Reisen in Tansania:Jenseits des Kilimandscharo

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Der Victoriasee ist nicht nur für die Fischer eine Einkommensquelle: Von Mwanza aus können Touristen zu mehreren Inseln übersetzen, dort Vögel beobachten, wandern und baden. (Foto: Maro Kouri/IML/laif)

Tansania hat die Serengeti und Safariparks, Sandstrände, Berge und Kultur. Nun will das ostafrikanische Land seine Schätze endlich besser präsentieren - und aus dem Schatten Kenias treten.

Von Judith Raupp

Ben Mongitta kann sich noch gut an die Filme seiner Kindheit in den Siebzigerjahren erinnern. "Antilopen, Löwen. Einfach toll!" Wie Millionen Jungen und Mädchen in Deutschland hat auch er die Dokumentarfilme Bernhard Grzimeks geliebt, besonders "Serengeti darf nicht sterben". Dort, in der Serengeti, ist der tansanische Touristenführer aufgewachsen. Seine Eltern arbeiteten für den Nationalpark. Immer, wenn die Forscher von der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt den Filmapparat auspackten, liefen die Kinder zusammen. "Sonst war ja nichts los, das war eine super Unterhaltung", sagt er und grinst.

Heute sitzt Mongitta 270 Kilometer entfernt in der Stadt Mwanza, in einem Büro ohne Fenster. Er verkauft dort Touren in die Serengeti, er liebt seine alte Heimat. Aber er ist trotzdem enttäuscht, dass Fremde seine neue unterschätzen. Mwanza liegt am Victoriasee, dem größten See Afrikas. Touristen können zu den Inseln Saanane, Ukerewe oder Rubondo übersetzen, dort Vögel beobachten, wandern und fischen. Auf Rubondo gibt es zudem Elefanten und Giraffen. Julius Nyerere, Tansanias erster Präsident, ließ die Tiere vom Festland hinbringen - dafür mussten die Menschen weichen.

SZ-Karte (Foto: SZ-Karte)

"Tansania ist mehr als Serengeti und Kilimandscharo", sagt Daniel Massawe, Leiter des Studiengangs Tourismus an der St. Augustine Universität in Mwanza. Er schwärmt von den Safariparks, von Sandstränden und Bergen, von Kaffee- und Teeplantagen. Und auch kulturell habe Tansania vieles zu bieten. Aber das Land, klagt er, vermarkte sich schlecht, zumindest im Vergleich zu Kenia. Das Nachbarland ist bekannter und zum Teil auch günstiger zu bereisen. Denn die kenianische Regierung fördert den Tourismus mit Steuervorteilen. Jahrelang reisten viel mehr Touristen nach Kenia als nach Tansania - bis Islamisten in Kenia Anschläge verübten. Danach erreichte Tansania mit mehr als einer Million Gäste pro Jahr fast das Niveau Kenias. Mittlerweile holt Kenia wieder auf - obwohl Tansania als sicherer gilt. In Mwanza zum Beispiel können Touristen relativ gefahrlos alleine durch die Stadt bummeln.

Vor allem Geschichtsinteressierte wollen die Reisemanager künftig anlocken. Tansania gehörte von 1885 bis 1918 zu Deutsch-Ostafrika. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Land britische Kolonie, bis zur Unabhängigkeit 1961. Die Stadtverwaltung von Mwanza will nun einige Kolonialgebäude renovieren und ein Museum einrichten. Direkt vor der Stadt thront der Bismarck-Felsen im Victoriasee, benannt nach dem ehemaligen deutschen Reichskanzler. Eine Kopie des Felsens steht in Würzburg. Die Franken ließen ihn im vergangenen Jahr als Zeichen der Freundschaft nachbauen: Sie feierten damals 50 Jahre Städtepartnerschaft. Im Park vor dem Bismarck-Felsen schießen Paare gerne Selfies. Manchmal verlangen junge Männer hier Eintritt, obwohl der Zugang eigentlich frei ist. Die Jugendlichen sind arbeitslos, wie viele der 54 Millionen Tansanier. Sie sehen die Touristen als Gelegenheit, ein wenig Geld zu verdienen.

Am Abend steigt in Mwanza der Duft von gebratenen Fleischspießen und Maniokwurzeln auf. Köche bereiten die Speisen am Straßenrand zu. An den schickeren Ständen können Touristen beobachten, wie reiche Tansanier mit dem Geländewagen vorfahren und sich bedienen lassen. Solchen Luxus kennen die Menschen auf dem Land nicht.

Die Regierung plant eine neue Fernstraße - so kämen auch Touristen schneller durchs Land

Das Volk der Hadza zum Beispiel lebt am salzigen Eyasisee südlich der Serengeti. Nur unasphaltierte Pisten führen in die Gegend. Die Frauen suchen dort Wurzeln und Blätter. Die Männer jagen Affen. Massai-Hirten treiben dürre Kühe vor sich her. Kinder in Schuluniform laufen an schmächtigen Maispflanzen vorbei, im Wollpulli - bei sengender Hitze. Das Leben hier würde sich sicher ändern mit der großen Straße, welche die Regierung plant: eine Fernstraße, auf der man schneller vom Osten in den Westen Tansanias käme. Die Route am Eyasisee wäre dann eine von zwei möglichen Strecken, die Serengeti zu umfahren. Derzeit prüft die Straßenbaubehörde mit finanzieller Hilfe aus Deutschland, ob das Projekt realisierbar ist.

100 Kilometer vom Eyasisee entfernt, im Ort Mto wa Mbu, wartet Juma Jamshama auf Gäste. Der 35 Jahre alte Künstler tanzt abends mit seinen Freunden für Touristen, die im nahen Ngorongoro-Nationalpark auf Safari gehen. "Wir mögen Fremde", beteuert Jamshama. Aber mit den kulturellen Unterschieden tut er sich schwer. Dass Frauen im Bikini baden, gefällt ihm nicht. "Gut, dass die Hotel-Pools hinter Hecken sind. Unsere Kinder sollen das nicht sehen", sagt Jamshama. Aber eigentlich hat er andere Sorgen. "Die Hoteliers bezahlen keine Gage für unsere Show", sagt er. Die Tänzer seien darauf angewiesen, dass die Touristen ihnen Geld geben. Oft reicht das nicht. Darum arbeitet er zusätzlich als Tagelöhner.

Trotz des harten Alltags sind die meisten Tansanier freundlich. Sie geleiten Fremde ins Geschäft, damit sie auf der Suche nach Telefonkarten oder Wasser nicht verloren gehen. Sie bieten Hilfe an, wenn das Fahrzeug eines Touristen liegen bleibt. Aber das Land hat auch Schwächen. "Uns fehlt gut ausgebildetes Personal", sagt der Tourismus-Professor Daniel Massawe. Englisch bereitet vielen Tansaniern Probleme. Die offizielle Landessprache ist Kisuaheli, aber das versteht kaum ein Tourist.

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Zugewanderte Europäer sind oft besser qualifiziert als die Einheimischen. Zudem haben sie Geld für Investitionen. Das ist der Grund, weshalb in Tansania, wie in vielen Ländern Afrikas, zahlreiche Ausländer das Tourismusgeschäft aufbauen. Einer von ihnen ist Thomas Becker. Er leitet die Kaliwa Lodge in Machame. Früher war Becker Lokalchef bei der Thüringer Allgemeinen. Jetzt führt er die Gäste zu einer Terrasse, vorbei an den Bungalows im Bauhausstil. Die Plattform ist die Attraktion in der Gegend: Von dort blicken die Gäste direkt auf den Kilimandscharo, den höchsten Berg Afrikas. Durch Bananenhaine führt der Weg zu den Dorfbewohnern. Sie erzählen den Touristen von ihrem Leben und ihrem Glauben. Zum Beispiel verstecken manche Bauern die Kuh im Stall, wenn jemand Fremdes kommt. Denn böse Blicke könnten dem Tier schaden, argwöhnen sie.

Von Moschi aus, der Stadt am Fuß des Kilimandscharo, fliegen lokale Fluggesellschaften in einer Stunde zum Indischen Ozean. Rund um den Ort Pangani gibt es einige kleine Hotels, nur wenige Touristen finden den Weg dorthin. Dabei leben im Maziwe-Marine-Reservat, 50 Bootsminuten vom Strand entfernt, 500 Fischarten am Riff. Die deutsche Tauchlehrerin Kerstin Erler führt Schulklassen dorthin, damit die Kinder die Natur wertschätzen lernen. Sie hat inzwischen die Einheimischen überzeugt, die bedrohten Wasserschildkröten nicht mehr zu essen. Männer aus dem Dorf bewachen nun die Eier, bis die Jungen schlüpfen. Sie fahren auch Patrouille am Riff im Auftrag der Hotelbesitzer. Diese bezahlen die Fischer, damit sie im Reservat nicht wildern.

"Wir müssen den Einheimischen zeigen, dass der Tourismus auch ihnen etwas bringt", sagt Nalini Pattni. Die Inderin mit dem amerikanischen Pass ist in Kenia aufgewachsen. Sie hat lange eine Firma in den USA betrieben. Doch Ostafrika ist ihr Zuhause. Mit ihrem Mann Pashok hat sie die Capricorn Lodge bei Pangani gekauft, nun versucht sie, sowohl Ausländer als auch Einheimische als Gäste zu gewinnen: Urlaub sei selbst vielen besser gestellten Afrikanern noch fremd. Reisen verbinden sie mit schlechten Straßen und Verwandtenbesuchen, bei denen es ein Problem zu regeln gilt. "Viele Tansanier meinen, am Strand dürften nur Weiße essen", sagt Nalini Pattni. "Oder sie kommen nicht, weil sie kein Auto haben." Mit Sammeltaxi und Gerichten zum Sonderpreis will sie diese Mentalität ändern. Im eigenen Interesse, aber auch, weil sie an das Miteinander von Menschen verschiedener Herkunft glaubt.

© SZ vom 16.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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