Adrian Bridge sitzt im Café unter einem Sonnenschirm. Kinder klettern über Mini-Findlinge; ihre Eltern machen Selfies mit der Aussicht auf Portos Altstadt. Neben dem Haupteingang zu den Museen steht eine Eisverkäuferin. "Es ist für jeden Geschmack etwas dabei, sodass man auch als Familie hier den ganzen Tag verbringen kann", sagt Adrian Bridge über seine "World of Wine", die im Juli 2020 eröffnet hat.
Der hochgewachsene 57-Jährige im Maßanzug ist Ideengeber, Gründer und Chef der World of Wine mit sieben Museen, vielfältigen gastronomischen Einrichtungen und Shops. Es ist wohl eines der größten europäischen Tourismusprojekte der letzten Jahre, für das der Engländer hier am südlichen Flussufer des Douro, im historischen Weinviertel Vila Nova de Gaia südlich von Porto, fünfeinhalb Hektar Weinkellerfläche umwandeln ließ. 105 Millionen Euro wurden in fünfjähriger Bauzeit investiert; die Hälfte des Geldes stammt aus EU-Fördertöpfen für Stadtentwicklung.
Einst lagerten in Vila Nova de Gaia die Portwein-Fässer bis zur Vollendung der Jahrgänge; von hier wurde der Port in alle Welt verschifft. Doch inzwischen produzieren immer mehr Weingüter am Douro ihre Tropfen direkt am Ort.
"Auf dem steilen Hang standen ein paar alte Lagerhallen und Bäume. Es gab ein Feld, wo manchmal Sport getrieben wurde, und den Gemüsegarten des Bischofs", erinnert sich Adrian Bridge, der in den Neunzigerjahren in das Familienunternehmen seiner Frau eingestiegen ist, das Portweinhaus Taylor's. Um die Jahrtausendwende gründete er die Fladgate Partnership, die verschiedene Portweinmarken, Hotels und Restaurants vereint.
Durch Übernahmen kam Fladgate in den Besitz ausgedehnter Immobilien in Vila Nova de Gaia. Auf dem Gelände ließ Bridge zunächst das Fünf-Sterne-Hotel "The Yeatman" errichten. Hier hat der Außenpool die Form einer Weinkaraffe und im Spa kommt Traubenkosmetik zur Anwendung.
Bisher gab es in Porto kaum Museen. Jetzt sind es sieben neue auf einen Schlag
Als nächstes Großprojekt nahm der frühere Investmentbanker unterhalb des "Yeatman" die World of Wine mit ihren Museen in Angriff. "Die wichtigsten Museen des Landes befinden sich in Lissabon", holt der Unternehmer aus. "Porto als Bischofssitz hat keine besondere Museumstradition entwickelt, zumal es kaum Schlösser und Paläste gibt, die sich für Ausstellungen nutzen lassen."
Von Adrian Bridge stammt das Konzept der WOW. Das multinationale Architekturbüro Broadway Malyan übersetzte seine Ideen in eine geradlinige, moderne Formensprache, die sich behutsam in die Umgebung einfügt. Die zentrale Plaza wirkt zugleich als Bilderrahmen für den spektakulären Panoramablick über den Fluss und die markante Stahlbogenbrücke hin zu Portos Altstadthügeln. Über allem thront das weiße Kloster "Serra do Pilar" mit seiner runden Kirche.
Bis ins Detail lässt sich der Respekt gegenüber der historischen Umgebung erkennen. Die Treppe zur Plaza ist mit Azulejos verziert, den ortstypischen, gemusterten Fliesen. Anderswo liegen in einem Kellergang noch die schmalen Schienen, auf denen einst die mit Fässern bepackten Loren zum Hafen rollten.
Das Museum für Mode und Textilien befindet sich in einem historischen Wohnhaus aus dem 18. Jahrhundert. Kaum ist zu erkennen, wo das WOW-Gelände endet, und wo die benachbarten Kellereien beginnen. Die typisch langgestreckten Weinkellerhäuser fügen sich am Hang zu einer harmonischen Landschaft von roten Ziegeldächern. Anfängliche Befürchtungen, die WOW würde wegen ihrer schieren Dimensionen Portos Weltkulturerbe-Status gefährden, haben sich zerschlagen.
In der Ausstellung "Wine Experience" geht es um die Weinregionen, Rebsorten und Produktionsmethoden Portugals. Man kann hier ein Weinfass betreten oder Duftnoten am Reagenzglas erschnuppern. Die Anbaugebiete werden in jeweils ortstypischen Wohnhäusern dargestellt. Im Douro-Tal herrscht Schiefer vor. Hier wächst die autochthone Rebsorte Touriga Nacional. Sie dient der Portweinproduktion, bringt aber auch dunkle, tanninreiche Rotweine hervor.
Die frisch erworbene Wein-Expertise lässt sich sogleich in den Restaurants auf dem WOW-Gelände anwenden. Ob vegetarisch, auf Fisch oder traditionelle portugiesische Küche spezialisiert - überall gibt es auch eine ausgesuchte Weinkarte. Als Aperitif ist hier im Norden Portugals der trockene White Port beliebt, der gekühlt getrunken wird.
Wer sein önologisches Wissen weiter vertiefen will, kann die Weinschule der WOW besuchen. Im Level-1-Kurs zerdrückt man Trauben in einem Kolben und erlebt die Fermentation anhand eines Miniatur-Holzfasses. Fortgeschrittene können die Unterschiede zwischen Ruby- und Tawny-Portweinen erschmecken.
Seit Porto 2001 Kulturhauptstadt wurde und drei Jahre später hier das Eröffnungsspiel der Fußball-EM ausgetragen wurde, stiegen die Besucherzahlen in der Stadt kontinuierlich. Drei Millionen Touristen kamen 2019 in Portugals zweitgrößte Stadt mit ihren 200 000 Einwohnern. Das hatte und hat auch seine Schattenseiten.
Der Tourismus brachte zwar das Geld, mit dem historische Gebäude saniert werden konnten, und schuf zahlreiche Jobs; allein die World of Wine beschäftigt rund 350 Mitarbeiter. Zugleich wurden jedoch viele Wohnungen zu Urlaubsdomizilen.
Ricardo Valente, Portos Stadtrat für Wirtschaft und Tourismus, freut sich, dass die Touristenzahlen nach den Lockdowns wieder angezogen haben. Er spricht aber auch von einem "Druck, weil drei Viertel der Besucher die Altstadt von Porto nicht verlassen."
Hier kommt die World of Wine ins Spiel. Sie könne helfen, die Touristen besser über die Stadt zu verteilen, sagt Valente. Ein Drittel der Porto-Besucher soll künftig die WOW besuchen, das ist das Ziel. Das Museumsquartier ist für fünftausend tägliche Besucher ausgelegt.
Ein weiteres Museum widmet sich dem Kork. Hier lernt man, dass es 25 Jahre dauert, bis eine Korkeiche erstmals geerntet werden kann. Rindenstapel, eine Stanzmaschine und großformatige Videos veranschaulichen, wie der Flaschenkorken entsteht.
WOW-Gründer Adrian Bridge hat für die World of Wine seine Privatsammlung historischer Trinkgefäße zur Verfügung stellt. Mehr als 1800 Becher, Gläser und Kelche sind darin versammelt. Die ältesten Exponate, ägyptische Tonschalen als Grabbeigaben, sind neuntausend Jahre alt. "Anhand der Rituale um das Trinken lässt sich die gesamte Geschichte der Menschheit erzählen", sagt Bridge, der persönlich durch die Sammlung führt. In den Vitrinen glitzern böhmisches und venezianisches Glas. Goldene Krüge zeugen vom unvorstellbaren Reichtum der Rothschilds; giftgrün schimmert ein Service aus Uranglas.
Für die Einheimischen wird durch den Tourismus alles teurer
Aber was halten Einheimische von dem schicken, neuen Museumsquartier? Ricardo Caetano, der als Reiseleiter und Chauffeur arbeitet, ist hin und her gerissen, wenn es um den Wandel seiner Heimatstadt geht. "Ich verdiene mein Geld mit dem Tourismus", sagt er. "Aber wir müssen auch die Folgen für die Einwohner bedenken. Es wird einfach alles teurer. Sogar in den Kirchen müssen wir jetzt Eintritt zahlen. Und in ganz Porto gibt es keine bezahlbaren Wohnungen."
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Wie können Touristen ihren Städteurlaub so gestalten, dass auch die Einheimischen davon profitieren? Nina Sahdeva von "Fair unterwegs" gibt Tipps.
Caetano geht davon aus, dass die WOW die Altstadt entlastet, wenn der Kreuzfahrtourismus wieder an Fahrt aufnimmt. "Für Kreuzfahrtgäste, die ohnehin nur wenige Stunden in der Stadt verbringen, ist die WOW ideal", findet er. "Sie können hier die schöne Aussicht genießen und in den Museen etwas über Porto lernen."
Der Gästeführer, der in Vila Nova de Gaia wohnt, findet, dass Portos historisches Weinviertel in den vergangenen Jahren attraktiver geworden ist. "Früher gab es hier nur die Weinkeller. Die Touristen blieben unten am Fluss. Jetzt haben wir auch ein paar Restaurants und Geschäfte, Radwege und schönere Grünanlagen." Einziger Wermutstropfen: "Der Eintritt in die Museen ist für Einheimische sehr teuer", sagt Caetano. "Jetzt kommen zwar alle her, weil es etwas Neues ist. Aber viele bleiben auch nur auf der Terrasse."
Das neueste Museum der WOW hat Caetano noch nicht besucht. Ende Juli wurde der "Pink Palace" eröffnet, wo sich alles um den Roséwein dreht. Farbenfroh gestaltete Räume informieren über Anbauregionen und Produktionstechniken - in einer Form, die den Bedürfnissen der Instagram-Generation gerecht wird.
Vor allem aber geht es um den glamourösen Lebensstil, den der Rosé-Wein symbolisiert. Die Besucher können sich vor einer Palmen-Kulisse im Cabrio fotografieren lassen oder in einen Pool voller pinkfarbener Gummibälle springen. Unterwegs werden fünf rosige Drinks verkostet. Den Abschluss macht ein fruchtiger Rosé-Port, den Adrian Bridge vor ein paar Jahren selbst kreiert hat. "Die World of Wine bringt auch die Menschen auf den Geschmack, die Port vorher nur als verstaubte Flasche aus Großmutters Wohnzimmer-Vitrine kannten", sagt der Firmenchef.
Reiseinformationen
Unterkunft: Das "Infante Sagres" mit seinen prächtigen Holztäfelungen, Kronleuchtern und Glasmalereien ist eines der ältesten Luxushotels von Portugal, Doppelzimmer mit Frühstück ab 180 Euro, infantesagres.com. Im historischen Einkaufsviertel Bolhao, unweit der alten Markthalle ist das frisch sanierte "Hotel Spot Family Suites". Die hell eingerichteten Zimmer der oberen Etage haben großzügige Terrassen. DZ mit Frühstück ab 80 Euro, spotfamilysuites.pt
World of Wine: Kombi-Ticket für zwei Museen: 28 Euro; Familienticket (2 Erwachsene, 2 Kinder) 59 Euro, wow.pt
Weitere Auskünfte: visitporto.travel