Man kann eine Stadt in Kentucky anpreisen wie ein stimmungsaufhellendes Medikament. Man kann Singapur mit dem vielleicht seltsamsten Hochzeitstag aller Zeiten bewerben - Stichwort "Oh honey, look!", dazu später mehr. Und manche Menschen haben es kürzlich für eine gute Idee gehalten, auf den Schwarzwald mittels der Silhouette einer nackten Frau und der Ankündigung "großer Berge, feuchter Täler & jeder Menge Wald" aufmerksam zu machen:
Wie kommt es zu solchen Aktionen? Ein Ort ohne Eigenschaften wird als Reiseziel floppen. Mit Slogans, Plakaten und Videoclips versuchen deshalb Länder, Regionen und Städte, ihr Image aufzupolieren oder überhaupt erst zu prägen. Sie liefern sich ein wildes Gerangel darum, von Reisenden auserwählt zu werden - als der Platz, von dem diese glauben, dort würden ihre Wünsche wahr. Doch was kann ein Ort guten Gewissens versprechen? Mit welchen Klischees lässt sich spielen, welche sind allzu mühsam loszuwerden, und welche Ideen sausen ihren Urhebern schnell wie Bumerangs um die Ohren? Ein Blick auf einige vielsagende Erfolge und Misserfolge.
Wozu denn ernst bleiben
Manchmal passt es einfach. Zum Beispiel, was sich 2013 eine rumänische Zeitung einfallen ließ. Als bekannt wurde, dass eine britische Kampagne mit dem Motto "You won't like it here" rumänische Einwanderer abschrecken sollte, lautete die prompte Antwort: Vielleicht mögen wir Großbritannien nicht, aber ihr werdet Rumänien lieben - "Why don't you come over?". Diese Einladung an britische Touristen transportierte in Form von Plakaten etwas sehr Seltenes - nämlich charmante kleine Gemeinheiten gegen die potenziellen Gäste, Selbstbewusstsein und Selbstironie zugleich.
Ein Motiv aus der Reihe "Why don't you come over?".
(Foto: Gandul.info/ Screenshot SZ.de)Für den gelungenen Mix gab es 2013 den Eurobest-Award für ausgezeichnete Werbung, die Idee wurde weltweit in sozialen Netzwerken geteilt.
Bereits 2009 ließ das Magazin Forbes Experten ihre Lieblingskampagne wählen: Auf Platz 1 schaffte es mit "What happens here stays here" der offizielle Slogan von Las Vegas, der mittlerweile in den Alltagswortschatz nicht nur der Amerikaner übergegangen ist. Das Credo "Was in Vegas passiert, bleibt auch in Vegas", begeistert weltweit besonders partyfreudige Männer, ob im Kinoerfolg "Hangover" oder auf der Website der Casinostadt, wo mittlerweile fast 100 000 Gäste einen virtuellen Eid auf den Spruch abgelegt haben. Ein Traumziel für folgenlose Eskapaden - ein bewusst unseriöses Image, das funktioniert.
Gut gemeint, nicht unbedingt gut
So locker gewinnen längst nicht alle Orte Fans. Immer wieder werden im Netz Negativ-Listen von Orten zusammengestellt, die ganz besonders witzig oder anrührend zu werben versuchen.
Dabei gerne genannt: "Oh honey, look!", der bereits erwähnte Hochzeitstag in Singapur. Ein Superflop in der jüngeren Geschichte der Länder-PR. Wie ein Pärchen für die Kamera durch die Metropole stakst, über Sehenswürdigkeiten frohlockt und sich verkrampft Geschenke überreicht (zur Krönung gibt es einen positiven Schwangerschaftstest), wurde für das Tourismusamt von Singapur in diesem Frühling so peinlich, dass das Video wieder von den offiziellen Seiten verschwand. (Hier ist es aber noch zu bewundern.)
Die Klischee-Frage
Besonders heikel wird es, wenn Sexismus im Spiel ist. Während der erwähnte Schwarzwald bislang eigentlich nicht als übersexualisierte Region berüchtigt war, wandeln Länder wie Brasilien in diesem Zusammenhang seit langem auf einem schmalen Grat. Und Klischees sind hartnäckig, haben sie sich einmal im kollektiven Bewusstsein etabliert. Im Falle von Brasilien etwa ist der Versuch, nicht nur als Samba-Bühne voller exotischer Schönheiten wahrgenommen zu werden, äußerst mühsam. Eine Episode: Die Tourismusbehörde in Rio wehrte sich kürzlich gegen T-Shirts des Herstellers Adidas, die allzu eindeutig schienen.
Heidi-Idylle in der Schweiz, Aloha auf Hawaii oder Dolce Vita in Italien - viele Urlaubsziele haben lange gut mit Klischees gelebt und diese zu Geld gemacht. Doch Imagekampagnen berühren nichts weniger als Selbstverständnis und Identität der Einheimischen. Konflikte sind also programmiert. In Australien melden sich immer mehr Menschen zu Wort, die nicht nur für Kängurus und Outback bekannt sein wollen. Und in Italien schlugen 2009 viele die Hände über dem Kopf zusammen, als der damalige Regierungschef Silvio Berlusconi seine Tourismuskampagne "Magic Italy" vorstellte:
Magisch? Diese Kampagne gefiel längst nicht allen Italienern.
(Foto: Screenshot SZ.de)Von bodenloser "Scheußlichkeit", gar "Barbarei" schrieben italienische Blogs, die Initiative verschleudere Millionen, und das Land werde durch sie noch mehr als Fantasyland im Stil des Bling-Bling-Berlusconi-Fernsehens präsentiert. Mittlerweile sieht die Werbung für Bella Italia wieder etwas anders aus. Doch der Wettbewerb um die beste Selbstdarstellung treibt weiter weltweit seltsame Blüten. Wie an den folgenden Episoden deutlich wird.