Hitze in schwedischem Zug:Ohnmacht und Lynchstimmung

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Sechs Stunden lang waren schwedische Passagiere in einem glühend heißen Zug eingesperrt - allein mit ihrer Panik und kollabierenden Mitreisenden. In Deutschland wird gegen den Zugchef eines überhitzten ICEs ermittelt.

Nach den Hitze-Pannen bei der Deutschen Bahn gibt es nun auch in Schweden einen ähnlichen Fall. Sechs Stunden mussten gut 200 Reisende dort bei quälender Hitze in einem Schnellzug ausharren - ohne Klimaanlage, ohne Wasser und bei geschlossenen Fenstern. Wie die Bahngesellschaft SJ am Mittwoch bestätigte, blieb der Hochgeschwindigkeitszug am Vortag wegen eines technischen Defektes an der Lok bei Flemingsberg südwestlich von Stockholm liegen.

Der X2000-Zug war von Stockholm nach Göteborg unterwegs. Passagiere berichteten nach der Tortur von Panik, Ohnmachtsanfällen und "Lynchstimmung gegenüber dem Personal". Die Temperaturen in den Abteilen waren demnach auf über 50 Grad gestiegen. Dennoch blieben die Türen zu - und die Fenster konnten nicht geöffnet werden. Ein 42- jähriger Mann schlug mit einem Hammer ein Fenster ein, um einem ohnmächtigen Mitreisenden und einem offensichtlich stark leidenden Baby Luft zu verschaffen.

Der Zug wurde nach mehr als sechs Stunden Wartezeit in gleißender Sonne von einer Ersatz-Lok in Gang gesetzt. Der Reisende mit Hitzschlag kam in ein Krankenhaus in Södertälje, die anderen Reisenden wechselten in dem Ort den Zug. Sie mussten aber erneut mehrere Stunden warten und erreichten Göteborg schließlich mit 13- stündiger Verspätung.

In Deutschland räumte unterdessen das Bundesverkehrsministerium ein, dass die Probleme mit den Klimaanlagen einiger ICE-Züge schon länger bekannt sind. Allerdings könnten die Probleme nicht schnell behoben werden, weil die Züge hochkomplexe technische Systeme seien, sagte Staatssekretär Enak Ferlemann am Mittwoch.Es habe sich erwiesen, dass die Bordelektrik der ICE-I- und ICE-II-Züge empfindlich sei.

Derweil ermittelt die Staatsanwaltschaft Bielefeld nach der Hitzepanne eines ICE-Zuges gegen den Zugchef wegen fahrlässiger Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung. "Nach der ersten Durchsicht der Vorgänge wurde das Verfahren gegen den Zugchef eingeleitet", sagte Oberstaatsanwalt Reinhard Baumgart am Mittwoch. Es bestehe der Anfangsverdacht, dass er die ICE-Fahrt fortgesetzt habe, obwohl ihm bekannt war, dass die Klimaanlage ausgefallen sei. "Es muss nun geprüft werden, ob der Zugchef tatsächlich als Verantwortlicher bestehen bleibt oder ob andere die Verantwortung tragen", fügte der Oberstaatsanwalt hinzu.

Am vergangenen Wochenende fielen in mindestens drei Zügen der Deutschen Bahn die Klimaanlagen aus. Einer der Züge, der auf dem Weg von Berlin in Richtung Köln/Düsseldorf unterwegs war, wurde in Bielefeld gestoppt und evakuiert. Mehr als 40 Fahrgäste hatten wegen der extremen Hitze bis zu 50 Grad im Zug gesundheitliche Probleme und mussten in Bielefeld behandelt werden.

© dpa/afp/beu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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