Tourismus-Botschafter:"Wenn Sie nett fragen, dürfen Sie vielleicht auf meinem Grund campen"

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Skandinavische Idylle: Schweden hat weitaus mehr zu bieten als Köttbullar und Blockhäuser, zum Beispiel - wie hier in Falkenberg - schöne Strände. (Foto: mauritius images)

Der schwedische Tourismusverband hat eine Nummer freigeschaltet, unter der man zufällig mit einem Bürger verbunden wird. Anruf bei Ørjan Danielsson, einem ganz normalen Schweden.

Interview von Hans Gasser

Die besten Reiseführer sind nicht die Bücher, die man kaufen kann, sondern die Einwohner selbst - jeder Weltenbummler weiß das. Der Schwedische Tourismusverband hat deshalb nun eine Telefonnummer freigeschaltet, unter der man nicht mit einem Mitarbeiter oder PR-Menschen verbunden wird, sondern per Zufallsgenerator mit einem ganz normalen Bürger, einem von gut 3000 Schweden, die sich als Tourismus-Botschafter registriert haben. Wenn man also von Deutschland aus die 0046/ 771/ 793336 wählt, dann landet man zum Beispiel bei Ørjan Danielsson, einem Mann aus der Kleinstadt Falkenberg, der beruflich Kartoffeln verpackt und gerade Mittagspause hat.

SZ: Störe ich Sie beim Mittagessen?

Ørjan Danielsson: Nein, ich esse erst in zwei Minuten.

Dann haben wir ja viel Zeit. Wurden Sie schon oft angerufen?

Ich habe mich vor einer Stunde als "Botschafter" registrieren lassen, seither hatte ich fünf Anrufe. Zwei Russen, zwei Deutsche, ein Türke. Einer der Deutschen vor Ihnen war vom Fernsehen, ZDF glaube ich.

Sind denn die 2999 anderen schwedischen Telefonbotschafter gerade beim Kötbullar-Essen und nicht erreichbar?

Da könnten Sie recht haben! Wir können natürlich die Verbindung außer Funktion setzen, sonst kämen wir ja gar nicht mehr zum Arbeiten - oder zum Essen.

Jetzt können Sie mal loswerden, was sie Deutschland schon immer mitteilen wollten über Ihr Land.

Oh, das ist so viel! Wenn ich nur an meine Region denke, die Westküste, dann fallen mir die wunderschönen Strände ein, die wir hier rund um Falkenberg haben. Wir haben sehr schöne Sommer, die Leute sind offen und freundlich.

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Schöne Sommer? Geben Sie doch zu, dass es ständig regnet!

Nein, das stimmt wirklich nicht. Jedenfalls nicht immer. Vor drei Jahren hatten wir einen wirklich traumhaften Sommer, im Mai schon 30 Grad. Okay, das Wetter hat sich seitdem natürlich verändert, aber wir haben hier oft angenehme 25 Grad, Sonne und wenig Wind.

Was zahlt Ihnen die schwedische Tourismuswerbung dafür?

Nichts. Ich bekam auch keine Anweisungen von denen. Ich fand es einfach eine super Idee, dass ganz normale Leute aus aller Welt ganz normale Schweden anrufen können, um Dinge über das Land zu erfahren.

Bestes Sozialsystem, bestes Schulsystem, freundlichste Menschen: Ihr Schweden seid ein bisschen die Streber Europas. Gibt es gar nichts, was schief läuft?

Hm. Doch, das gibt es. Das Gesundheitssystem könnte besser sein. Viele Ärzte und anderes Personal werden entlassen, um die Krankenhäuser wirtschaftlicher zu machen. Patienten müssen mehrere Stunden warten, wenn sie in die Notaufnahme kommen. Manchmal stehen die Betten auf dem Flur, weil es nicht genug Zimmer gibt.

Hört sich an wie in Deutschland. Sonst noch was? Naturfrevel?

Nein, die Natur ist o. k. hier. Wir haben das sogenannte Jedermannsrecht. Die Natur steht allen offen. Das bedeutet, Sie können Ihr Zelt aufstellen, wo Sie wollen, 24 Stunden lang, ohne dass Sie den Landeigentümer um Erlaubnis fragen müssen.

Dürfte ich also in Ihrem Garten in Falkenberg mein Zelt aufstellen?

Gemeint ist eher die Wildnis, der Wald, oder eben die öffentlichen Strände, da können Sie das machen. Wenn ich jetzt heimkomme, und da steht ein Zelt in meinem Garten, würde ich die Leute schon fragen, warum. Wenn sie nicht einen sehr guten Grund hätten, würde ich sie auffordern, mein Grundstück zu verlassen.

So weit ist es also her mit der schwedischen Gastfreundschaft.

Wenn Sie mich nett fragen, dürften Sie vielleicht auf meinem Grund campen.

© SZ vom 12.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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