Ein beträchtlicher Teil der Deutschen ist des Englischen nicht mächtig. Bisher benötigten diese Menschen einen Übersetzer, wenn sie mit der Eisenbahn fahren wollten. Denn die Deutsche Bahn hatte es sich angewöhnt, mit ihrer Kundschaft auf Englisch zu kommunizieren: Service Point, Counter, Call a bike.
Bahn-Knigge:Sind Sie so frei?
Bahnfahren bringt einem die Mitmenschen oft näher als uns lieb ist. Wie Sie sich dabei richtig verhalten - der Bahn-Knigge.
Damit soll jetzt Schluss ein, die Bahn will künftig weniger Anglizismen verwenden. Das versicherte Bahnchef Rüdiger Grube in einem Brief an den Bundestagsabgeordneten Ernst Hinsken (CSU).
Laut Grube wird die Bahn ihre Handzettel nicht mehr Flyer nennen, Hotlines sollen demnächst Service-Nummern heißen. Etablierte Markennamen wie Bahn Card oder Intercity, die jeder verstehe, will die Bahn aber weiterhin verwenden. Die Dienstleistung "Call a bike" soll den Kunden mit der Erläuterung "das Mietrad-Angebot der Deutschen Bahn" schmackhaft gemacht werden.
Über den "gedankenlosen Gebrauch von Anglizismen" hatte sich auch der frühere Schulleiter Franz Aschenbrenner oft geärgert. Als die Bahn am Straubinger Bahnhof eine Kiss&Ride-Zone (Kurzzeitparkzone) einrichtete, alarmierte Aschenbrenner seinen Wahlkreisabgeordneten Hinsken. "Welche Gründe hat die Bahn, uns eine Sprache aufzudrängen, die nicht die unsrige ist?", fragte er.
Hinsken gab die Petition an Bahnchef Grube weiter, nicht zuletzt aus Selbstschutz. Als die Straubinger Lokalzeitung nämlich titelte: "Hinsken für Kiss & Ride", da geriet die gute Sache fast in ein schiefes Licht. Leser mit schwachen Englischkenntnissen glaubten glatt, der Abgeordnete plädiere für ein Rotlichtviertel ("küsse kurz und fahr schnell wieder weg").
Und so fragte Hinsken energisch nach, ob denn die Bahn keinen deutschen Begriff für Kiss & Ride kenne. Grube versprach umgehend, die Bahn werde alternative Begriffe für missverständliche und überflüssige Anglizismen suchen.
Die Bahn liegt damit sprachlich im Trend. Der Verein Deutsche Sprache hat nämlich festgestellt, dass sich das Bewusstsein zugunsten der deutschen Sprache ändert und er belegt dies auf seiner Internetseite mit vielen Beispielen. Sogar in der großen Politik ist ein Meinungsumschwung im Gange. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat soeben angeordnet, dass in seinem Ministerium Deutsch gesprochen werden muss. "Ich kenne kein Land der Erde, in dem man so respektlos mit der eigenen Sprache umgeht."
Im Verkehrsministerium arbeiten deshalb künftig Projektgruppen statt Task Forces. Dabei hat gerade die CSU Pionierarbeit in der Verbreitung des englisch-deutschen Kauderwelschs (Denglisch) geleistet. Mit Stoibers Wahlspruch "Laptop und Lederhose" brachen alle Dämme.
In den Reden von CSU-Politikern wimmelte es vor Begriffen wie Cluster, Benchmarking und Champions League. Die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) erwies sich in der Neuschöpfung von Anglizismen als so erfinderisch (fit for work, get Azubi), dass Kritiker ihr Sprachverhalten in die Kategorie BSE einreihten (Bad Simple English).
Dieses Vorurteil trifft nun auch die Baden-Württemberger, gerade nach der jüngsten Englisch-Rede des früheren Ministerpräsidenten Günther Oettinger. Dabei hatte der Chef der Stuttgarter Staatskanzlei, Hubert Wicker, die Beamten im Ländle schon vor langem vor dem Gebrauch fremder Sprachen gewarnt. "In unseren Unterlagen fallen mir Anglizismen auf, die nicht unsere Weltläufigkeit unterstreichen, sondern eher - mit Verlaub - albern wirken."
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