Reisen während des Bahnstreiks:Stehplatz auf der Toilette

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Nicht einsteigen: Ein Zug, der niemanden mitnimmt, am Frankfurter Bahnhof (Foto: dpa)

Ein Zug für alle, das kann nicht gut gehen - außer man fährt früher los als gedacht: Eindrücke von SZ-Autoren, die trotz allem mit der Bahn unterwegs waren.

Im Regionalzug von Augsburg über Kissing nach München-Hauptbahnhof, 6.50 Uhr

Im Gegensatz zum letzten Streik wird der Zug richtig voll. Bereits am Bahnhof Kissing kurz nach Augsburg stehen die Menschen in den Türen. Ein wenig geht noch, weil auf Zuruf tatsächlich einige Leute begreifen, dass auch im Wageninneren nicht jeder Ellenbogenfreiheit braucht. An den nächsten Bahnhöfen - in einigen stoppt der Zug extra, weil andere Züge mit offiziellem Halt dort wegen des Streiks ausfallen - kann kaum noch jemand zusteigen. Vier Reisende erweitern den Passagierraum, indem sie sich in die Toilette drängen. Danach ist Schluss.

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An den folgenden zwei Bahnhöfen haben die Reisenden Pech gehabt - sie warten vergeblich. Es gibt ein wenig Streit an den Türen - aber die Glücklichen im Zug haben wirklich keinen Platz mehr, um weiter zusammenzurücken. Die Stimmung ist geprägt von stoischer Schicksalsergebenheit, garniert mit den üblichen sarkastischen Bemerkungen wie "Jetzt kann immerhin niemand umfallen". Als Schicksalsgenossen kommen hier und dort wildfremde Menschen ins Gespräch. Von vorn schallt Lachen herüber. Was, zum Teufel, finden die Leute so komisch? Sie haben wahrscheinlich Sitzplätze. Nur ganz vereinzelt sind bittere Spitzen gegen die GDL zu hören, wie: Wenn die jetzt am Bahnhof mit Plakaten stünden, drohten ihnen wahrscheinlich Prügel.

Vor Pasing erfahren die Zugreisenden, dass in 20 Minuten eine weitere Bahn zum Hauptbahnhof erwartet wird. Außerdem fährt eine S-Bahn dorthin. Irgendwann. Warum sollte jemand, der es bis hier geschafft hat, nun aussteigen? Zum ersten Mal empören sich manche Leute im Zug wirklich - über einige Personen, die hier noch unbedingt zu uns in den Zug wollen. Die könnten schließlich auch die S-Bahn, den Bus, die Straßenbahn oder das Taxi nehmen! Oder nicht?

Die Zugführerin verzichtet bei ihrer Durchsage kurz vor dem Hauptbahnhof darauf, sich für die Reise mit der Bahn zu bedanken.

Markus C. Schulte von Drach

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Frankfurt-München, kurz nach Mitternacht am sehr frühen Mittwoch

Alle ICE-Verbindungen am Vormittag sind gestrichen, warnt die App. Also doch früher los vom Abendtermin, rein in den Zug, es soll offiziell um 0.05 Uhr losgehen. "Verehrte Fahrgäste, bitte beachten Sie: Unsere Abfahrt wird sich um wenige Minuten verzögern. Wir warten noch auf einen Lokführer!" Hat die Bahn einen Reservisten aktiviert? Oder hatte da jemand Pech mit seinem Dienstplan, wo doch erst ab zwei Uhr morgens gestreikt wird?

Dann rollt er los, der ICE mit der Nummer 619, und anscheinend hat sich der Trick mit der Abfahrt vor dem Streik herumgesprochen. Der Zug ist voll. Er macht Halt in Mannheim, Heidelberg, sogar in Vaihingen, dann Stuttgart, Ulm, München. Fast jeder Fahrgast blockiert zwei Plätze, schläft verkrümmt in Schräglage mit der Jacke über dem Kopf oder versucht im Sitzen wegzudämmern. Ein Mann aus Stuttgart, der erst morgens fahren wollte, fragt nach, ob er Geld zurückbekommt.

Playlist zum Bahnstreik
:Wenigstens die Musik kommt an

Gestrandet in der Wartehölle des Bahnstreiks? Da braucht es gute Nerven und noch bessere Musik. Eine Playlist für überfüllte Abteile und einsame Bahnsteige.

Von Julian Dörr

Außer den Elektromotoren und ratternden Bahnrädern ist eine ältere Familie aus Westfalen die einzige Lärmquelle: Der Vater schläft und schnarcht, der Sohn raschelt mit der Zeitung, nur die Mutter um die 70 ist hellwach und redet ununterbrochen: "Ich lade euch zum Frühstück ein, Urlaubskasse!"

Ankunft in München, 6:02 Uhr, pünktlich: Die Reisenden stehen auf, mit verquollenen Augen, zerzausten Haaren und einem Gähnen der Erleichterung. Noch eine Stunde Schlaf im heimischen Bett. Und das wohlige Gefühl, dem Streik mit einem cleveren Trick entgangen zu sein.

Jan Willmroth

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Bahnhof Freising, 8.30 Uhr

Der Regionalexpress zum Münchner Hauptbahnhof soll laut Internetauskunft tatsächlich fahren. Doch am Bahnhof Freising heißt es: Nein, der fällt aus. Der nette Mitarbeiter der Reiseauskunft wird bestürmt von Fahrgästen, die zum Beweis ihre Handys in die Luft recken. Aber im Internet steht doch, dass er fährt, schimpfen sie. Nein, beharrt der Mitarbeiter, sie hätten da eine falsche Info.

Im gleichen Moment fährt ein Zug ein: Regionalexpress Richtung München.

Edeltraud Rattenhuber

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