden die besten Flughäfen zum Übernachten gekürt - und vor den schlimmsten gewarnt.

Dominik Prantl

Alle reden über Berlin-Brandenburg - dabei gibt es so viele fertige Flughäfen. Eines der beliebtesten Internetportale zum Thema betreibt die Kanadierin Donna McSherry: Auf ihrer Website sleepinginairports.net können sich vom Jetlag geplagte Weltreisende über Schlafgelegenheiten in Flughäfen informieren, die eigenen Erfahrungen an Leidensgenossen weitergeben und einmal jährlich die besten und schlechtesten Flughäfen für längere Aufenthalte und Übernachtungen wählen.

Donna McSherry legt häufiger mal eine Nacht am Flughafen ein. Seit 1996 betreibt sie eine Internetseite, auf der Airports nach Komfort bewertet werden. (Foto: privat)

SZ: Haben Sie selbst eigentlich schon einmal auf einem Flughafen geschlafen?

McSherry: Natürlich. Darum geht es ja bei der ganzen Sache.

SZ: Okay, dann fangen wir von vorn an. Wann war Ihr erstes Mal?

McSherry: Das war 1994 in Dublin. Ich war gerade 19, mein Flug ging früh morgens und ich wollte kein Geld fürs Hotel ausgeben. Also habe ich am Flughafen übernachtet - und richtig gut geschlafen. Bei den folgenden Trips - in die Schweiz, beim Umsteigen in Frankfurt - habe ich dann bald festgestellt, dass sich einige Flughäfen zum Schlafen besser eignen als andere. 1996 startete ich die Website, mehr zum Spaß, mit gerade einmal drei Flughafen-Bewertungen. Aber schließlich begannen die Leser, ihre Geschichten zu schreiben. Heute umfasst die Website mehr als 1000 Flughäfen, Bahnhöfe und Bushaltestellen.

SZ: Warum schlafen Ihre Leser auf Flughäfen? Um Geld zu sparen?

McSherry: Am Anfang richtete sich die Seite tatsächlich vor allem an Leute, die günstig reisen wollen, Rucksacktouristen zum Beispiel. Gerade die Billigflüge starten meist früh, und manchmal von Flughäfen ohne Hotel in der Nähe. Irgendwann umfasste unsere Zielgruppe auch Reisende, die wegen eines Hurrikans, Schneesturms oder Vulkans feststeckten - und kein Hotelzimmer mehr bekommen konnten. Unser Angebot ist ja auch für jene gedacht, die acht, zehn Stunden auf Anschlussflüge warten und wissen wollen, wo sich die besten Restaurants und Plätze für eine Pause befinden.

SZ: Flughafensessel sind meist nicht wirklich einladend.

McSherry: In Schalensitzen mit Armlehnen lässt sich nie gut schlafen. Aber die Leute sind einfallsreich. Sie bringen Schlafsäcke mit, legen sich auf den Boden, auf Transportbänder, in Restaurants. So lange sich die Leute benehmen und sauber bleiben, ist das Flughafen-Personal meistens ziemlich tolerant.

SZ: Einige Flughäfen stellen angeblich Feldbetten zur Verfügung.

McSherry: Aber nur bei Streiks oder Wetterkapriolen und sicher nicht bei einer durchschnittlichen Nacht.

SZ: Wie kann man sich auf eine durchschnittliche Nacht vorbereiten?

McSherry: Eine Decke ist essenziell, dazu Ohropax oder Kopfhörer mit Musik gegen möglichen Lärm. Erkunden Sie außerdem den Flughafen, bevor Sie sich hinlegen. Und gerade wenn Sie alleine reisen, sollten Sie keine dunkle und unüberwachte Ecke wählen, sondern einen Bereich, in dem andere Fluggäste schlafen.

SZ: Auf Ihrer Website häufen sich Berichte von groben Sicherheitsbeamten, stinkenden Sesseln, Diebstahl, ekelhaften Toiletten. Haben Sie selbst schon schlechte Erfahrungen gemacht?

McSherry: Zum Glück noch nicht. Vor einigen Jahren habe ich auf dem Charles-de-Gaulle-Flughafen in Paris übernachtet - weil er auf der Website so kläglich eingestuft worden war. Die User waren vor allem wegen der vielen Obdachlosen beunruhigt. Ich habe genau in dem Bereich übernachtet, der die meiste Kritik erhalten hatte. Die Security erklärte mir dort, dass sie Verständnis für meine Lage hätten, aber diese Ecke nicht besonders geeignet sei. Sie haben mir dann einen anderen Platz empfohlen. Fand ich gut.

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Bänke mit Armlehnen, dreckige Toiletten, rüdes oder sogar kriminelles Flughafenpersonal: Eine Nacht am Flughafen kann zur Tortur werden, vor allem auf diesen zehn Airports.

Daniela Dau

SZ: Sie küren auch die besten und schlechtesten Flughäfen des Jahres 2012. Welche sind die Favoriten?

McSherry: Die asiatischen Flughäfen belegen normalerweise die vordersten Plätze, weil sie für den Transit ausgelegt und deshalb sehr kundenfreundlich sind. Singapur steht seit 16 Jahren an der Spitze. Dort passt alles, die Infrastruktur, die Ruhezonen, das Essen. Es gibt freies Wifi, Gebetsräume, Spa, Massage, Videofilme. Und es wird immer besser. Bei den schlechtesten Flughäfen ist eine Prognose schwieriger. Das hängt ein wenig davon ab, wie viele wählen. Vergangenes Jahr nahmen 10.000 User an der Wahl teil. Heuer werden es noch mehr sein.

SZ: Der Gewinner erhält den "Golden Pillow Award", das Goldene Kissen.

McSherry: Das ist mehr ein Spaß, ein Symbol. Ich denke kein Flughafen möchte dafür bekannt sein, dass man dort besonders gut übernachten kann. Und eigentlich müssten jene, die am schlechtesten bewertet werden, dankbar sein. Dort gehen die Leute nämlich ins Hotel. Deshalb haben wir die Wahl neuerdings etwas weiter gefasst und fragen beispielsweise nach dem besten Transitflughafen.

SZ: Wie reagieren die Flughäfen auf die Wahlergebnisse?

McSherry: Mir ist bekannt, dass die Flughäfen die Wahlen durchaus beachten. Gerade beim Transit will keiner schlecht abschneiden. Manila hat angeblich sogar Verbesserungen geplant, nachdem ein Teil des Flughafens so miserabel bewertet wurde. Ob wirklich was passiert ist, weiß ich aber nicht.

SZ: Im Sommer werden einige Sportveranstaltungen stattfinden: die Fußball-EM in Ukraine und Polen, die Olympischen Spiele in London. Sind die Flughäfen dort eine Option, um Geld zu sparen?

McSherry: Ich weiß, dass die Leute bei Olympia 1996 in Atlanta auf dem Flughafen übernachtet haben. Heutzutage ist das nicht mehr so einfach, weil Sie den Sicherheitsbeamten eigentlich ein Flugticket für den folgenden Tag zeigen müssen. Aber das hängt vom Airport ab - und davon, wie viel Sie jammern.

© SZ vom 16.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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