Anita Kraisser ist eine zupackende Frau. Vor zwölf Jahren hat sie gemeinsam mit ihrem Mann die Pacht für das Anton-Karg-Haus übernommen. Sie hat aus der fast 120 Jahre alten Hütte im Kaisergebirge bei Kufstein eine Anlaufstelle für Wanderer aus allen Winkeln der Welt gemacht. Zwei Kinder zog das Wirtspaar groß und drei Esel, gemeinsam haben sie Stürme und Stromausfälle überstanden. Doch dann kam etwas, das Anita Kraisser, 43, an ihre Grenzen gebracht hat: "Das Schlimmste war diese Hilflosigkeit."
Kraisser hatte Bettwanzen zu Gast. Dabei gelten die eher als Problem von Sterne-Hotels, aus den Alpenhütten schienen die Blutsauger jedenfalls vertrieben zu sein. Doch nun müssen sich die Alpenvereine wieder mit den Insekten beschäftigen: Im vergangenen Herbst wurde die Vorderkaiserfeldenhütte im Zahmen Kaiser mit einem Zelt umschlossen und ausgeräuchert; Tausende Eier sollen die Wanzen dort gelegt haben. Das Pürschling-Haus bei Unterammergau musste sogar für einen ganzen Winter schließen. Die Zahl der Tiere hat in manchen Gegenden derart zugenommen, dass sich im April erstmals Hüttenwirte und Funktionäre der Alpenvereine mit Experten vom deutschen Umweltbundesamt trafen, um eine Strategie gegen die Biester zu entwickeln.
Bettwanzen in Berghütten:Der Feind in meinem Bett
Geschlossene Hütten, verunsicherte Wanderer: Die Alpenvereine kämpfen in ihren Unterkünften gegen Bettwanzen. Und die sind leider verdammt hart im Nehmen.
Eines der größten Hindernisse dabei seien die Wirte selbst, sagt Peter Kapelari vom Österreichischen Alpenverein. "Keiner von denen schreit: 'Ich habe Bettwanzen!' Das ist ein heikles Thema für die." Denn viele Gäste würden denken, die Krabbeltiere kommen, weil eine Hütte nicht sauber sei. Dabei sind es die Besucher selbst, die die Insekten in ihren Rucksäcken und Schlafsäcken entlang der Routen verteilen. "Es ist jedenfalls kein Hygieneproblem", sagt Kapelari. Abgesehen von juckenden Stichen sind die Parasiten für den Menschen auch nicht gefährlich.
Anfangs reagierte Anita Kraisser wie viele der Wirte. Wenn der Schädlingsbekämpfer kam, hängte sie ein Schild an die Tür: "Wegen Wasserschaden geschlossen". Doch mit jedem Gast konnten die Tiere wieder da sein. "Wo hört das auf", dachte Kraisser irgendwann, "das ist ein Teufelskreis." Also begann sie zu recherchieren, kaufte sich eine Spezialtaschenlampe, um den Kot der Insekten entdecken zu können. Gemeinsam mit einer Firma in Berlin entwickelte sie schließlich den Bettwanzensack. Seit Mitte Juni bekommt jeder Gast einen, um sein Gepäck darin zu verstauen. "So werden die Wanzen nicht weiter verbreitet", sagt Kraisser. Inzwischen empfiehlt auch die Gewerbeaufsicht in Kufstein den Wanzensack.
Doch der ist nur ein Mittel, mit dem die Alpenvereine dem Getier zu Leibe rücken. So werden im Kaisergebirge systematisch Spürhunde eingesetzt, die die Wanzen noch in jeder Rille des Holzes finden. Schlagen sie an, wird der Kammerjäger geholt. "Wir stehen da noch ganz am Anfang", sagt Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverein. "Das war eben lange Zeit ein Tabuthema." Er glaubt, dass die Bettwanzen eigentlich nie aus den Hütten verschwunden waren, nur seien die Wanderer inzwischen anspruchsvoller geworden. Sie wollten Duschen, Wlan, eben Hotelzimmerkomfort. "Aber sie wollen auch, dass es Hütten bleiben." Die eine oder andere Bettwanze gehört da vielleicht einfach dazu.