Kolumne: Hin und weg:Im Pedale-Paradies

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Kommunen könnten künftig "mit pragmatischen Maßnahmen dafür sorgen, dass Radfahrende stress- und angstfrei unterwegs sind". (Foto: IMAGO/Stefan Zeitz/IMAGO/Stefan Zeitz)

Kopenhagen soll die fahrradfreundlichste Stadt der Welt sein? Von wegen. Dit is Berlin!

Glosse von Stefan Fischer

"Weltstadt mit Herz", das war einmal der Slogan, mit dem München um Sympathien in der Welt gebuhlt hat. Die Berliner sind für derlei eher nicht empfänglich, denn mit Sympathiebekundungen halten sie sich grundsätzlich lieber zurück. In diesem speziellen Fall war das freundlichste, was sie sich gegenüber München abringen konnten, mutmaßlich ein Spruch wie: "Weltstadt? Ein Scherz!"

Wer mag es den Berlinern verdenken? Aus ihrer Perspektive ist München Provinz und der Zeit ähnlich weit hinterher wie Mecklenburg, über das schon Reichskanzler Bismarck wusste, dass dort die Welt fallweise 50 Jahre später untergehen werde als in eben: Berlin. Wie ähnlich weit München dem Stand der Dinge hinterherhinkt, lässt sich aktuell an der Verkehrspolitik ablesen: Seit einigen Wochen gilt auf Teilen der Münchner Leopoldstraße - einer der zentralen Einfallsstraßen also - Tempo 30.

Was macht das progressive Berlin derweil? Löst in der Friedrichsstraße eine Fußgänger- und Radfahrerzone auf, damit dort gefälligst wieder Autos fahren können, also nach Monaten des Stillstands das großstädtische Leben zurückkehren kann ins Herz der Metropole - so geht Urbanität. Währenddessen München den vorletzten oder vielleicht bereits letzten Schritt unternimmt, um Schwabing vollständig der erzöden Schlaf-Vorstadt Olching anzupassen.

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München muss erst einmal die Autos aus der Stadt verdrängen, um sie irgendwann dereinst zurückholen zu können. Berlin, wie immer am Puls der Zeit, kann sich diesen zweiten Schritt jetzt schon erlauben. Weil, und das hat die Stadt unlängst erst wieder attestiert bekommen: Die Fahrradfahrer leben in Berlin ohnehin im Paradies! Da kann man sich ein bisschen Nachsicht mit den Autofahrern leicht erlauben. Wer das für einen Witz hält, dem sei gesagt: Kopenhagen? Quatsch! Amsterdam? Niemals!! München? Hahaha!!! - Nein: Berlin ist die fahrradfreundlichste Stadt in Europa.

Das hat ein aktuelles Ranking eines Online-Reisebüros ergeben, das seinen Namen im Zusammenhang mit diesem Ranking gerne in der Presse lesen würde. Es handelt sich um das Online-Reisebüro namens - ach, egal. Egal ist auch, dass Berlin als Sieger aus dem Ranking hervorgegangen ist. Es hätte auch Athen, Venedig oder Kiew sein können. Nur nicht Kopenhagen oder Amsterdam, denn das ist erwartbar, also langweilig.

Und stimmt es nicht, dass Berlin so viele Radweg-Kilometer und so viele Bike-Sharing-Stationen hat wie wenige andere Städte? Okay, Berlin ist fünf Mal so groß wie die meisten Vergleichsstädte, die es um zwanzig Radweg-Kilometer und zwei Bike-Sharing-Stationen übertrumpft. Aber da sind eben auch noch das geringere Höhenprofil im Vergleich zu Rom und die geringere Anzahl an Regentagen als in Helsinki. Man muss nur die Kriterien entsprechend definieren, damit just der Sensations-Sieger herauskommt, den man haben möchte - traue eben keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. Den Urhebern dieses Fahrradrankings wünscht man jedenfalls, dass sie tagtäglich einmal die Oranienstraße oder die Schönhauser Allee entlangradeln müssen.

Stefan Fischer ist kein Freund von Heldenverehrung. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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