Hamburger Hafen:"Vom Wasser aus ist der Blick anders"

Lesezeit: 4 min

Die Mischung macht's, sagt Maike Brunk. Sie ist mit ihrer Barkasse gerne auch abseits der Wahrzeichen Hamburgs unterwegs. (Foto: Christina Czybik)

Maike Brunk bietet Bootstouren an und hat sich damit ihren Platz im Hamburger Hafen erarbeitet. Ihre Gäste überrascht sie gerne mit ungewöhnlichen Perspektiven auf die Metropole.

Interview von Irene Helmes

Den Hamburger Hafen hat sich die Nordfriesin Maike Brunk, Jahrgang 1971, ganz bewusst als Lebensmittelpunkt ausgesucht. 2007 ließ sie die IT-Branche hinter sich und gründete die "Hamburger Elbinsel-Tour". Seither moderiert sie jährlich etwa 150 Bootsfahrten, zu ihren Gästen zählten 2017 beim G-20-Gipfel auch die Lebenspartnerinnen und -partner von Staats- und Regierungschefs wie Angela Merkel und Emmanuel Macron. In der Pandemie-Pause startete Brunk den Podcast "Maike im Hafen". Mittlerweile kann sie auch wieder echte Touren anbieten.

SZ: Sie haben schon mehr als 60 000 Gäste geführt - darunter viele Einheimische. Wo haben selbst diese Aha-Erlebnisse?

Maike Brunk: Den Hamburgern und Hamburg-Kennern zeige ich gerne Orte außerhalb der klassischen Hafenrundfahrten - auch solche, bei denen die meisten erst mal die Nase rümpfen. Es gibt ja Stadtteile, in denen man eher Industrie vermutet, wo nach dem Krieg schnell und einfach aufgebaut wurde, die nicht gerade als schön gelten. Vom Wasser aus ist der Blick anders auf solch vermeintlich raue Gegenden. Auf unserer Tour "Kanal-Idylle Bille" etwa - die führt östlich der Elbbrücken nach Rothenburgsort, Hamm-Süd und Hammerbrook ins Grüne, zu hübschen Kleingärten, Bootsanlegern. Nur die Spitze des Fernsehturms erinnert daran, in Hamburg-Mitte zu sein. Hausboote liegen an Stellen, die man von der Straße gar nicht einsehen kann.

Ausgehen in Hamburg
:Stadt am Strand

Mit einem Ozean kann Hamburg zwar nicht aufwarten, aber mit Beachclubs. Die gehören zur Stadtkultur - und eröffnen überall: auf Parkdecks oder Anlegern, an der Elbe oder in den Alsterkanälen.

Von Anja Martin

Die vermeintlich unscheinbaren Ecken des Hafens werden also zu Unrecht übersehen?

Absolut. Klar, es ist wundervoll, die Highlights zu besichtigen, Hamburg hat schließlich viele zu bieten vom Elbpanorama über Speicherstadt und Elbphilharmonie bis zu historischen Schiffen wie der Peking. Aber gerade für Besucher, die öfter kommen und Zeit mitbringen, gibt es viel mehr. Auch schöne Kontraste zum Großstadttrubel. Rund um die Elbinsel Wilhelmsburg etwa, da sind wir an den Elbe-Tideauen im letzten Hamburger Urwald. Neulich erst habe ich die Geburtstagsgesellschaft einer Ur-Hamburgerin, die 80 wurde, dorthin geführt. Alle waren dann begeistert, ein Seeadlerpärchen über der Barkasse zu sehen.

Zugleich ist der Hafen keine reine Idylle. Da wird geschuftet, riesige Frachter und Kreuzfahrtschiffe sind unterwegs, Krisen wirken sich direkt aus. Wie beeinflusst das Ihre Touren?

Es ist eben diese Mischung. In vielen anderen Städten liegen die Häfen etwas außerhalb, in Hamburg ist alles sehr verzahnt, und man kriegt viel aus der Nähe mit. Etwa dadurch, dass ein Containerterminal direkt gegenüber vom Fischmarkt liegt. Dann sieht man vielleicht Schlepper, wie sie einen Riesenpott vor dem Ufer drehen. Aktuelles wie die Pandemie oder der Krieg sind natürlich auch Themen, aber viele Gäste genießen die Touren eher als Auszeit davon, konzentrieren sich lieber auf Geschichte und Entwicklung des Hafens.

Blick auf die Elbphilharmonie und einen Fähranleger - Kultur, Tourismus und Handel liegen nah beieinander im Hamburger Hafen. (Foto: Georg Wendt/dpa)

Ihr bisher speziellster Auftrag: die Partnerinnen und Partner der G-20-Gäste im Jahr 2017 durch den Hafen zu führen.

Ja, es war interessant, dabei zu sein, wie die Ladys und damals drei Gentlemen sich trafen. Eine kleine, geschlossene Runde zu erleben, für die kreisende Hubschrauber, Absperrungen und all das normal sind. Für mich bedeutete das dagegen eine große Anspannung - jeden Tag möchte ich so was nicht haben!

Bei Schiffsrundfahrten scheint es kaum ohne Witzchen zu gehen - welchen Scherz können Sie überhaupt nicht mehr hören?

Das ist tatsächlich ein Punkt, in dem ich mich von Anfang an unterscheiden wollte: Ich möchte mehr Fakten, weniger Sprüche bringen. Wirklich gar nicht mehr hören kann man doch, dass in irgendwelchen Schuppen im Hafen die Bananen krummgebogen und in den Schleusen die Schollen plattgedrückt werden. Wird aber immer noch manchmal erzählt.

Und umgekehrt: Was klingt unglaublich, ist aber wahr?

Am Fischmarkt frage ich gerne: Was meinen Sie, an welchem deutschen Hafen kommt der meiste Frischfisch an Land? Die Leute raten alles Mögliche: Hamburg, Bremen, Kiel, Rostock. Der Clou: Es ist der Flughafen Frankfurt am Main. Dann folgt Gelächter, aber auch ein Schock, wenn die heile Welt zusammenbricht, wo man denkt, hier legt doch bitte noch der Fischkutter an. Aber in Hamburg kommt der meiste Fisch tatsächlich tiefgekühlt per Lkw aus Skandinavien.

Fühlen Sie sich im Hafen in einer Männerwelt?

Absolut, das ist weiterhin so. Als ich 2007 angefangen habe, habe ich auch sehr deutlich zu spüren gekommen, dass ich nicht ernst genommen werde. Ich kannte schon die IT als männerlastige Welt, doch im Hafen herrscht ein noch rauerer Ton. Je mehr ich dann aber mitgefahren bin, konnte ich zeigen, dass ich mich ganz gut auskenne. Und wenn man sich erstmal bewiesen hat, kommt der Respekt - und man weiß immer, woran man ist. Doch bis heute gibt es bei jeder Tour mindestens einen "wichtigsten Mann an Bord", wie ich das nenne. Der geht dann zu mir ans Mikro und meint, er müsse mir was vom Hafen erzählen. Wirklich auf jeder Tour seit fünfzehn Jahren. Da staune ich immer wieder.

Sie befassen sich täglich mit Geschichte und Gegenwart des Hafens - wie stellen Sie sich seine Zukunft vor?

Ich denke, wir werden weiter sehr große Schiffe haben, wobei der Spagat zwischen Wachstum und Ökologie schwierig ist. Ich bin nicht hundertprozentig überzeugt von der Elbvertiefung, aber sehe bei den Rundfahrten natürlich auch die Begeisterung der Menschen für die ganz großen Pötte. Der Hafenschlick ist aber ein Problem, auch das Thema Luftverpestung. Da stellt sich schon die Frage, ob alles immer noch riesiger werden muss. Ich würde mir zum Beispiel eine bessere Kooperation zwischen Hamburg und dem Tiefwasserhafen von Wilhelmshaven wünschen. Die Umweltaspekte müssen beim Hafen mehr Aufmerksamkeit bekommen, um auch künftig in Hamburg eine lebenswerte Stadt zu haben.

Mehr Informationen zu Maike Brunks Hafenrundfahrten auf der Website der "Hamburger Elbinsel-Tour" .

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusUnbekanntes Hamburg
:Wo das eigentliche Wasserparadies von Hamburg liegt

Wenn es wärmer wird, zieht es viele Hamburger an den Elbstrand, dem gefühlten Meer der Stadt. Doch das eigentliche Wasserparadies ist ganz woanders zu finden - und ist oft fast menschenleer. Über die verkannte Idylle im Osten der Stadt.

Von Till Briegleb

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: