Zwei Tage Wellness, vier Tage Städtetour, drei Tage Hüttenwanderung - Kurzurlaube liegen im Trend. Aber wie erholsam sind sie? Carmen Binnewies ist Professorin für Arbeitspsychologie an der Universität Münster und erforscht, wie Stress ab- und Erholung aufgebaut wird.
SZ: Auf dem Zeitkonto sind noch ein paar freie Tage übrig, der Sommerurlaub ist ohnehin schon wieder zu lange her - da steigt die Lust auf eine kleine Auszeit. Doch ist ein verlängertes Wochenende überhaupt erholsam?
Carmen Binnewies: Da kann ich beruhigen: Auch ein Kurzurlaub bringt Erholung. Wir sehen in der Forschung keinen Zusammenhang zwischen der Dauer des Urlaubs und dem Erholungseffekt.
Wie können Sie das messen?
Indem wir die Leute vor und nach dem Urlaub befragen. Wie erschöpft fühlen sie sich? Sind sie motiviert? Oder müde und gereizt? Manche Studien ziehen auch physiologische Parameter hinzu, beispielsweise den Blutdruck als Indiz für Stress oder Entspannung. Erschöpfung, Anspannung oder schlechte Stimmung sind Auswirkungen von Stress. Erholung wirkt ihnen entgegen und stellt die Leistungsfähigkeit wieder her. Das lässt sich durch Fragen nach dem Befinden gut messen.
Hält denn die Erholung länger an, wenn ich statt weniger Tage mehrere Wochen Urlaub mache?
Nein, auch hier konnten wir keinen Zusammenhang finden. Subjektiv mag man sich in einem dreiwöchigen Urlaub erholter fühlen - aber das liegt einfach daran, dass man länger aus dem Alltag weg ist. Es bedeutet nicht, dass dieser Effekt anschließend länger anhält.
Aber der Erholungseffekt ist doch sicherlich davon abhängig, wie ich den Urlaub gestalte?
Es kommt weniger darauf an, was man tut, sondern wie man die Zeit erlebt. Ein und dieselbe Aktivität wird von Leuten unterschiedlich wahrgenommen. Die einen finden es ganz toll, am Strand zu liegen, die anderen nervt es. Es geht also eher um die zugrundeliegenden Erholungserfahrungen, die von vier Faktoren abhängig ist: Kann ich von der Arbeit abschalten? Bin ich entspannt? Kann ich Herausforderungen meistern? Kann ich meine Zeit selbstbestimmt einteilen und gestalten? Raus aus dem Alltag - das ist wichtig.
Wieso soll ich im Urlaub Herausforderungen meistern? Das klingt ja wieder nach Arbeit.
Mit Arbeit sollen diese Herausforderungen nichts zu tun haben, es geht ja im Urlaub gerade darum, mental Abstand zu gewinnen. Aber wenn ich in meiner Freizeit eine neue Sprache lerne oder einen Berg besteige, dann hilft mir dieses Erfolgserlebnis, neue Ressourcen und neues Selbstvertrauen aufzubauen, und trägt damit zur Erholung bei.
Und welche Rolle spielt das Smartphone? Ständige Erreichbarkeit wird ja gern für Stress verantwortlich gemacht. Wie sieht es damit im Urlaub aus?
Wir haben uns in einer Studie den Umgang mit Kommunikationsmedien näher angeschaut und es hat sich tatsächlich herausgestellt, dass das Abschalten schlechter gelingt, je mehr man im Urlaub oder in der Freizeit telefoniert, E-Mails liest oder Nachrichten schreibt. Interessanterweise macht es dabei keinen Unterschied, ob die Kommunikation berufsbezogen oder privat war. Entscheidend ist vermutlich, dass man wieder an den Alltag zu Hause denkt. Ich würde trotzdem niemandem vorschreiben, sein Handy im Urlaub zu Hause zu lassen, es gibt ja nicht nur schwarz oder weiß. Aber für die Erholung ist es besser, wenn man es etwas weniger benutzt.
Wie sieht es mit ein paar freien Tagen zu Hause aus? Kann man sich dabei erholen? Schließlich ist der Alltag dann ja ganz besonders nah.
Auch zu Hause kann Erholung gelingen. Man hat keinen Reisestress, allerdings erfordert es etwas mehr Selbstdisziplin, damit man nicht ständig wieder in den Alltag zurückgeholt wird. Da kann es helfen, das Telefon auszuschalten oder einen Ausflug zu machen. Bewegung ist immer gut, weil sie hilft, Stresshormone abzubauen. Das muss kein Halbmarathon sein. Spazieren zu gehen, reicht völlig. Zu Hause abschalten zu können, ist unabhängig vom Urlaub wichtig. Auf Dauer macht es krank, wenn am Feierabend oder am Wochenende keine Entspannung gelingt. Erholung darf man nicht auf die nächsten Ferien verschieben.