Reisebuch "Reiseziel Weltraum":Die Welt ist nicht genug

Lesezeit: 3 min

Die Welt von oben, ein "erhabener Blick", wie der Astronaut Ulrich Walter ihn bezeichnet. (Foto: Shutterstock)

Der ehemalige Astronaut Ulrich Walter kann jedem nur empfehlen, selbst mal ins All zu fliegen. Deshalb hat er einen Reiseführer mit praktischen Tipps geschrieben.

Rezension von Stefan Fischer

Die ganze Welt gesehen zu haben - für viele Menschen ist das ein Traum. Und wie so oft im Leben gilt auch hier: Je mehr Geld man zur Verfügung hat, desto weniger Zeit benötigt man. Wer es sich also leisten kann - für einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag -, als Tourist auf die Internationale Weltraumstation ISS zu fliegen, der braucht schlappe zwei Wochen, um mit großer Wahrscheinlichkeit alle bewohnten Regionen der Erde wenigstens einmal gesehen zu haben. Wenn auch nur aus einer Distanz von etwa 400 Kilometern und für einen sehr flüchtigen, im wahrsten Sinne rein oberflächlichen Eindruck.

Ulrich Walter, seit zwanzig Jahren Inhaber des Lehrstuhls für Raumfahrttechnik an der Technischen Universität München, war nie auf der ISS - die gab es zu seinen aktiven Zeiten als Astronaut noch nicht. Aber der Physiker Walter war im All, zehn Tage lang umkreiste er im Frühjahr 1993 an Bord der Raumfähre Columbia die Erde und führte währenddessen mehrere Dutzend Experimente durch. Als die drei Höhepunkte dieser - ja: Reise - nennt Walter in seinem Buch "Reiseziel Weltraum" neben dem Start der Rakete und dem Erleben von Schwerelosigkeit den erhebenden Blick auf die Erde.

Der Autor ist in Sachen Weltraum ein Enthusiast, nach wie vor begeistert er sich für das All und die Raumfahrt, auch wenn seine aktive Zeit bereits 30 Jahre zurückliegt. Und er kann aus seiner eigenen Erfahrung heraus allen nur empfehlen, ebenfalls einmal aufzubrechen in jenen abenteuerlichen Bereich außerhalb der Erdatmosphäre: "Wer Abstand gewinnt, sieht die Dinge des Lebens anders", schreibt er, eine so banale wie eben auch wahre Einsicht. Der Charme seines Buches, laut Untertitel der ultimative Guide zu den Sternen, ist die Nonchalance, mit der Walter berichtet. Ihm ist vollkommen klar, dass eine touristische Reise ins All auf absehbare Zeit nur einigen wenigen sehr reichen Menschen vorbehalten sein wird. Aber das soll der eigenen Fantasie, der eigenen Sehnsucht doch bitteschön keine Grenzen setzen.

Orientierung auf Flugreisen
:Verrückte Welt

Chicago am Mittelmeer und Bukarest in Island: Wie Turkish Airlines das Fliegen wieder zu einem Abenteuer werden lässt.

Glosse von Stefan Fischer

Schließlich befassen sich etliche Menschen auch mit dem Mount Everest in dem Wissen, dass sie den höchsten Berg der Welt selbst nie besteigen werden. Und der Punkt ist eben der - siehe Mount Everest: Eine Reise ins Weltall ist mittlerweile real möglich. Auch wenn sie an ziemlich viele Bedingungen geknüpft ist, was sie praktisch für viele Menschen definitiv unrealistisch macht. Aber immerhin hat der Designer Philippe Starck bereits Entwürfe für Weltraum-Hotelzimmer geliefert.

Insofern spielt Ulrich Walter schon einmal die möglichen Optionen durch, ernsthaft, aber eben immer auch mit einer lakonischen Wir-tun-jetzt-mal-so-Haltung: Wir tun jetzt mal so, als wären Sie reich genug. Wir tun jetzt mal so, als würden jeden Tag so viele Raumflüge zur ISS gehen wie Urlaubsflüge von München nach Mallorca. Wir tun jetzt mal so, als würden die medizinischen Tests ergeben, dass Ihr Kreislauf stabil bleibt, auch wenn das Fünffache der Erdbeschleunigung auf ihren Körper einwirkt, und Sie also in der Startphase der Rakete sehr wahrscheinlich nicht in Ohnmacht fallen.

SZ PlusBadeurlaub an Nord- und Ostsee
:Zehn Lieblingsstrände im Norden

Es muss nicht immer die Adria sein: Rund um Nord- und Ostsee laden wunderbare Strände zum Entspannen ein. Wo es am schönsten ist - und was man dort noch alles erleben kann.

Von SZ-Autorinnen und SZ-Autoren

Stellt man ein paar dieser Parameter für einen Augenblick hintenan und befasst sich aus verständlicher Lust und Laune heraus einmal durchaus ernsthaft mit dem Gedanken, demnächst vielleicht mal nicht nach Bali zu fliegen, sondern weg von der Erde, dann hat Ulrich Walter tatsächlich ein paar wertvolle Tipps: Allein bei der Frage, wann man sich definitiv im All befindet und ob jeder Parabelflug, während dessen man für ein paar Sekunden schwerelos ist, automatisch als Reise in den Weltraum zu klassifizieren ist, verlangt nach einer qualifizierten Aufklärung.

Walter weiß: Nicht nur bei der Buchung von Pauschalurlauben an die türkische Riviera oder nach Gran Canaria tut man gut daran, die sogenannte und in der Regel extrem beschönigende Katalogsprache dechiffrieren zu können. Das gilt genauso auch für Werbebroschüren von zum Beispiel Virgin Galactic, wo von sensorischer Sättigung die Sprache ist, wo eigentlich gemeint ist, dass Körper und Sinne in einen definitiv unguten Zustand von Übelkeit und Verwirrung gelangen können bei einem realen oder auch nur vermeintlichen Weltraumabenteuer.

Im Gewand eines Reiseführers also ist "Reiseziel Weltraum" ein unterhaltsames, gleichwohl sehr kundiges Buch über vor allem die vermeintlich banaleren, weil lebenspraktischen Aspekte der Raumfahrt. Wer langfristig denkt und bereits Nachfahren im Blick hat, die noch gar nicht geboren sind: In hundert Jahren, genauer am 9. Juni 2123, empfiehlt es sich, auf dem Mond zu sein: um eine spezielle Sonnenfinsternis zu beobachten, wenn die Sonne nämlich, vom Mond aus gesehen, vollständig hinter der Erde verschwinden wird. Am besten bald buchen.

Ulrich Walter : Reiseziel Weltraum. Der ultimative Guide zu den Sternen. Polyglott im Gräfe und Unzer Verlag, München 2023. 224 Seiten, 19,99 Euro.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusFerien
:Warum müssen wir immer über den Urlaub reden?

Beim Friseur, unter Freunden und sogar bei Fremden: Ständig sind die Ferien das Thema - als gäbe es nichts Wichtigeres. Ein dringendes Plädoyer für eine andere Smalltalk-Kultur.

Von Max Scharnigg

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: