Reiseziel Tunesien:Ein neues Aushängeschild für den Sahara-Tourismus?

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Tunesien

Touren auf Dromedaren gehören seit jeher zum Programm in Tunesiens Wüste. Seit 2018 kommen auch wieder mehr Gäste.

(Foto: Anja Martin)

Vielleicht haben die Tunesier ja recht. Wieso sollen sie sich mit schnell hingezimmerten Filmkulissen beschäftigen, während die Wohnhöhlen und Speicher der Berber Jahrtausende überdauern? Wer durch den Süden fährt, etwa ins Dahar-Gebirge, merkt irgendwann, dass die Landschaft nicht so unbewohnbar ist, wie sie aussieht. An manchen Bergkuppen kann man Löcher erkennen. Mehrere Meter tief gruben die Menschen ihre Wohnungen und Speisekammern in den Fels. Douiret, 20 Kilometer südwestlich von Tataouine, ist eine solche Felsenburg. Früher war dies die wichtigste Stadt der Gegend, in der die großen Karawanen haltmachten. Heute lebt im alten Teil des Dorfes keiner mehr.

Besser sieht es im Nachbarort Chenini aus, wo noch 123 Familien leben und viele Ghorfas bewohnt sind. Es könnte bald zum Unesco-Weltkulturerbe werden. Um die begehrte Auszeichnung zu erhalten, müsste aber einiges, wofür die Menschen in Chenini dankbar sind, wieder versteckt werden. "Die Stromleitungen etwa", sagt Habib Belhedi, ein Zahnarzt, der in Tataouine lebt, sich aber in Chenini engagiert, ein Restaurant betreibt und eine Höhlenpension eröffnet hat. In den 700 Jahre alten und bis zu 18 Meter tiefen Zimmergrotten fühlt man sich wie ein Archäologe. Eine Art Spielbrett aus gleichförmig angeordneten Löchern findet sich im ausgewaschenen Boden. Hinten ist eine Hochzeitskammer, die nur einmal nach der Heirat benutzt wird. Danach verstaut man darin alles Wertvolle. An der Decke sind Versteinerungen von Muscheln, denn vor 200 Millionen Jahren war hier ein Meer. Beinahe hätte der Starrsinn der Behörden zur Folge gehabt, dass man die Fossilien nicht mehr sehen kann. "Man wollte von mir, dass ich eine Stahlbetondecke über die Höhlendecke lege", erinnert sich Belhedi kopfschüttelnd. "Dabei ist der Fels um ein Vielfaches stärker als Beton."

Im Dorf begegnet man Frauen, die komplett unter rot-weiß-karierten Tüchern verschwinden, und versteht, was der Zahnarzt Belhedi meint, wenn er sagt: "Für Massentourismus ist das nichts." Die Frauen hätten Angst, fotografiert zu werden, und würden sich dann nicht mehr auf die Straße trauen. Der Tourismusminister allerdings hat Chenini schon als mögliches Sightseeing-Ziel ausgemacht: Es könnte ein neues Aushängeschild des Sahara-Tourismus werden, findet der Minister, zusammen mit Tataouine, Tozeur, Douz und Nefta. Dann würden hier jedenfalls mehr Autos mit blauen Nummernschildern parken, denn die kennzeichnen Mietwagen.

Tunesien nach der Wahl

Tunesien hat schwierige Jahre hinter sich. Die Hoffnungen vieler ruhen nun auf dem neu gewählten Präsidenten: Kaïs Saïed, 61, ein parteiloser Rechtsdozent, der vor allem von jungen Wählern Stimmen erhielt, gilt als sehr konservativ und unbestechlich. Wie sich seine Präsidentschaft auf den Tourismussektor auswirken wird, dazu wagen selbst Experten momentan noch keine Einschätzung. Allerdings wird er daran gemessen werden, ob es den Tunesiern rasch wirtschaftlich besser geht. 400 000 Tunesiern leben nach Schätzung des Auswärtigen Amtes direkt oder indirekt vom Tourismus.

Kommen mehr Gäste, bringt das den Menschen bescheidenen Wohlstand - und dem Land Stabilität. Tunesiens Gästezahlen waren zuletzt wieder kräftig gestiegen. Tourismusminister René Trabelsi war noch im Sommer zuversichtlich, dass sich die Zahl der deutschen Gäste weiter steigern lässt: auf 400 000 im kommenden Jahr. Damit wäre man fast auf dem Vor-Revolutions-Level angelangt. Doch nun bereitet die Insolvenz von Thomas Cook vielen Hoteliers vor allem an der Küste Sorge. Hoffnung gibt ihnen, dass der Reiseanbieter Tui bereits Intresse signalisiert hat, den für ihn wichtigen Markt ausbauen zu wollen. Man plane, "neue, zum Teil auch bislang exklusive Thomas Cook-Häuser in unser Portfolio" aufzunehmen, so Tui-Sprecherin Anja Braun. Das Unternehmen gehe davon aus, dass sich Tunesien weiter positiv entwickelt. Geprüft werde derzeit auch einen Ausbau des Flug-Angebots nach Tunesien.

Monika Maier-Albang

Douz ist das Tor zur Wüste. Ein paar große Hotels, ein rechteckiger Marktplatz mit Café-Bestuhlung, viele kleine Gassen, in denen sich die Jungen schon mal Rennen auf ihren Araberhengsten liefern. Zum Spaß, nicht für Touristen. Viele Urlauber starten hier ihre Wüstentouren oder setzen sich zumindest auf ein Dromedar und lassen sich eine Runde in die Sandwelt hineinschaukeln. Die Alternative, vor allem, wenn man Strecke machen will: der Jeep.

Stundenlang Sand. Die Autos ziehen Staubfahnen hinter sich her. Der feine Sand drückt durch die Dichtungen in den Innenraum. Gut, wenn man sich einen Chech besorgt und den Beduinen ihre Wickeltechnik abgeschaut hat. Kaum Gegenverkehr. Keine Häuser. Keine Shops. Herden mit Hütejungs. Mal eine Oase, ganz unromantisch mit parzellierten Dattelpalmenplantagen, stumpfen Farben, Zweckarchitektur, Baustellen. Einheimische auf Quads. Motorradfahrer auf dem Trip ihres Lebens. Aber meist einfach nur Sand, Sand, Sand. Schnell versteht man, wie die perfekte Fahrlinie zwischen den Dünen verläuft: nie obendrüber, eher so drum rumwedeln wie beim Skifahren auf den Buckelpisten.

Reiseziel Tunesien: Tataouine, bekannt für seine runden Lehmhäuser und Getreidespeicher, die Ghorfas, könnte zum neuen Aushängeschild des Sahara-Tourismus werden. So wie auch Tozeur, Douz und Nefta.

Tataouine, bekannt für seine runden Lehmhäuser und Getreidespeicher, die Ghorfas, könnte zum neuen Aushängeschild des Sahara-Tourismus werden. So wie auch Tozeur, Douz und Nefta.

(Foto: mauritius images / John Warburto)

Wir müssen nun irgendwo da sein, wo man laut Auswärtigem Amt nicht mehr weiterfahren soll. Die Behörde rät ab von Reisen in die Wüste südlich und südöstlich einer Linie von der algerischen Grenze im Westen über Douz, Tozeur, Tataouine bis Zarzis. Tatsächlich sind vor elf Jahren hier zwei österreichische Wüstenfahrer entführt, aber wieder freigelassen worden. Seitdem ist nichts mehr passiert. Das Gebiet zwischen algerischer und libyscher Grenze ist schwer zu kontrollieren.

Nach 150 Kilometern taucht das Wüstencamp Zmela auf. Ein paar niedrige Gebäude, dahinter Zelte. Etwa ein Quadratkilometer, auf dem sich die Dünen drängen. Die Oberfläche erinnert an die Haut auf zu heißer Milch. Kleine Falten überziehen die Hügel. Der Sand ist so fein, dass der Wind andauernd die oberste Schicht bewegt, was wirkt, als würde ein seltsamer Schein auf ihnen liegen. Hier trifft man nun auch mal Touristen, alle aus dem Inland oder Emigrierte auf Heimatbesuch. Da ist die 29 Jahre alte Asma Mathlouthi, die in San Diego Medizin studiert und jetzt mit alten Freunden durchs Land fährt. Ob die jungen Weltoffenen mit dem perfekten Englisch einmal zurückkommen? "Ja klar, irgendwann", sagt Asma. Und fügt hinzu: "Aber das kann noch dauern." Zwar gebe es seit der Revolution viele Freiheiten im Vergleich zu früher, als man nichts hätte sagen dürfen. Aber die beruflichen Chancen sind gleich null. Wo soll Asma denn ihre Karriere als Gefäßchirurgin vorantreiben?

Vielleicht ist das auch die Krux des Landes: Man fühlt sich so modern, so frankophil, so nah an Europa. Viele sind gut ausgebildet. Doch am Ende produziert Tunesien dann doch vor allem Olivenöl und Kabelbäume - und selbst dieses Business stagniert seit den Attentaten, die einfach doch mehr Spuren hinterlassen haben als nur die Einschusslöcher in der Aufzugtür im Bardo-Museum in Tunis. "Monika, Claudia, Sandra!", rufen die Souvenirverkäufer vor der Museumstür. Und: "Deutschland, schönes Land!" Man möchte zurückrufen: Tunesien, schönes Land. Passt drauf auf.

Reiseinformationen

Anreise: Mit Tunisair von München oder Frankfurt direkt nach Djerba, ab 225 Euro, tunisair.com

Unterkunft: Wüstencamp Zmela, Zweier-Zelt mit Halbpension 52 Euro, campement-zmela.com; Höhlenhotel Kenza, 14 Euro pro Person mit Frühstück, kenza-chenini.com; Gite de Douiret, pro Person elf Euro mit Frühstück, gitedouiret.com; Dar Hi Life, eingerichtet von der frz. Designerin Matali Crasset, DZ mit Frühstück ab 100 Euro, dar-hi.net

Veranstaltungen: Das Musikfestival Les Dunes Electroniques findet am 16. / 17. November bei Nefta in der Sandwüste statt, dunes-electroniques.com

Sicherheit: Das Auswärtige Amt rät weiterhin vor individuellen, nicht organisierten Wüstenreisen ab. Außerdem vor Reisen südlich und südöstlich einer Linie von der algerischen Grenze über Tozeur, Douz, Ksar Ghilane, Tataouine bis Zarzis an der libyschen Grenze.

Weitere Auskünfte: discovertunisia.com

Hinweis

Die Recherchereise für diesen Beitrag wurde zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und/oder Tourismus-Agenturen.

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