Lufthansa und Turkish Airlines:Scheidung auf türkisch

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Lufthansa und Turkish: Es ist wie eine Ehe, die nur noch auf dem Papier existiert und fortgesetzt wird, um den schönen Schein zu wahren. Hinter den Kulissen herrscht Eiszeit. (Foto: Bloomberg)

Zu ehrgeizig, um noch ein Freund zu sein: Gemeinsame Flüge von Turkish Airlines und Lufthansa wird es nicht mehr geben. Das trifft auch die Meilensammler unter den Passagieren.

Von Jens Flottau

Wenn es noch Zweifel darüber gegeben haben sollte, welche Ambitionen Turkish Airlines auf dem deutschen Markt hat, dann sollten diese spätestens am 15. November zerstreut worden sein. An diesem Tag vermeldete der Flughafen in Kassel-Calden, der sonst von fast allen Airlines umflogen wird, man freue sich auf die Zusammenarbeit mit Turkish. Die Fluggesellschaft will im Jahr 2014 Verbindungen von Kassel nach Istanbul anbieten. Kassel, Friedrichshafen, Nürnberg, Bremen - es sind nicht mehr nur die großen Metropolen, die Turkish hierzulande bedient.

Keine andere ausländische Fluggesellschaft fliegt so viele Ziele in Deutschland an, keine tritt so aggressiv gegen die Lufthansa auf, und kaum eine wächst so schnell wie Turkish: 20 Prozent mehr Passagiere pro Jahr sind die Regel.

Eine Ehe, die nur noch auf dem Papier fortgesetzt wird

Obwohl beide Airlines Mitglied der Star Alliance sind, ist es das Ende einer einst hoffnungsvoll gestarteten Beziehung: Zum 31. März kommenden Jahres hat die Lufthansa den Vertrag über Gemeinschaftsflüge (Code-Sharing) mit Turkish gekündigt. Auch bei den Vielfliegern wird die Zusammenarbeit drastisch zurückgefahren. Es ist wie eine Ehe, die nur noch auf dem Papier existiert und fortgesetzt wird, um den schönen Schein zu wahren. Hinter den Kulissen herrscht Eiszeit.

Turkish ist für Lufthansa längst zu einer Bedrohung geworden und steht damit den drei großen Fluggesellschaften am Persischen Golf (Emirates, Etihad und Qatar Airways) in nichts nach. Auf manche Weise ist Turkish sogar noch gefährlicher als die drei: Istanbul liegt geografisch näher an Deutschland als Doha, Dubai und Abu Dhabi, daher kann Turkish kleinere Flugzeuge einsetzen. Diese fliegen auch kleinere Flughäfen an, auf denen Emirates und Co. ihre Großraumjets nicht auslasten könnten. Da der Luftverkehr zwischen Deutschland und der Türkei weitgehend liberalisiert ist, kann Turkish tun und lassen, was sie will, während Emirates, Qatar Airways und Etihad hierzulande immer noch Einschränkungen erleben.

Istanbul liegt bei vielen Verkehrsströmen in der Mitte

Die Strategie, Turkish in der Star Alliance besser kontrollieren zu können, ist nicht aufgegangen. Das Unternehmen mit dem eifrigen Temel Kotil an der Spitze schert sich nicht um die unausgesprochenen Erwartungen der Partner, sie doch wenigstens etwas zu schonen, und bastelt weiter am Megadrehkreuz in Istanbul. Spätestens wenn dort in vier Jahren der neue Flughafen für bis zu 150 Millionen Passagiere im Jahr eröffnet wird, soll alles möglich sein: Umsteigeverbindungen von der Langstrecke nach Europa, von Afrika nach Osteuropa oder Asien, vom Nahen Osten nach Nordamerika. Wie man die Landkarte dreht und wendet, Istanbul liegt bei vielen Verkehrsströmen genau in der Mitte.

Vor allem die türkische Regierung würde gerne mehr kooperieren und hat des Öfteren eine vertiefte Allianz zwischen den beiden Airlines, vielleicht sogar eine Beteiligung, ins Gespräch gebracht. Lufthansa-Chef Christoph Franz hat immer wieder diplomatisch versucht, das Thema herunterzuspielen, während die strategischen Überlegungen in eine ganz andere Richtung gelaufen sind. Lufthansa versucht, den Schaden zu begrenzen. Kunden des eigenen Vielfliegerprogramms Miles & More bekommen zwar weiterhin die gleichen Prämienmeilen, wenn sie Turkish fliegen, doch die Statusmeilen werden von Januar an auf ein Viertel abgesenkt. Damit wird es viel schwieriger, den beliebten Frequent Traveller- oder Senator-Status zu erreichen, wenn man die Meilen vor allem auf Turkish-Flügen sammelt. Mit den Silber- und Gold-Karten dürfen die Passagiere unter anderem die Lounges an den Flughäfen nutzen und genießen weitere Privilegien.

Die Deutschen versuchen mit drastischen Mitteln, Turkish-Flüge unattraktiv zu machen

Zwar müssen alle Star-Alliance-Mitglieder den Kunden ihrer Partner ermöglichen, Meilen zu sammeln und abzufliegen, doch die Bedingungen sind dabei nicht immer gleich, dahinter stehen kommerzielle Vereinbarungen. So hat United kürzlich das Kleingedruckte so geändert, dass ihre Kunden mehr Meilen aufwenden müssen, wenn sie Flugprämien bei den Partnern abfliegen wollen. Für United ist es billiger, wenn sie die eigenen Flugzeuge dafür nutzen. Bei manchen Airlines kann man in den niedrigen Buchungsklassen gar keine Meilen sammeln, wenn man nur die Vielfliegerkarte eines Partners besitzt. Der Fall Lufthansa/Turkish ist besonders krass, weil die Deutschen nun mit drastischen Mitteln versuchen, Turkish-Flüge für die eigenen Kunden besonders unattraktiv zu machen, um diese wieder in die eigenen Flugzeuge zu bekommen.

Angesichts der neuen Barrieren stellt sich die Frage, warum Turkish überhaupt noch in der Star Alliance bleiben sollte, wenn das Verhältnis zum potenziell wichtigsten Partner innerhalb des Bündnisses so schlecht ist. Allerdings sind auch die konkurrierenden Allianzen mittlerweile freigiebiger geworden. Qatar Airways, in der Branche auch für aggressives Wachstum berüchtigt, ist neues Mitglied bei Oneworld und damit Partner von British Airways und American.

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Von Katja Schnitzler

Hinweis: In der vorherigen Fassung des Artikels hieß es, Turkish habe den Vertrag mit Lufthansa gekündigt. Es war aber umgekehrt: Die Lufthansa hat gekündigt.

© SZ vom 26.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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