Reisen für Singles:Adieu, Katzentisch

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Alleine am Strand liegen muss bei Singlereisen niemand. (Foto: Imago Stock&People)

Singles bekommen kleine, aber teure Zimmer und werden am Tisch neben der Küchentür abgefertigt. Extra Angebote für Alleinreisende werden deshalb immer beliebter - dafür muss man noch nicht einmal Single sein.

Von Michaela Schwinn

Der Katzentisch ist wahrlich kein Ort, um den Urlaub zu genießen. Man findet ihn in den hintersten Winkeln des Speisesaals, neben den Toiletten, der zugigen Terrassentür oder direkt vor der Küchendurchreiche - lieblos abgestellt wie die Gäste, die an ihn verwiesen werden. Der geschiedene Mittvierziger findet dort seinen Platz genauso wie die einsame Studentin oder der verwitwete Rentner. Allen gemeinsam ist: Sie reisen alleine. Doch damit nicht genug. Alleinreisende müssen meist hohe Einzelzimmerzuschläge in Kauf nehmen und erhalten dafür oft verhältnismäßig kleine Zimmer.

Singlereisen sollen Abhilfe schaffen. Zahlreiche Veranstalter werben mit gemeinsamen Erlebnissen partnerloser Gäste, mit geräumigen Zimmern und der Aussicht auf nette Bekanntschaften. Und das erfolgreich: "Die Nachfrage nach Singlereisen ist gestiegen", sagt Sibylle Zeuch vom Deutschen Reiseverband, in dem die Reisebüros organisiert sind. Die Branche hat einen wachsenden Markt entdeckt: 2013 verbrachten nach Angaben der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) etwa 11,2 Millionen Deutsche ihren Urlaub allein, 2003 waren es nur etwa 9,6 Millionen.

Dieser Zielgruppe, die im vergangenen Jahr laut FUR immerhin einen Anteil von 20 Prozent aller deutschen Reisenden ausmachte, hat sich auch der Hamburger Spezialreiseanbieter Sunwave angenommen. Als Veranstalter von Skigruppenreisen gegründet, hat das Unternehmen sein Angebot für Alleinreisende laufend erweitert. Vor drei Jahren spezialisierte es sich endgültig auf Reisen für Singles. "Erst hatten viele Kunden Vorbehalte. Die Reisen wurden in die Schmuddelecke gedrängt", sagt Otto Witten, einer der drei Geschäftsleiter. Mittlerweile habe die Branche keinen schlechten Ruf mehr, im Gegenteil: "Die Buchungen steigen jedes Jahr."

"Im Schnitt ist das Interesse bei Frauen größer"

Die Produktpalette bei Sunwave ist breit: Sie reicht vom Segeltörn in Holland über den Skiausflug bis zur Südafrika-Rundtour. In Reiseziel und Reiseart unterscheiden sich die Angebote für Singles also nicht von anderen Pauschalarrangements. In der Zusammensetzung der Gruppen oft schon. "Ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis ist uns wichtig. Im Schnitt ist das Interesse bei Frauen größer. Sie sind aktiver bei der Partnersuche. Männer suchen eher im näheren Umfeld", sagt Witten. Wenn es zu viele weibliche Teilnehmer gibt, landen diese zunächst auf einer Warteliste, erst wenn mindestens 40 Prozent Männer gebucht haben, rücken Frauen nach. Zudem gibt es für jedes Angebot eigene Altersangaben. Homogene Gruppen sollen entstehen: "Auch wenn nur ein Drittel der Gäste wegen einer neuen Liebe auf Reisen geht, wollen wir durch die Gruppenzusammensetzung zumindest die Rahmenbedingungen fürs Kennenlernen schaffen."

Und das funktioniert laut Witten am besten, wenn die Reisenden möglichst unter sich bleiben: Ganze Hoteltrakte werden reserviert, manchmal auch das komplette Haus. Wenn möglich, werden günstige Konditionen für die Zimmer ausgehandelt. Das wichtigste sei allerdings ein abwechslungsreiches Freizeitprogramm: "Durch die Erlebnisse kommt man auf natürliche Weise ins Gespräch. Es wirkt nicht so aufgesetzt wie bei normalen Dates."

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Auch die großen deutschen Reiseveranstalter Tui und Thomas Cook setzen bei Singlereisen auf gemeinsame Aktivitäten. Interessierte können aus verschiedenen Cluburlauben auswählen. Kennenlern-Diner, Sportkurse und Animateure sollen die Kontaktaufnahme erleichtern. Familien, Paare und aufschlagpflichtige Zimmer bleiben den Alleinreisenden hier allerdings nicht erspart. Oft preisen die Clubs hohen Flirtfaktor und eine bunte Partyszene an, werben aber gleichzeitig mit guter Kinderbetreuung und romantischer Atmosphäre - alle Zielgruppen wollen bedient sein.

Von Geschlechterparität, Altersgrenzen und Animationsprogramm hält der Reiseanbieter Studiosus wenig: "Der Mehrheit geht es nicht darum, sich neu zu verlieben. Sie wollen einfach nicht alleine verreisen. Viele haben sogar einen Partner zu Hause", sagt Frano Ilic, Pressesprecher von Studiosus. Unter dem Namen "Me & More" hat Studiosus ein eigenes Reisesegment für Alleinreisende geschaffen. Kürzlich wurde es mit der Marke "Me & More relax" erweitert: Statt der klassischen Rundreise bleibt die Gruppe in einem Hotel, etwa in Apulien oder auf Madeira. Ausflüge sind optional: Tagsüber kann man beispielsweise einem Biobauern über die Schulter schauen oder Beachvolleyball spielen, abends im Szeneclub feiern und im Mondschein baden.

Ein abwechslungsreiches Programm, das scheinbar perfekt auf junge Leute zugeschnitten ist. Dabei ist es meist gerade nicht die jüngere Generation, die auf Singlereisen anzutreffen ist. Sowohl bei Studiosus als auch bei Sunwave liegt das Durchschnittsalter bei Mitte 40. Auch bei Gästen, die älter als 55 Jahre sind, ist das Interesse an Singlereisen laut Witten gestiegen: "Die Altersgruppe an sich ist gewachsen, aber zugleich auch die Bereitschaft, im Alter noch neue Kontakte zu knüpfen." Den Bedürfnissen dieser Altersgruppe hat sich auch die Betreibergesellschaft der MS Deutschland angepasst. Auf ausgewählten Kreuzfahrten der "Traumschiff"-Kulisse unterhält ein sogenannter Gentleman Host alleinreisende Kreuzfahrerinnen zwischen 60 und 70 Jahren mit Schach, Tanzkursen oder Landausflügen.

Wer im großen Single-Angebot auffallen will, muss sich also etwas einfallen lassen. Der Anbieter Solos etwa zeigt ein Herz für alleinreisende Hundehalter: Ihr Tier darf mit zum Wanderurlaub in Bayern. Und so wird aus dem Katzentisch schnell ein Hundetisch.

© SZ vom 30.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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